Gastkommentar zum Weihnachtsfest

Was zählt wirklich? Vom Mangel im Überfluss

Machen immer mehr materielle Dinge wirklich glücklich, fragt Theologin Sonja Wiesner im Gastkommentar. Ist es nicht bedeutsamer, reich an Beziehungen, Natur, Engagement und Freude und Liebe zu sein?

Sie lesen einen Gastkommentar von Sonja Wiesner. Sonja Wiesner, auf einem Hof in der Oberpfalz groß geworden, ist Theologin und seit 2021 Referentin an der Landvolkshochschule Hardehausen.

„Arm ist nicht, wer wenig hat, sondern wer sich mehr wünscht.“

Über diesen Satz des römischen Gelehrten ­Seneca bin ich bei meiner Lektüre gestolpert und er hat mich gerade in dieser Adventszeit sehr bewegt. Das Kaufen der Geschenke stand nämlich an. Warum wünschen wir Menschen uns eigentlich so viel, habe ich mich gefragt. Ich könnte sofort eine Reihe von Dingen nennen, die ich gerne hätte. Schon als Kind war meine Liste an das Christkind lang. Und obwohl ich mir heute selbst viele Wünsche erfüllen kann, scheint die Liste nicht kürzer, sondern länger zu werden.

Tausend gute (Konsum-)Gründe

Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich: Es gibt so viele schöne Dinge auf der Welt. Kaum schlage ich den Katalog für Berufsbekleidung auf, sehe ich eine Arbeitshose, die ich einfach „brauche“. Lausche ich den Erzählungen meiner Freunde über den Winterurlaub in Skandinavien, bekomme ich Lust, selbst die Koffer zu packen. Und fährt ein flotter Sportwagen auf der linken Spur an mir vorbei, fallen mir tausend gute Gründe ein, warum ich meinen Pkw bald ersetzen müsste.

Machen materilelle Dinge glücklich?

Wäre ich glücklicher mit all diesen Dingen? Reicher? Zufriedener? Ein Ordensmann, früher gut situierter BWLer, sagte einmal: „Als ich merkte, dass mein gesamter Besitz in ein Auto passt, merkte ich, wie frei mich das macht. Vorher haben die Dinge mich besessen, jetzt besitze ich die Dinge.“ Er ist reich geworden, weil er die Zahl seiner materiellen Wünsche reduzierte. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich glaube kein bisschen, dass materieller Besitz an sich schlecht ist oder man nicht vorsorgen sollte. Und ich halte es für keine Tugend, wenn man sich selbst nichts gönnen kann. Aber: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Matthäus 6,21) Woran hängt im Letzten mein Herz?

Es zeigt sich nicht zuletzt auch daran, womit ich viel Zeit verbringe. Es kann ein zeit­intensives Hobby sein, herauszufinden, welcher Bausparvertrag, welche Aktien, welcher Rasenmäher, welche Smartwatch oder welche Gesichtscreme am besten und günstigsten ist. Am Ende kann ich – siehe Seneca – trotzdem „arm“ sein, wenn ein noch schnellerer Sport­wagen an mir vorbeifährt und ich mir wünschte, ich hätte noch ein wenig länger gespart.

Überfluss ist nicht Sinn

„Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von ­Habgier“, sagt uns Jesus, dessen Geburt wir in wenigen Tagen feiern. „Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.“ (Lukas 12,16)

Wir feiern die Geburt eines Menschen, dessen Eltern so arm waren, dass sie nur das Tempelopfer für Arme darbringen konnten. Sie hatten einfach nicht mehr. Das Leben von Jesus war nicht reich an materiellen Dingen – jedoch reich an Beziehungen, reich an Natur, reich an sozialem Engagement, reich an spirituellen Erfahrungen und reich an Freude und Liebe.

Das wünsche ich Ihnen und mir zu diesem Weihnachtsfest: Dass wir reich an den Dingen sind, die unsere Sehnsucht stillen und uns zu zufriedenen Menschen machen.

Gesegnete Weihnachten und ein reich erfülltes neues Jahr 2022 wünscht Ihnen Sonja Wiesner.

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