Kommentar

Schweinekrise: Es brennt auf den Höfen lichterloh

Für viele Schweinehalter geht es gerade um die Existenz. Warum gerade jetzt die Politik endlich Weichen stellen muss.

Vor einem Jahr steuer­ten zahlreiche mit Lichterketten behangene Traktoren durch die Straßen Westfalens. Die Landwirte machten den Menschen damit im Lockdown Mut. Genau diesen Funken Hoffnung bräuchten die Schweinehalter aktuell.

Sie kämpfen seit Monaten mit einem Mix aus niedrigen Erzeugerpreisen, explodierenden Produktionskosten sowie Absatzschwierigkeiten durch Corona und die Afrikanische Schweinepest. Die Sauenhalter und Mäster verbrennen jeden Tag Geld – oftmals vierstellige Summen! Und angesichts der unklaren Rahmenbedingungen weiß niemand, ob sie dieses Geld jemals wieder verdienen.

Druck von allen Seiten

Zur finanziellen Talfahrt gesellt sich der ständige Druck aus Öffentlichkeit und Politik. Das zermürbt und sickert tief ins Selbstverständnis der Familien. Selbst Außenstehende, die nichts mit der Schweinehaltung zu tun haben, merken: Das ist
nicht das „übliche Stöhnen“ über schlechte Preise, diesmal geht’s ums nackte Überleben.

Wie groß der Druck ist, merken die Berater, die in früheren Zeiten den Anspruch für sich hatten, jedem Landwirt ­einen guten Weg aufzeigen zu können. Sie wissen in vielen Fällen nicht mehr weiter. Oft kristallisiert sich heraus, dass es längst nicht nur um Zahlen geht, sondern die Krise die persönliche und familiäre Situation stark belastet.

Hofnachfolgerinnen und Hofnachfolger fragen sich, ob es Sinn macht, das weiterzuführen, was ihre Eltern und Großeltern aufgebaut haben. An den Fachschulen wird darüber diskutiert, welche Alternativen es zur Schweinehaltung gibt, wie man den Betrieb im Nebenerwerb führt oder ihn sogar abwickeln kann. Selbst Seelsorger werden zu Rate gezogen.

Keine Zukunft für Schweinehaltung?

Doch gerade die junge Generation ist der Schlüssel bei der oft beschworenen Transformation der Tierhaltung. Wer sie verliert, der kann keinen Wandel gestalten. Dazu braucht es statt politischer Hinhaltetaktik Planungssicherheit und eine klare Weichenstellung, wo es mit der Tierhaltung in Deutschland hingehen soll.

Denn Schweinefleisch wird auch in Zukunft gegessen – trotz Veggiewelle und Fleischersatzprodukte-Boom. Die Frage ist nur, woher das Fleisch kommt, wenn hierzulande immer mehr Betriebe aufgeben, und unter welchen Bedingungen es dann erzeugt wird. Qualitätsware „Made in Germany“ wird es dann leider nicht mehr sein.

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Junge Sauenhalter von der Fachschule in Wolbeck blicken besorgt auf ihre betriebliche Zukunft. Der Plan, den elterlichen Hof zu übernehmen, droht zu scheitern.

Die Schweinehalter trifft gerade ein Mix aus niedrigen Erzeugerpreisen und explodierenden Produktionskosten. Wir erklären die Ursachen.

Eine beispiellose Talfahrt bei den Ferkelpreisen, dazu höhere Anforderungen seitens der Politik und Ablehnung in der Gesellschaft – all das bringt Sauenhalter Peter Schulte* der Verzweiflung nah.


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