Milchmarkt

Diffuser Milchmarkt

Weniger Kühe, weniger Milch – explodierende Märkte. Trotzdem erhöht der Einzelhandel die Preise für Trinkmilch nur minimal.

Eine Turbulente Milchwoche: Anfang der Woche hat Aldi den Verkaufspreis für seine bundesweit gelistete Eigenmarke „Milsani“ um 3 Cent auf 83 Cent für den Liter Vollmilch bzw. 75 Cent pro Liter fettarme Milch angehoben. Branchenvertreter gehen davon aus, dass diese Preiserhöhung ziemlich genau dem entspricht, was die Molkereien in den Kontraktverhandlungen mit dem Handel erzielt haben. „Es wären deutlich höhere Preissprünge drin gewesen“, ärgerte sich Dr. Rudolf Schmidt von der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW (Milch NRW). Denn die Preise für Butter, Magermilchpulver und Schnittkäse sind in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Der Kieler Rohstoffwert für Milch zeigt die Verwertung für Pulver und Butter und liegt aktuell bei 52,4 Cent/kg.

Alle Anzeichen stehen für bessere Milchpreise

Auch andere Faktoren hätten einen größeren Preisanstieg des Handels mehr als gerechtfertigt. Denn nicht nur die Zahl der Milcherzeuger und Milchkühe ist weiter rückläufig. Ende 2021 gab es noch 384.000 Milchkühe in Nordrhein-Westfalen und 4985 Milcherzeuger. Auch die Milchmenge sinkt – in ganz Deutschland, aber auch in Frankreich und den Niederlanden. In der EU ist die Milchproduktion insgesamt stabil.

Schon bald will der Handel Milchprodukte mit den Haltungsform Stufen kennzeichnen. (Bildquelle: Schmidtmann)

Deshalb ist der geringe Preisanstieg von 3 Cent nach Ansicht von Anna Althoff, Milchreferentin beim WLV, eine „regelrechte Frechheit“. In ihren Augen wären rund 10 Cent/l mehr durchaus angemessen gewesen. Sie sieht ein Problem in der Verschiebung der Kontraktlaufzeiten: „Gerade zu steigenden Märkten verschiebt der Handel die Verhandlungen, um erst wieder auf eine Trendwende zu warten und die Preise möglichst gering zu halten.“

Höhere Auszahlungspreise sind dringend nötig. Den Milcherzeugern macht momentan der starke Anstieg der Produktionskosten zu schaffen: Die Preise für Dünger, Energie und Kraftfutter gehen durch die Decke. „Wir wissen nicht mal, ob alle Produktionsmittel dauerhaft verfügbar sind“, sorgte sich Benedikt Langemeyer, Milcherzeuger und Westfälischer Vorsitzender von Milch NRW.

Wettrennen um Haltungsform Stufen

Doch damit nicht genug. Der Handel setzt noch einen obendrauf und hat das Wettrennen um die vier Haltungsform Stufen (haltungsform.de) eröffnet:

  • Kaufland kündigte bereits im Dezember die schrittweise Kennzeichnung der Haltungsform Stufen auf Molkereiprodukten seiner Eigenmarke an.
  • Montag haben Edeka und Tochter Netto Marken-Discount angekündigt, dass sie die kompletten Trinkmilch-Eigenmarken auf die Haltungsform Stufe 2 (Stallhaltung Plus) oder höher umstellen wollen. Und zwar im Laufe dieses Jahres.
  • Gestern zog Lidl nach: Von diesem Jahr an will das Unternehmen Milch und Milchprodukte seiner Eigenmarke mit der Haltungskennzeichnung versehen. 65 % des Trinkmilchsortiments sollen künftig mit den Haltungsform Stufen 3 (Außenklima) und 4 (Premium) ausgelobt werden.
  • Heute folgt Aldi: Bis 2030 soll in dem Discounter nur noch Trinkmilch aus den Haltungsform Stufen 3 und 4 im Regal zu finden sein.

Das Signal vom Handel ist eindeutig: Haltungsform Stufe 1 (Stallhaltung, gesetzlicher Standard) ist in Zukunft raus. Und damit zum Beispiel auch die ganzjährige Anbindehaltung. „Allerdings vermarktet der Handel nur ein Drittel der produzierten Milch. Der Rest geht in die Industrie oder in den Export“, sagte Langemeyer.

Hoffnung ITW?

Etwas Hoffnung schöpft er aus der Initiative Tierwohl (ITW), deren Rahmenvereinbarung jetzt bald auch für Milcherzeuger gelten soll: „Wir haben bereits viele Vorleistungen erbracht, die nie honoriert wurden. Nun haben wir die Möglichkeit über ITW ein wenig Geld dafür zu bekommen. Aber die Frage ist: Was machen wir, wenn die nächste Haltungsform Stufe (3) angestrebt wird?“ Zudem ist ITW nur auf drei Jahre festgelegt. „Dieser Zeitraum ist für uns eigentlich zu kurz und wir hätten uns einen längeren Zeitraum für Planungssicherheit gewünscht.“

Tierwohl kostet Geld. 1,2 Cent/kg reichen nicht aus. (Bildquelle: Kopf)

Grundsätzliche stehe aber die gesamte Milchbranche hinter einer eindeutigen Kennzeichnung von Milchprodukten, betonte Hans Stöcker, Rheinischer Vorsitzender von Milch NRW. „Allerdings das kostet auch Geld. Der jetzt ausgehandelte Zuschlag (1,2 Cent/kg Milch) deckt nicht die vollen Kosten.“

Milchpreise klaffen auseinander
Auch wenn die Rohstoffmärkte gut aussehen, liegt Schmidts Vorhersage für den NRW-Auszahlungspreis 2021 für Milch bei knapp 35 Cent/kg. „Molkereien in Norddeutschland mit Schwerpunkt auf Magermilch oder Butter konnten die Auszahlungspreise in der zweiten Jahreshälfte 2021 frühzeitig anziehen. Das konnten wir in NRW leider nicht beobachten.“ Auch Hans Stöcker prognostizierte: „Die Milchpreise 2021 gehen zwischen den Molkereien und auch den Regionen auseinander. Denn der Norden produziert mehr Basisprodukte wie Butter und Käse, der Süden die Markenprodukte. Hier in der Mitte produzieren die Molkereien mehr die Frischeprodukte, die im LEH verkauft werden.“ Die Preiserhöhungen seien vor allem auf die Notierungen vom Weltmarkt zurückzuführen. Deshalb könnten Molkereien mit Basisprodukten Preissteigerungen schneller an die Landwirte weitergeben als Molkereien mit Produkten für den LEH. „Solche Spreizungen zwischen den Molkereien müssen unbedingt vermieden werden“, mahnte Schmidt. Das sei auch Aufgabe des LEHs.
Allerdings gab es im Dezember auch in NRW Molkereien, die 40 Cent/kg Milch auszahlen konnten. Das müsse zumindest in der ersten Jahreshälfte 2022 anhalten, so Schmidt. Denn es sind keine Marktstörungen in Sicht.

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Nächster Rekord: Im Dezember 2021 kletterte der Kieler Rohstoffwert Milch um 2,3 Cent auf 52,4 Cent/kg Milch. Aldi hat die Preise für Konsummilch allerdings nur um 3 Cent/l angehoben.