Zur Aufgabe gezwungen

Warum ein junger Sauenhalter die Reißleine zieht

Markus Lehmenkühler ist Ferkelerzeuger aus Leidenschaft. Trotzdem sieht sich der Junglandwirt gezwungen, einen Teil seiner Sauenhaltung aufzugeben. Im Interview erklärt er die Hintergründe.

„Ich will gar nicht aufhören, aber ich muss!“

Unser Interviewpartner

  • Markus Lehmenkühler, 35 Jahre, Sauenhalter aus Geseke, Kreis Soest, NRW
  • Betrieb seit 30 Jahren als GbR mit dem Partnerbetrieb Rotgeri
  • Aktuell etwa 650 Sauen im teilgeschlossenen System
  • 180 ha Ackerbau, 440 kW Biogas
  • 1200 Legehennen in Mobilställen mit Direktvermarktung
  • 4 Betriebsleiter, 4 feste Mitarbeiter, 1 Azubi und Aushilfen

Markus Lehmenkühler ist leidenschaftlicher Ferkelerzeuger. Trotzdem sieht der junge Landwirt in der aktuellen politischen Lage keine andere Lösung, als einen Teil seiner Sauenhaltung aufzugeben. Darüber haben wir mit ihm gesprochen.

Statt mit dem genehmigten Neubau für 560 Sauen zu starten, werden Sie die Ferkelerzeugung an Ihrem Stammbetrieb in Geseke nun doch bis 2026 auslaufen lassen. Warum?

Lehmenkühler: Wirtschaftlich betrachtet sehe ich keine Zukunft mehr für die Ferkelerzeugung bei uns am Stammbetrieb. Die Odyssee der letzten zehn Jahre, in der wir Sauenhalter immer wieder neue Auflagen aufs Auge gedrückt bekommen haben, zwingt mich regelrecht, den Standort aufzugeben. Stand jetzt werde ich im Februar nicht das gesetzlich geforderte Umbaukonzept für das Deckzentrum einreichen und damit meinen Ausstieg besiegeln.

Unser alter Sauenstall ist baufällig und vom politischen Stillstand voll betroffen. Einen Ersatzbau planen wir schon seit über zehn Jahren. Als wir 2016 endlich die Genehmigung in den Händen hielten, wollte ich erst das Urteil zum Kastenstand abwarten. Dann kamen die Unsicherheiten der neuen Nutztierhaltungsverordnung dazu. Alles in allem muss ich sagen: Es ergibt keinen Sinn mehr, weil ich keinerlei Planungssicherheit habe.

„Ich investiere kein Geld mehr, solange Politik und Gesellschaft uns Schweinehalter als Spielball betrachten.“

Bereuen Sie, dass Sie den Grundstein für den neuen Stall damals nicht gelegt haben?

Lehmenkühler: In den Plänen steckt viel Herzblut. Trotzdem bin ich heute froh, den Stall noch nicht gebaut zu haben. Er würde die neuen gesetzlichen Anforderungen für Deckzentrum und Abferkelbereich in zweieinhalb Jahren wieder nicht erfüllen – und das bei Kosten in Millionenhöhe! Ich investiere kein Geld mehr, solange Politik und Gesellschaft uns Schweinehalter als Spielball betrachten.

Diese Entscheidung muss Ihnen als junger und im Berufsstand engagierter Landwirt extrem schwer fallen. Wie geht es mit dem Betrieb weiter?

Lehmenkühler: Die Ferkelerzeugung ist meine größte Leidenschaft und es tut weh, diesen Betriebszweig aufzugeben. Zum Glück betreibt mein GbR-Partner noch einen zweiten Standort mit 440 Sauen in Oelde. Ich bin optimistisch, dass wir dort nach ein paar Umbaumaßnahmen weitermachen können.

Außerdem bleiben wir der Schweinemast treu und haben uns neben Ackerbau und Biogas in den letzten Jahren eine Direktvermarktung von Eiern mit Hühnermobilen aufgebaut. Das geringe Investitionsrisiko und die positiven Rückmeldungen der Kunden sind eine willkommene Abwechslung. Trotzdem werde ich die Sauenhaltung vermissen.

Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der deutschen Ferkelerzeuger halbiert. 2022 wurden rund 8,8 Mio. Ferkel importiert. Wird diese Lücke in Deutschland künftig größer?

Lehmenkühler: Davon gehe ich aus. Anfangs haben alle eine große Chance in geschlossenen Lieferketten mit 5xD gesehen. Doch das Konzept wurde viel zu klein gehalten, auch aus dem eigenen Berufsstand heraus. Schon während der Marktkrise 2021/22 sind hunderte Sauenhalter ausgestiegen. Viele weitere Ferkelerzeuger haben den Mut verloren und folgen jetzt, denn die gesetzlichen Anforderungen steigen immer weiter. Die Ferkellücke wird bald zum Riesenproblem.

Die Politik begeht aus meiner Sicht einen riesigen Fehler, wenn sie die Nutztierhaltung in Deutschland immer weiter wegbrechen lässt. Die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln steht auf dem Spiel. Und was große Abhängigkeit vom Ausland bedeutet, sehen wir doch beim Thema Computerchips oder Energieversorgung.

Hinzu kommt der Klimaaspekt. Es ist doch totaler Unsinn, wenn wir Lebensmittel aus Übersee mit dem Schiff oder per Lkw aus Osteuropa importieren. Regionale Lebensmittel haben immer eine bessere CO2-Bilanz. Warum will die Bundesregierung das nicht einsehen?

Jetzt hat auch noch die Borchert-Kommission ihr Amt niedergelegt. Was löst das bei Ihnen aus?

Lehmenkühler: Die Entscheidung der Kommission sehe ich als notgedrungenen Schachzug, um noch einmal Schwung in die Tierwohldiskussion zu bringen. Doch erste Reaktionen sind ernüchternd. Der Aufschrei aus der Politik – genauso aber aus der eigenen Branche – hätte größer sein dürfen. Ich persönlich empfinde einen großen Verlust. Denn Borchert hat immer eine gemeinsame Lösung und einen praktikablen Fahrplan zum Umbau der Nutztierhaltung angestrebt.

„Borchert hat immer eine gemeinsame Lösung und einen praktikablen Fahrplan zum Umbau der Nutztierhaltung angestrebt.“

Jetzt regiert der kalte Markt. Das bedeutet: Hauptsache billig. Fleisch kommt also bald aus dem Ausland, weil deutsche Erzeuger nicht mehr mithalten können. Am allerwenigsten ist damit den Tieren geholfen, denn am Tierwohl ändert sich nichts.

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Welche Perspektiven bräuchten Sie als junger Ferkelerzeuger, um weiterzumachen?

Lehmenkühler: Am meisten vermisse ich den Rückenwind der Gesellschaft. Bisher werden nur Probleme diskutiert, statt Lösungen zu schaffen. Ideal wäre auch ein Konjunkturprogramm für junge Sauenhalter, bevor die Produktion ins Ausland abwandert. Da hat die Politik uns bislang hängen gelassen.

Dabei haben viele Berufskollegen super Ideen für ihre Betriebe. Wer den Umbau stemmen kann, sollte zum Beispiel auf Regionalität und Klimaschutz setzen. Auch innerhalb der Branche müssen wir junge Leute mehr unterstützen und ermutigen.

Zu 100 % ist der Neubau für mich noch nicht vom Tisch. Wenn sich aber bis zum Jahreswechsel die Rahmenbedingungen nicht ändern, bleibt es wohl dabei. Einen neuen Stall muss ich über 20 Jahre nutzen und abschreiben können. Und nicht nach drei Jahren komplett umkrempeln, weil es der Politik gerade so in den Sinn kommt. Das ist extrem frustrierend!

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