Arbeitsteilige Sauenhaltung: Spezialisierung mit Wachstumschancen.

Wachstum mit verteilten Aufgaben

In der Arbeitsteiligen Sauenhaltung kümmern sich die einen Betriebe ums Besamen, andere um die Wartesauen oder das Abferkeln. Gemeinsam erzeugen die Landwirte große, einheitliche Ferkelpartien.

Ferkel sind seit Wochen knapp und teuer, die Marktaus­sichten gar nicht schlecht. Trotzdem schauen viele Sauen­halter eher skeptisch in die ­Zukunft. Schließlich kommen auf die meisten Ferkelerzeuger „dank“ der geänderten gesetz­lichen Vorgaben in den nächsten Jahren umfangreiche Investitionen beispielsweise im Deck­zentrum und im Abferkelbereich zu.

Beide Bereiche müssen nach Ablauf der Übergangsfristen oftmals aufwendig modernisiert und umgebaut werden, um den Sauen mehr Platz und Bewegungsraum zur Verfügung zu stellen. Nach den schlechten Ferkelpreisen der vergangenen Jahre ist das Geld dafür in etlichen Betrieben nicht vorhanden. In anderen Fällen fehlt der Hofnachfolger oder die Nachfolgerin. Nicht selten gestaltet sich auch die bauliche Umsetzung schwierig. Die Landwirte suchen daher nach Lösungen.

­Eine Variante kann die Arbeitsteilige Sauenhaltung (AS) sein, bei der sich die teilnehmenden Landwirte auf den Deck-, Warte- oder Abferkelbetrieb spezialisieren und als Gruppe große, einheit­liche Ferkelpartien erzeugen. In der aktuellen Situation hat das System den Vorteil, dass die Betriebe nicht beide oben genannten Produktionsbereiche neu gestalten müssen. In der Arbeitsteiligen Produktion haben sie sich ja in der Regel auf das Besamen oder aufs Abferkeln spezialisiert.

104 Sauen in einer Abferkelgruppe

Michael Gorke aus Nottuln zum Beispiel ist ein erfahrener „Arbeitsteiliger Sauenhalter“. Der 42-jährige ausgebildete Industriemechaniker und Landwirt hat in Osnabrück Landwirtschaft studiert und bewirtschaftet im Stevertal einen 45-ha-Betrieb mit Bullenmast und Sauenhaltung.

Der Hof ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied der Arbeitsteiligen Sauenhaltung (AS) der Viehvermarktung Münsterland. Damals, kurz vor der Jahrtausendwende, suchten Michael und sein Vater Ludger eine Entwicklungsstrategie für den Gemischtbetrieb mit 18 Milchkühen und kleinerer Sauenhaltung in renovierungsbedürftigen Ställen.

„Verschiedene Berater emp­fahlen uns seinerzeit die Auf­stockung auf 200 Sauen und den Verkauf von Babyferkeln“, erinnert sich der Landwirt: „Der Plan wurde aber nicht umgesetzt. Wir hätten zu viele Stallbereiche parallel umbauen müssen."

Aufs Abferkeln spezialisiert

Stattdessen trat Gorke der Arbeitsteiligen Sauenhaltung bei: In einem Neubau wurden 80 Abferkelbuchten geschaffen und die Familie spezialisierte sich auf die Betreuung der Sauen und Ferkel rund um die Geburt. „Diese Aufgabe passte gut zu unserer Arbeitskräftesituation und Flächenausstattung“, beschreibt Ludger Gorke die Hintergründe.

Eine 80er-Abferkelgruppe war übrigens vor 24 Jahren im Münsterland eine außergewöhnliche Größen­ordnung. Das bedeutete viel Arbeit an den Abferkeltagen, ergab aber auch eine ungewöhnlich große Lieferpartie von 700 bis 800 Absetzferkeln. Diese gingen und gehen an einen anderen ­Betrieb im System der Arbeitsteiligen Sauenhaltung, der die Ferkel weiter aufzieht und/oder anschließend mästet. Derweil wechseln die leeren Sauen nach dem Ende der Säugezeit in einen der AS-Deckbetriebe, während der Abferkelbetrieb seinen Stall reinigt, desinfiziert und für die nächste Sauen­gruppe vorbereitet.

Weitere Sauen in Planung

Die Zusammenarbeit mit der VVG funktionierte gut und Familie Gorke erweiterte 2011 ihre Kapazitäten um zusätzliche 24 Abferkelplätze. Seitdem kommen bei jedem neuen Rhythmus 104 tragende Sauen auf den Hof und ferkeln dort ab.

Weil die Fruchtbarkeitsleistung der Sauen deutlich gestiegen ist und der Betrieb sein Management stetig optimiert hat, kann Michael Gorke mittlerweile bei jedem Absetztermin fast 1400 Ferkel verkaufen, die nach 27,6 Säugetagen im Schnitt 7,3 kg wiegen – wie der Blick in die AS-Auswertung des vergangenen Jahres zeigt. Mit 13 % Saugferkelverlusten und 13,4 abgesetzten Ferkeln je Wurf lag der Landwirt 2023 im oberen Viertel der am System beteiligten Betriebe.

Die guten biologischen Leistungen möchte Gorke mindestens stabilisieren. Er will den Familienbetrieb aber auch weiter ausbauen. Über den Umbau des Deckzentrums bis Februar 2029 muss er sich zwar keine Gedanken machen. Schließlich hat er mit diesem Produktions­abschnitt nichts zu tun. Dafür wird die Familie mittelfristig in den Abferkelbereich investieren müssen, um die von 2036 an geltende Mindestvorgabe von 6,5 m² pro Bucht bei höchstens fünf Tagen Fixierung im Ferkelschutzkorb zu erfüllen.

Bevor es an diesen Bereich geht, möchte Michael Gorke aber die Produktion um das AS-Segment der Wartesauen erweitern. Dazu soll ein zweiter Betriebsstandort in der Feldflur entstehen, an welchem künftig knapp 200 tragende Sauen gehalten werden können – mit der Option auf Außenklima und eventuell auch der Möglichkeit zur Besamung der Sauen.

Einen Gülle­behälter hat die Familie dort bereits errichtet. Eine neue Stroh- und Misthalle soll folgen, die aber vornehmlich als Lagerraum für die Bullenmast dient. Auf jeden Fall hat Michael Gorke konkrete Pläne, wie es mit dem Betrieb weitergehen soll. Dabei profitiert er von der Einbindung ins AS-System, wie er beim Besuch des Wochenblattes betont:

Die Arbeitsteilige Sauenhaltung erfordere zwar viel Disziplin und verlässliches Arbeiten exakt nach Termin. Im Gegenzug könne jeder Landwirt Schwerpunkte setzen und sich auf das spezialisieren, was besonders gut zum Betrieb passt. Die Einbindung in die Gruppe und die gemeinsame Erzeugung großer einheitlicher Lieferpartien gebe in schwierigen Marktphasen gewisse Absatzsicherheit. Gleichzeitig können sich die Betriebe im System weiter entwickeln, zieht der Landwirt aus Nottuln ein positives Fazit.

Weitere Betriebe gesucht
Die Arbeitsteilige Sauenhaltung bzw. Schweineproduktion (AS) gibt es bei der Viehvermarktung Münsterland (VVG) bzw. ihrer Vorgängerin VVG Lüdinghausen seit 1998. Damals starteten 17 Betriebe mit insgesamt 1700 Sauen mit der Ferkelerzeugung in einer Funktionskette aus spezialisierten Deck-, Warte- und Abferkelbetrieben. Aktuell sind 32 Landwirte mit knapp 8000 Sauen ins Arbeitsteilige System eingebunden, wie AS-Koordinator Hubertus Vornholz erklärt. Vor dem Hintergrund des größer werdenden Ferkeldefizites in Deutschland sucht die VVG jedoch neue Betriebe, die sich eine Einbindung ins System vorstellen können.
Schließlich wächst der Bedarf an großen, einheitlichen Ferkelpartien aus möglichst nur einem Herkunftsbetrieb oder wahlweise mit identischer Genetik und einheitlichem, definierten und überwachtem Gesundheitsstatus. Diese Ferkelpartien kann die VVG aus ihrem System liefern, denn die Produktion ist straff und transparent organisiert:
Die Jungsauen der BHZP-Herkunft „db.Viktoria“ werden in einem Münsterländer Betrieb aufgezogen und durchlaufen ein auf die Produktionskette abgestimmtes Impfprogramm. Zur Produktion wechseln sie in spezialisierte Deckbetriebe, wo sie – ebenso wie die Altsauen – zu 100 % mit Sperma von ausgesuchten BHZP-77er-Ebern belegt werden. Die Deckabteile werden hygienisch konsequent im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet. Nach der Tragezeit in den Wartebetrieben (es gibt bei der AS auch kombinierte Varianten) kommen die Tiere in die Abferkelbetriebe, wo die Ställe wieder komplett rein-raus bewirtschaftet werden. Aus Tiergesundheitsgründen erfolgt sogar der Transport mit einem separaten Fuhrpark.
Nach vier Wochen Säugezeit werden die Ferkel abgesetzt und wechseln in an das System angeschlossene Aufzuchtbetriebe bzw. vertraglich gekoppelte Mäster mit vor­ge­schal­teter Aufzucht. So können alle Beteiligten von einem System der kurzen Wege profitieren. Sie werden zudem mit Leistungsauswertungen auf Basis eines von der VVG zentral geführten Sauenplaners und mit Futtermittelempfehlungen unterstützt.
Und auch über kurzfristige Notierungsschwankungen zum Ver­kaufs­termin muss sich niemand ärgern: Wie Vornholz erklärt, wird seit geraumer Zeit nach einem Fünf-Wochen-Durchschnittspreis abgerechnet. Dieser gilt sowohl für die Ferkel, als auch für die Sauen, die ebenfalls mit dem Betrieb jedes Mal den Besitzer wechseln. Für beide Tiergruppen gilt zudem dem Genossenschaftsgedanken folgend eine Abnahmegarantie.
Um die AS-Betriebe bei den Herausforderungen der Zukunft zu unterstützen, geht die VVG sogar noch einen Schritt weiter: Das Unternehmen beteiligt sich seit Kurzem finanziell am Umbau der Ställe gemäß Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. „Wir möchten mit den Landwirten schließlich auch morgen und übermorgen noch zusammen arbeiten und erfolgreich Schweine erzeugen“, erklärt Vornholz die intensive Kundenpflege. Er und seine Kollegen von der VVG sehen jedenfalls im Arbeitsteiligen System noch weiteres Potenzial und freuen sich über interessierte Neueinsteiger.

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