Die aktuelle Krise lässt auch nicht die angehenden Hofnachfolgerinnen und Hofnachfolger kalt. Wir sprachen mit einer angehenden Agrarbetriebswirtin und zwei angehenden Agrarbetriebswirten aus dem Münsterland.
Beispiellose Krise
Tim Hellenkamp vergleicht die aktuelle Lage mit einem ganz dicken Brett, das zu bohren ist. „Mittlerweile fehlt einem aber das Geld für den Bohrer“, sagt er.
Der 33-Jährige hat einen Teil des elterlichen Betriebes in Laer im Kreis Steinfurt in Pacht übernommen. Hofnachfolgerin ist seine ältere Schwester. Auf Dauer soll der Betrieb zwei Familien ernähren. Insgesamt halten sie knapp über 1000 Sauen plus Ferkelaufzucht und Biogas.
Tim Hellenkamp ist ein „Spätberufener“. Der Vater von zwei Kindern hat einen Bachelor in Wirtschaftsrecht, aber gemerkt, dass er eigentlich für die Landwirtschaft brennt. Er hat die Ausbildung zum Landwirt angeschlossen und möchte weiterführen, was der Vater aufgebaut hat. „An diesem Plan hat sich eine Menge eingetrübt. Es herrscht gerade eine beispiellose Krise“, meint er. Die hat auch sein Vater so noch nicht erlebt.
Hoffen auf die eigene Größe
Am Küchentisch taucht immer öfter die Frage auf: „Wie geht’s weiter?“ Das bedrückt ihn. „Der Beruf, den man gerne macht, wird einem zerstört“, sagt er und meint auch den Gegenwind in der Öffentlichkeit. Grundsätzlich hält Tim die Stimmung in der Klasse für gut. Doch wenn es um die betrieblichen Zahlen geht, sehen manche Mitschüler schwarz. Sie machen sich Gedanken über Alternativen. Einige sehen ihren Betrieb nur noch im Nebenerwerb.
„Unser Vorteil ist, dass wir groß sind. Wenn wir überleben, dann wird es uns später gut gehen. So war es zumindest in der Vergangenheit bei Krisen“, erklärt er. Auf dem Betrieb haben sie vor fünf Jahren alles kernsaniert, in der Hoffnung, dass das für die nächsten Jahre reicht.
Er wünscht sich endlich klare Regeln seitens der Politik, mit denen er planen kann. „Wenn ich verbindliche Regeln bekomme, mit den ich für 15 bis 20 Jahre planen kann, dann kann ich auch sagen: Okay, ich mache weiter, oder ich lasse es.“
Schlechte Stimmung am Tisch
Die Familie von Ida Funken* aus dem Münsterland führt einen Betrieb mit knapp 150 Sauen. Die Ferkel nimmt ein Mäster in der Nachbarschaft ab. Ida sagt ganz klar: „Wir wissen nicht, ob wir weitermachen.“ Denn die Gebäude sind zwar abbezahlt, aber schon älter. Die neuen Anforderungen im Deckstall und in den Abferkelbuchten können sie so nicht bedienen, „Wir müssten neu bauen“, sagt die 20-Jährige.
Die angehende Agrarbetriebswirtin will den Hof mit ihrer älteren Schwester weiterführen. Ihre Schwester liebäugelt mit einem offenen Aktivstall. Doch aktuell sehen sie keine Chance zu investieren. „Wir sind offen für Veränderung, aber es muss sich rentieren. Im Moment wirtschaften wir nur von unseren Rücklagen.“
Ihr Glück ist, dass ihr Mäster die Ferkel weiterhin zuverlässig abnimmt. Er hat aber keinen Nachfolger. Wenn er aufhört, gibt er ihnen ein Jahr Vorlauf. Die Lage drückt auf die Stimmung zu Hause. Das Thema ist oft am Tisch und es nimmt alle in der Familie mit. Oft fragen sie sich, ob es überhaupt noch Sinn macht.
Betriebe aufgeben?
Im Bekanntenkreis haben noch nicht viele das Handtuch geworfen und die Schweinehaltung aufgegeben, aber der Tenor ist: In den nächsten 10 bis 15 Jahren ist Schluss. Auch wenn sie eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger haben. Bei den Preisen macht es auf Dauer keinen Sinn umzubauen. Selbst die jüngeren Betriebsleiter trauen sich diesen Schritt oft nicht mehr zu.
Ida Funken sieht die ganze Branche in Gefahr. „Natürlich kann ich irgendwo anders als Futtermittelberaterin arbeiten, aber ohne Schweinehalter braucht es auch keine Berater mehr“, sagt sie. Aus ihrer Sicht wird die Schweinehaltung in Deutschland in den kommenden Jahren enorm zurückgehen.
*Name von der Redaktion geändert
Alle packen mit an
Die Eltern von Nils Strotmann aus Rheine-Elte im Kreis Steinfurt haben vor drei Jahren einen neuen Stall gebaut. Statt 250 Sauen halten sie jetzt 350. „Damals waren die Ferkelpreise noch besser“, sagt der 22-Jährige. Sein Vater hofft, dass er bis zur Rente den Stallbau abbezahlen kann. Noch stehen sie bei der Bank mit einer stattlichen Summe in der Kreide.
„Wir stecken in einem Hamsterrad. Wir müssen erst mal weitermachen in der Hoffnung, dass bald wieder Geld reinkommt.“ Dafür macht sich die ganze Familie krumm: Seine Eltern gehen nebenher noch arbeiten. Seine Schwestern helfen im Stall mit. Er kümmert sich um den Ackerbau und hat einen Nebenjob. „Alle packen mit an, aber im Moment kommt dabei nicht viel rum.“
Im Gesellenjahr war er beim Erzeugerring Münsterland und impft jetzt neben der Fachschule noch Mastschweine. So ist er mit vielen Landwirten im Gespräch. „Manche Betriebsleiter nutzen die Situation, um einmal den ganzen Stall zu räumen und alles wieder schüssig zu machen. Bei vielen herrscht aber Ratlosigkeit. Vor allem bei denen, die der Bank noch viel schulden.“
Auf Dauer möchte Nils eigentlich den elterlichen Betrieb weiterführen. „Ich sehe diesen Traum aber in Gefahr. Wenn die Preise noch länger so bleiben, wird es sehr schwierig.“
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