Im Jahr 2006 übernahm Stefan Wember den elterlichen Betrieb in Datteln mit 2000 Mastplätzen sowie 140 ha Ackerbau und 45 ha Grünland. Mit steigenden Auflagen und gesellschaftlichem Druck verging dem heute 36-Jährigen jedoch die Lust an der Schweinehaltung. Ein Dysenterie-Einbruch besiegelte schließlich den Ausstieg. Von 2013 bis 2017 war der Stall verpachtet. Dann gab der Pächter ebenfalls auf. Und Wember kam ins Grübeln, wie er die Altgebäude sinnvoll nutzen könnte.
Doch wieder Schweine? Für ein Upgrade auf Haltungsform 2 fehlte ihm die geforderte Fensterfläche. Den Betrieb auf Bio umzustellen, kam aufgrund der Gebäudestruktur nicht infrage. Außerdem befürchtete die Familie großen Unkrautdruck auf ihrem ohnehin schwierigen Ackerbaustandort.
Einfach loslegen
Nach einigen Betriebsbesichtigungen stand für Stefan Wember fest, dass jeder Betrieb seine eigenen Probleme hat: „Also sind wir einfach angefangen und haben Dinge ausprobiert.“
Der Betriebsleiter startete mit 100 Schweinen auf Stroh eine Testphase. Was daraus entstanden ist, zeigte er kürzlich im Rahmen einer Fortbildung der Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung (GFS). „Ich wollte nicht viel umbauen und flexibel bleiben, falls das Konzept nicht aufgeht“, erklärte er vor Ort.
Schwieriger Start
Und das tat es anfangs auch nicht. Für die Vermarktung sprach Wember verschiedene Metzger an. „Das erste halbe Jahr hat mich die Umstellung richtig Geld gekostet“, resümiert er jetzt. Bereut hat er den Schritt trotzdem nicht. „Potenzielle Abnehmer wollen eben etwas sehen, bevor sie zusagen.“
Mittlerweile hat Stefan Wember über das Meisterfleisch-Programm der VVG Münsterland feste Abnehmer gefunden. Pflicht sind unter anderem die Haltung im Offenfrontstall mit Stroheinstreu und gentechnikfreie Fütterung. Dafür gibt es fünfjährige Verträge mit einem Festpreis für 130 kg Lebendgewicht. Einmal im Jahr wird nachverhandelt. Seit Kurzem beliefert der Landwirt auch das Strohwohlprogramm von Rewe.
1000 statt 2000 Schweinen
Aktuell hält Stefan Wember 600 Mastschweine und 400 Aufzuchtferkel aus konventioneller Erzeugung. Mastschweine bekommen 1,8 m² Platz pro Tier, Ferkel rund 1 m². Die Genehmigung erhielt er schnell, da er seinen genehmigten Bestand mit der Umstellung auf Haltungsform 4 vorerst halbiert hat. Aktuell sind 100 zusätzliche Plätze in Planung – in Agrarzelten auf festem Untergrund.
Der Landwirt hat festgestellt, dass Babyferkel die Umstellung aufs Außenklima besser verkraften als ältere Tiere. In ihrer neuen Umgebung sind sie viel mehr in Bewegung. So kommt er mittlerweile auf 95 % intakte Ringelschwänze. „Der Strohstall ist allerdings kein Wundermittel“, stellt er klar. Am häufigsten beobachtet er Kannibalismus zwischen 60 und 80 kg Lebendgewicht. Schnelles Eingreifen mit Futtertorf oder Mutterboden helfen dann seiner Erfahrung nach am besten. Insgesamt betragen die Verluste in Aufzucht und Mast auf dem Betrieb aktuell etwa 4 %.
Stall tiefergelegt
Für die neuen Außenbereiche auf Stroh nahm Wember als erstes die Hälfte des Spaltenbodens heraus. Größtenteils mussten auch die Außenwände weichen. Sie wurden von neu eingesetzten Stützen abgefangen. Tränken und Futtertröge blieben im Innenbereich. Auch hier muss Wember gemäß Haltungsform 4 minimal einstreuen. Trotzdem hat er den Spaltenboden behalten. Das Aufrühren der Gülle dauert aufgrund der Feststoffe jetzt etwas länger. Dafür hat der Landwirt einen Spaltenmixer gekauft.
Auch bei der Stallreinigung muss er Abstriche machen: „Ich gehe jetzt nicht mehr nach jedem Durchgang mit dem Hochdruckreiniger durchs Abteil und wasche alles blitzeblank. Aber die Schweine stören sich nicht daran.“ Vorbeugend bekommen sie Impfungen gegen Mykoplasmen, PRRS, Circoviren und PIA. Behandlungen mit Antibiotika führt er im Einzelfall durch. Unerlässlich ist für ihn aufgrund des Strohs eine konsequente Schadnagerbekämpfung.
Jede Partie ist anders
Je mehr Platz die Schweine bekommen, desto eher zeigen sich Unterschiede zwischen den Tiergruppen. Kotecken sind laut Wember kaum planbar – vor allem im Ferkelstall. Im Gegensatz zur Mast gibt es dort nur einen schmalen Spaltenbereich mit Tränken direkt am Gang. Der Rest der Bucht ist eingestreut. Hier kommen die Ferkel ihrem Wühltrieb nach.
Futter finden sie auf der gegenüberliegenden Seite. Dort erleichtert ein Tor nach draußen das händische Befüllen des Trogs. „Es ist gut, wenn die Schweine zum Saufen etwas laufen müssen“, erklärt der Landwirt. „So bekommen die schwächeren mehr Fresszeit.“
Neben dem zugekauften Mehlfutter nehmen die Ferkel extrem viel Stroh auf. Deshalb setzt Wember auf eigenes Gerstenstroh und achtet auf Pilzbefall. Der Bedarf schwankt je nach Jahreszeit und Wetter. Im Sommer reicht wenig Einstreu, weil die Schweine spätestens ab 30 °C lieber auf kühlem Beton liegen. Auch für die Babyferkel darf er nicht zu dick einstreuen, sonst können sie nicht laufen. Ausgemistet wird einmal pro Woche bis alle drei Wochen. Den Mist lagert Wember in Containern. Eine neue Mistplatte wäre zu teuer geworden.
Eigenen Lkw gekauft
Zur Schlachtung bringt Wember jeweils 10 bis 15 Schweine zum Schlachtbetrieb Jedowski nach Unna. Aufgrund der starken Behaarung müssen die Schlachtkörper der Strohschweine länger abgeflämmt werden. Jedowski ist aufgrund der Erfahrung mit Bioschweinen darauf eingestellt.
Für den Transport hat der Landwirt sich einen eigenen Lkw angeschafft. „Der hat sich schon nach einem Jahr rentiert“, freut er sich.
Den größten Teil der Schweinehälften liefert sein Schlachthof direkt an zwei Fleischereien: Feldkamp in Seppenrade und Baumeister in Datteln. Drei Schweine pro Woche vermarktet Familie Wember über einen Automaten und den Hofladen selbst. Dort gibt es Wurst, Aufschnitt, Haxen und mehr zu kaufen. Ein Kilogramm Fleisch kostet im Schnitt 16 €.
Fußballfans in rosa
Der Hof Wember ist ein Familienbetrieb. Neben dem Betriebsleiterpaar packen auch Kinder und Geschwister bei Bedarf mit an. An das Stroh auf dem Hof mussten sich alle erst gewöhnen. „Es fliegt überall hin“, lacht Stefan Wember. Auch den Geräuschpegel durch die offenen Ställe sollte man nicht unterschätzen. „Wenn die Kinder Fußball spielen und die Schweine zum Zuschauen rauskommen, ist das einfach ein schönes Bild“, sagt der Landwirt.
Etwa 20 € Mehrkosten pro Schwein verursacht das System im Vergleich zur konventionellen Haltung. Doch wenn alles passt, sind 30 € Deckungsbeitrag möglich. Der Grundsatz für Stefan Wember: Alles muss mit vorhandenen Mitteln machbar sein. Auf unsichere Baumaßnahmen und technischen Schnickschnack verzichtet er lieber.
Metzger haben Ansprüche
Um möglichst hochwertiges Fleisch zu erzeugen, hat Stefan Wember einige Genetiken ausprobiert. Beim Schweizer Edelschwein überzeugte ihn der geringe Bratverlust. Allerdings waren die Teilstücke zu klein und die Produktion zu teuer. Mittlerweile setzt der Landwirt wieder auf dänische Sauen – in Kombination mit einem Duroc-Eber für höheren Fleischansatz. Sein Fazit: Futter und Haltung machen mehr aus als die Genetik.
Für seine Mastschweine mischt er das Futter selbst – überwiegend aus eigenem Anbau. Sie bekommen Roggen, Gerste, Erbsen, Soja und Mineralfutter. Sojaöl hilft bei der Staubbindung. Die Wahl der Komponenten ist wichtig für die Fettkonsistenz.
Metzger hätten zwar gern gleichbleibende Qualitäten, doch das Außenklima hat gewaltigen Einfluss auf den Schlachtkörper. Wenn es im Winter kalt wird, sinken Zunahmen und Futterverwertung der Schweine spürbar. „Ich muss die Tiere dann zwischendurch zum Fressen auftreiben, sonst stagnieren die Gewichte“, verdeutlicht er. Der Muskelfleischanteil der Strohschweine liegt im Winter bei 54 bis 56 %. Im Sommer sind es 58 bis 62 %.
Die Fronten seiner Ställe schließt Stefan Wember nur bei Sturm.
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