Haltungsformen

ITW Rindfleisch startet

3 m2 Platz und eine Scheuermöglichkeit – das sind die Hauptkriterien für die Initiative Tierwohl Rindfleisch. Landwirte können sich am 15. März anmelden. Alle Infos gibt es hier.

Die Initiative Tierwohl (ITW) steht nun auch für Rindfleisch in den Startlöchern. Die Marktlage für Rind ist äußerst positiv. Warum dann überhaupt ITW, Herr Wiedenroth?

Der Markt für Rindfleisch ist gut - ja. Aber auch nur seit etwa einem Jahr. Davor sah es komplett anders aus. Hinzu kommt, dass die Produktionskosten davonlaufen.

Klar ist auch, dass das Ziel der ITW nicht darin liegt, Marktschwankungen auszugleichen. Mit der Initiative wollen wir Landwirtschaftsbetriebe in Richtung Tierwohl weiterentwickeln und damit auch die gesellschaftlichen Anforderungen hinsichtlich höherer Produktionsstandards erfüllen.

Bisher gab es noch kein Programm, mit dem Rindfleischprodukte in die Haltungsformstufe 2 des Lebensmitteleinzelhandels eingeordnet werden konnten. Deshalb haben wir ITW auf den Weg gebracht. Wichtig ist dabei, dass ITW und QM+ ineinander greifen, für die Schlachtkuh wurde bereits mitgedacht und sie kann aus einem QM+ Betrieb über die ITW vermarktet werden.

Wie hoch ist der ITW-Zuschlag für Landwirte?

Für das erste Jahr der dreijährigen Programmlaufzeit erhalten Landwirte 10,7 Cent/kg und für das zweite und dritte Jahr 12,83 Cent/kg.

Wie kommen diese Werte zustande?

Die Kriterien für ITW (siehe Kasten) wurden von der ITW-Arbeitsgruppe erarbeitet und anschließend von unabhängigen Experten mit dem entstehenden finanziellen Aufwand bewertet. Die einzelnen Werte wurden aufaddiert und ergeben den jetzigen Honorierungssatz.

Das sind die Kriterien:
Grundsätzlich gilt: Alle Rinder (auch zugekaufte) müssen durchgängig unter Bedingungen der Initiative Tierwohl Rindfleisch gehalten werden. Bis zum 31. Dezember reichen die letzten sechs Monate vor der Schlachtung. Diese Kriterien gelten für Rindermast und Mutterkuhhaltung:
- Teilnahme am QS-Antibiotikamonitoring und
- indexiertem Schlachtbefunddatenprogramm
- Eine Weiterbildung pro Jahr
- Anbindung verboten
- Platzangebot ab 400 kg: 3 m2/Tier (bis 150 kg: 1,5 m2/Tier; bis 220 kg 1,8 m2/Tier; bis 400 kg 2,5 m2/Tier)
- Sauberkeit der Tiere: Nicht mehr als 10 % der Tiere dürfen eine starke Klutenbildung im Fell haben.
- Scheuermöglichkeiten (ab April 2023): Allen Tieren muss eine Scheuermöglichkeit zur Verfügung stehen (eine/Bucht). Die Scheuermöglichkeit muss vertikal angebracht sein und Mindestmaße von 90 cm (lang) mal 30 cm (breit) haben. Sie muss ein unebenes Oberflächenprofil haben. Wenn sie kaputt ist, muss sie ausgetauscht werden. Das kann aber nach dem Mastdurchgang geschehen. Ausfall und Ersatz müssen dokumentiert werden. Scheuermöglichkeiten können Bürsten, Riffelbleche, Gummimatten mit Noppen oder Anderes sein.
- Tierärztliche Bestandsbetreuung.

Riffelbleche gelten beispielsweise als Scheuermöglichkeit. (Bildquelle: Schmidtmann)

Wie werden die Zuschläge abgerechnet?

Es gibt den ganz normalen Marktpreis (Orientierung VEZG), dann gibt es die Zuschläge, die Bullenmäster selber aushandeln. Obendrauf kommt der separate Tierwohl-Zuschlag. Dieser wird auf den Abrechnungen einzeln ausgewiesen. Es findet keine Vermischung statt.

Müssen sich Landwirte vertraglich binden, um bei der ITW mitzumachen?

Zunächst muss der Landwirt das ITW-Audit bestehen und berechtigt sein, ITW Tiere zu liefern. Dann gibt drei Möglichkeiten:

  • Der Landwirt bindet sich direkt an den Schlachthof. ITW hat eine Liste mit den teilnehmenden Schlachthöfen veröffentlicht.
  • Der Mäster bindet sich vertraglich an seinen Händler/Vermarkter und dieser liefert die Tiere an die passenden Schlachthöfe.
  • Oder er ist risikoaffiner und vermarktet seine Tiere weiter frei am Markt. Das geht, wenn der Betrieb ITW-zertifiziert ist. Bei diesem Weg fehlt ihm allerdings die Abnahmegarantie und der ITW-Zuschlag bildet sich frei am Markt.

Also wird die Finanzierung über ein Marktmodell gelöst. Warum keine Fondlösung?

Wir überspringen die Entwicklungsschritte, die wir bei ITW Schwein hatten. Der Vorteil am Marktmodell ist, das die Nämlichkeit gewährleistet wird. Das bedeutet: In Produkten, die im LEH mit ITW gekennzeichnet sind, ist auch ITW-Fleisch drin.

Besteht die Gefahr, dass ITW in ein paar Jahren zum neuen Standard und der Zuschlag eingepreist wird?

Wir gehen erst mal nicht davon aus, dass der gesamte Markt in die ITW gehoben wird. Einige Betriebe werden auch nur einzelne VVVO-Nummern ITW-zertifizieren lassen.

ITW beruht auf dem Gedanken, dass Landwirte, die in puncto Tierwohl mehr Kriterien umsetzen als der Gesetzgeber fordert oder die gute fachliche Praxis vorsieht, eine höhere Entlohnung erhalten. Solange die Kriterien darüber liegen, ist die Diskussion ITW einzupreisen in meinen Augen überflüssig. Für zwei verschiedene Haltungsformen braucht es zwei verschiedene Preise.

So machen Sie bei ITW mit:
1. Anmeldebeginn für ITW ist der 15. März.
2. ITW veröffentlicht die Bündler auf der Homepage.
3. Landwirte können einen Bündler auswählen.
4. Dieser organisiert dann die Audits.
5. Der Mäster gibt den erstmöglichen Umsetzungszeitpunkt der Kriterien an.
6. Audits finden ab dem 1. April unangekündigt statt.
7. Ab Juni soll es ITW-Rindfleisch im LEH geben.

Die Verhandlungen für ITW haben lange gedauert. Wie war die Arbeitsgruppe zusammengesetzt und woran hat´s gehapert?

Eine große Arbeitsgruppe (AG) von etwa 40 Personen hat die ITW die vergangenen 1,5 Jahre begleitet. Darunter Vertreter aus allen Teilen der Wertschöpfungskette: Von Verbänden, über Landwirte, Einzelhandel, Schlacht- und Molkereibranche, QS, QM- und ITW-Geschäftsstelle. Als die Kriterien feststanden, wurden strategische Arbeitsgruppen gegründet, um die Kriterien mit der benötigten finanziellen Honorierung abzustimmen.

Wer hatte insgesamt den Hut auf?

Die Entscheidungen wurden einstimmig getroffen. Natürlich sind es aber immer Kompromisse, um die wir auch sehr hart, z.B. mit dem Einzelhandel gekämpft haben. Das ist kein Geheimnis und spiegelt sich auch in der Dauer der Diskussionen wider.

Henrik Wiedenroth ist Referent beim DBV und Mitglied in der AG für ITW Rindfliesch. (Bildquelle: DBV)

Ist der Bauernverband mit den Ergebnissen zufrieden?

Unterm Strich haben wir mit der ITW ein Programm, das mehr Tierwohl auf die Höfe bringt und Landwirte für diesen Mehraufwand angemessen entlohnt. Wir setzen so auch ein wichtiges Zeichen, dass die Branche zusammenarbeiten kann. Was diese Punkte angeht, sind wir also sehr zufrieden, dass es nun endlich losgeht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Landwirtschaft bereit gewesen wäre, umfangreichere Kriterienkataloge umzusetzen aber der Handel nicht gewillt war diese zu honorieren.

Ist der Absatz von ITW-Ware gesichert?

Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten steigt kontinuierlich, von daher liegen wir mit dem Programm genau im Trend. Zudem haben alle ITW-Teilnehmer eine Branchenvereinbarung unterzeichnet. Mit dieser verpflichten sie sich den Absatz von Produkten aus Haltungsform 2 bestmöglich zu fördern.

Der LEH fordert immer höhere Haltungsformen. Ist Stufe 2 nur eine Übergangslösung und dann fordert der Handel Stufe 3 und 4?

Wenn man sich anschaut, was Aldi und Co. an Zielvorstellungen entwickelt haben, ist das eine berechtigte Frage. Wenn wir auf die kommenden 15 Jahre blicken, wird die ITW Rindfleisch wahrscheinlich ein wichtiger Zwischenschritt sein und eine Chance Landwirte mitzunehmen, um die Betriebe in Richtung höherer Tierwohlstandards weiterzuentwickeln. Wir werden mittelfristig jedoch bei höheren Kriterien landen.

Wie geht ITW mit ausländischer Ware um?

Mit diesem Programm starten wir von 0 auf 100, direkt ins Marktmodell und gewährleisten eine Nämlichkeit. Aus dem Grund war es Konsens, dass wir uns in der ersten Programmphase erst mal auf den nationalen Markt beschränken. Gleichzeitig mussten wir die Verträge berücksichtigen, die der LEH schon mit ausländischen Rindermästern abgeschlossen hat. Erfüllen ausländische Mäster aus bestehenden Verträgen, die ITW-Kriterien, dürfen diese auch teilnehmen. Aber ansonsten ist ITW den deutschen Rinderhaltern vorbehalten.

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