Psychische Probleme

Auswege aus der Krise

Andauernde Überlastung, keine Lösung in Sicht, Lebenskrisen – so weit müssen Landwirte es nicht kommen lassen. Es gibt Hilfe.

Samstagnacht, kein Feierabend in Sicht, die Fütterung kaputt, das Konto in den roten Zahlen, die Ehefrau auf dem Absprung. Martin S. ist verzweifelt, weiß einfach nicht mehr weiter. Für Landwirte wie ihn hat die Landwirtschaftliche Sozialversicherung die 24-Stunden-Krisenhotline ins Leben gerufen. Hier kann er zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, sich auf Wunsch auch anonym beraten lassen. Am anderen Ende der Leitung sitzen erfahrene Psychologen und Psychologinnen, hören zu und stehen beratend zur Seite.

Margot Flaig ist leitende Psychologin der 24-Stunden-Krisenhotline der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). Aus der Beratungspraxis ihres Teams kennt sie die häufigsten Belastungsfaktoren. Arbeitsüberlastung, familiäre und psychische Probleme sind die Hauptgründe für einen Anruf bei der Krisenhotline, gefolgt von Themen wie Stress, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen etc. „Oft gibt es einen Auslöser, der das ohnehin schon gefüllte Fass zum Überlaufen bringt“, sagt Margot Flaig. Mit der eigentlichen Ursache der Krise muss der Anlass aber nichts zu tun haben. Um mit akuten und anhaltenden Überlastungs- und Krisensituationen fertig zu werden, empfiehlt sie folgende Schritte.

1. Erkennen Sie die Krise

„Grundvoraussetzung ist zunächst, dass Menschen überhaupt bemerken, dass sie überlastet sind, auf einen Burn-out zusteuern bzw. in einer Krise stecken“, nennt Margot Flaig den ersten Schritt aus der Krise. Es ist wichtig, eine ehrliche Bestandsaufnahme vorzunehmen und sich Fragen zu stellen wie diese: „Wie geht es mir eigentlich? Wann habe ich das letzte Mal gelacht? Wird mir alles gleich zu viel? Brauche ich Alkohol, um zu entspannen oder trinke ich mehr, als mir gut tut? Bin ich schnell ärgerlich? Neige ich zu ständigem Grübeln und Gedankenkreisen? Bin ich dauernd erschöpft, kann mich schwer konzentrieren oder schlafe schlecht? Kümmere ich mich um meine Gesundheit?

Manches kann von einem selber nicht gesehen bzw. eingestanden werden.

„Manches kann von einem selber nicht gesehen bzw. eingestanden werden. Vieles läuft im Verborgenen“, sagt Margot Flaig. Dann kann es hilfreich sein, eine Person des Vertrauens um eine Rückmeldung zu bitten. Das kann ein guter Freund, eine gute Freundin oder auch ein Berufskollege sein. Häufig bemerken aber die Partnerin oder der Partner Veränderungen eher.

2. Klären Sie die Ursache

Bedeutend ist, dass Menschen in einer Krisen- oder Überlastungssituation diese erst mal akzeptieren: Es ist jetzt so wie es ist. Krisen sind normaler Bestandteil der menschlichen Existenz. Oft gibt es mehrere Faktoren, die eine Art Abwärtsspirale in Gang setzen und in eine handfeste Krise führen.

„Beleuchten Sie daher, welche Faktoren Sie in diese Situation gebracht haben“, erklärt Margot Flaig. Führt etwa die ständig hohe Arbeitsbelastung zur Erschöpfung oder sind es die Sorgen um die Hofnachfolge? Machen die ständigen Zankereien innerhalb der Großfamilie unzufrieden? Oder aber gibt es gesundheitliche Probleme, die abzuklären sind?

Sind die Ursachen für die Überlastung erst einmal benannt, lassen sich Lösungen finden. Meist sind damit Veränderungen verbunden. Sie einzuleiten, kann schwer fallen. Insbesondere wenn sich Landwirte bzw. Landfrauen die innere Erlaubnis verwehren, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Auszeit nehmen
Vor allem bei Überlastung und in Krisensituationen ist es wichtig, Stress zu reduzieren und sich zu erholen. „Erlauben Sie sich regelmäßige Auszeiten und wenn es nur eine halbe Stunde ist“, sagt Margot Flaig. Der eine liest gerne, der andere entspannt bei Musik. Oft ist es hilfreich, an alte Hobbys anzuknüpfen. Auch Bewegung kann helfen, Stress abzubauen. Dem einen hilft Meditation, dem anderen Laufen oder eine Radtour.

3. Suchen Sie sich Hilfe

„Stecke ich bereits in einer handfesten Krise, ist es schwierig, in einer Veränderung etwas Positives zu sehen“, räumt die Diplom-Psychologin ein. Dann ist es hilfreich, sich Unterstützung zu holen. Manchmal hilft schon das offene Gespräch oder der Austausch mit anderen. Auch ein Gesundheitscheck beim Arzt oder kleine Veränderungen im Alltag können sinnvoll sein.

  • Je nach Situation kann es aber auch hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der erste Schritt kann ein Anruf bei der 24-Stunden-Krisenhotline sein.
  • Dem kann sich bei Bedarf ein telefonisches Einzelfallcoaching anschließen. Versicherte können sich in schwierigen Lebenskrisen längerfristig durch einen persönlichen Coach mittels telefonischen oder bei Bedarf auch persönlichen Gesprächen begleiten lassen. Das Coaching lässt sich flexibel von zu Hause nutzen, ohne dass jemand es mitbekommt.
  • Unterstützung ist aber beispielsweise auch durch eine sozioökonomische Beratung, eine Ehe- und Familienberatung oder eine Psychotherapie möglich.
  • Zusammen mit den Beratern bzw. Therapeuten lassen sich neue Perspektiven erarbeiten. Die Aussicht auf eine bessere Lebenssituation ist oft ausschlaggebend für den Weg aus der Krise. Sie motiviert, alte Verhaltensweisen zu ändern und sich auf neue Wege zu begeben.
Hilfsangebote der SVLFG
Die Landwirtschaftliche Sozialversicherung (SVLFG) bietet für ihre Versicherten eine Reihe von individuellen Gesundheitsangeboten mit psychologischer Begleitung:
● Die Krisenhotline der SVLFG bietet rund um die Uhr schnelle Hilfe durch erfahrene Psychologen in belastenden Alltagssituationen und akuten Krisen, Tel. (0561)785-10101. www.svlfg.de/krisenhotline
● Beim telefonischen Einzelfallcoaching ist ein Erstgespräch nach etwa fünf Tagen möglich. Weitere Termine erfolgen in Absprache und sind bequem von zu Hause machbar. www.svlfg.de/einzelfallcoaching
● Online-Selbsthilfetrainings in Bereichen wie „Stress“ oder „Stimmung“ sind präventive Angebote mit Übungen, die sich schnell, unkompliziert zu Hause am PC ausführen lassen. www.svlfg.de/online-training
● Näheres über Gruppenangebote wie Trainings- und Erholungswochen sowie Gesundheitsseminare im Rahmen der Kampagne „Mit uns im Gleichgewicht“, Tel. (0561)785-10512. www.svlfg.de/gleichgewicht
● Weitere Präventionsangebote ebenfalls unter Tel. (0561)785-10512 oder www.svlfg.de/gleichgewicht

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