Immer wieder berichten Bullenmäster, dass Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) Höfe anfahren und versuchen Landwirte direkt als Vertragspartner für die Haltungsform Stufe 3 im Label des Handels „haltungsform.de“ zu gewinnen. „Dabei geht es meistens um Zuschläge zwischen 20 und 30 Cent/kg Schlachtgewicht. Das variiert je nach Unternehmen“, sagt Matthias Lambers vom Beratungsring Osnabrück. Er rät Landwirten zu Achtsamkeit bei jeglicher Vertragsbindung: „Jeder Landwirt muss seinen Status quo genau erfassen und die Mehrkosten für höhere Haltungsformen analysieren. Auf keinen Fall sollten Sie voreilig unterschreiben!“ Für viele Betriebe reiche der Bonus nicht annähernd.
Nicht voreilig binden!
Auch Dr. Albert Hortmann-Scholten, Geschäftsführer der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG), mahnt zur Vorsicht: „Es ist nie gut Erzeugergemeinschaften bei Verträgen komplett auszuschließen. Genossenschaften kämpfen für eine faire Preisfindung für ihre Landwirte. Der einzelne Landwirt kann den Markt kaum überblicken. Eine Dreiecksbeziehung wäre weit aus besser.“ Der Experte berichtet außerdem davon, dass der Handel genau wie für Stufe 3, auch versucht Landwirte für Stufe 2 zu gewinnen.
Aktuell werden die meisten Bullen laut Lambers auf 2,7m2/Tier (Vorgaben niedersächsische Leitlinie Rindermast) gehalten. Das ist bereits mehr als QS und somit Haltungsform Stufe 1 vorschreiben. Darum bildet dieses Platzangebot die Basis für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit (siehe Tabelle).
ITW künftig Stufe 2
In Haltungsform Stufe 2 gibt es bisher nur das Label „Heimatrind“ von Müllerfleisch. Künftig soll die Initiative Tierwohl (ITW) Rindfleisch auch in Stufe 2 angesiedelt werden. Zu den Kriterien von ITW gehören voraussichtlich unter anderem 3 m2 Platz/Endmastbulle und eine Scheuermöglichkeit pro Bucht. Das ist von mehreren Branchenvertretern aus internen Runden zu vernehmen. Allerdings sei bis jetzt noch nicht klar, in welchem Umfang die Leistung honoriert wird.
Laut Berechnungen brauchen Betriebe etwa 16 Cent/kg mehr für Haltungsform Stufe 2. Sie können pro Bucht (20 m2) nur noch sechs statt der bislang zulässigen sieben Tiere einstallen. „Es gibt aber auch Rindermäster, die ihre Tiere bereits auf 3 m2 oder mehr halten. Diese können relativ einfach die Kriterien von ITW erreichen und Mehrkosten fallen nur für die Scheuermöglichkeit an“, erklärt Lambers, der auch Geschäftsführer beim Bundesverband für Rindermäster ist.
Wettbewerbsverzerrung
In Haltungsform Stufe 3 fordert der Handel unter anderem:
- 4 m2 Platz ab einem Lebendgewicht von 400 kg,
- GVO-freie Fütterung und
- die Haltung im Offenfrontlaufstall (mindestens 60 % einer Längsseite oder je 30 % an beiden Längsseiten müssen geöffnet sein).
In Stufe 3 sind bereits acht Siegel angesiedelt: Darunter zwei französische, eins aus Österreich sowie fünf deutsche. „Teilweise fordern die Label die Haltung der Jungbullen auf Stroh, teilweise auf Spalten oder Spalten mit Gummiauflage. Das variiert“, berichtet Lambers. Fakt ist, dass Betriebe aus NRW, die die Strohprämie erhalten (280 €/Großvieheinheit und Jahr) die Anforderungen von Stufe 3 erreichen können. Sie müssten lediglich die Fütterung umstellen. „Umgerechnet bekommen diese Betriebe für die Strohprämie rund 40 Cent pro kg Schlachtgewicht (bei 430 kg SG). Wenn dann noch etwa 30 Cent/kg Bonus vom LEH für Stufe 3 hinzukommen, verzeichnen die Betriebe einen Mehrerlös von insgesamt 70 Cent/kg SG“, so der Berater.
„Die Prämien in NRW führen in meinen Augen zu Wettbewerbsverzerrungen und bergen die Gefahr, dass sich Betriebe unter Wert an den Handel verkaufen“, ärgert sich Hortmann-Scholten. Risiken sieht der Fachmann aber auch darin, dass sich ausländische Label künftig in den Haltungsform Stufen 3 und 4 tummeln könnten.
Das sagen die Zahlen
„Bei einem Platzangebot von 2,7 m2/Tier (Stufe 1) sollten Landwirte genau überprüfen, ob die höheren Haltungsstufen zum Betrieb passen“, erklärt Lambers. Die Berechnungen ergeben, dass in einer Bucht von 5 x 4 m mit 2,7 m2/Tier sieben Tiere in einer Bucht stehen, bei 3 m2 für Stufe 2 entsprechend noch sechs und bei 4 m2 für Stufe 3 nur noch fünf Tiere. Hinzu kommen für Stufe 2 die Kosten für eine Scheuermöglichkeit und für Stufe 3 zusätzlich für Gummiauflagen und GVO-freies Futter. In den Direktkostenfreien Leistungen ergeben sich gravierende Unterschiede. Im Beispiel bräuchte der Betrieb 16 Cent (Stufe 2) und 70 Cent (Stufe 3) mehr Geld pro kg SG.
In kleinen Schritten
„Wenn Betriebsleiter aber jetzt in Tierwohl investieren wollen, kann Stufe 2 mit etwas mehr Platz und einer Scheuermöglichkeit (ITW) eine gute Lösung bieten“, so Lambers. Mit Blick auf die niedersächsische Leitlinie, die für 2030 3,5 m2/Endmastbulle und eine weiche Unterlage fordert, könnte Stufe 2 schon ein erster Schritt in die Richtung bedeuten. Es kann aber auch Betriebe geben, die gut mit der aktuellen Situation und Stufe 1 fahren. „Ich rate jedem Landwirt seine eigenen Zahlen in die Tabelle einzusetzen und zu prüfen, was ihm welche Haltungsform kostet“, sagt Lambers. Sein Fazit:
- Für Betriebe aus NRW mit Strohprämie kann Haltungsform Stufe 3 ein Mitnahmeeffekt sein.
- Für Betriebe mit Spaltenboden und 2,7 m2/Tier rechnen sich 30 Cent/kg SG Mehrerlös nicht.
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