Psychische Probleme

Landwirte am Limit

Arbeitsdruck, Preissturz, Dürre, Bürokratiewahnsinn, Generationskonflikt, Zukunftsangst – viele Landwirte sind nervlich am Limit. Wie Bastian. Darüber zu sprechen, fällt ihm heute noch schwer.

Eigentlich war es ein guter Tag für Bastian (Name von der Redaktion geändert). „Ich konnte früh Feierabend machen“, erinnert er sich. Doch beim Weg von der Maschinenhalle zum Abendessen kreisten vorwurfsvolle Gedanken in seinem Kopf: „Die Werkstatt musst du endlich aufräumen, die Dachrinne reparieren und den Hof müsstest du dringend mal wieder fegen.“ Eigentlich Kleinigkeiten.In diesem Moment schien ihm alles zu viel: Die wartenden Eltern, das Dudeln des Radios in der Küche, die bloße Anwesenheit seiner Geschwister. Er flüchtete nach draußen, in den Regen, den er nicht mal spürte. Dann verlor er die Kontrolle über seinen Körper.

„Mein Atem ging immer schneller, mein Herz raste“, erinnert Bastian sich an das Gefühl der Ohnmacht. „Ich war so hilflos.“ Nur mit Mühe konnte er mit dem Handy die Familie alarmieren. Die Stimme stockte ihm. Ein einziges Wort kam über seine Lippen: „Hilfe!“ „Als der Erste bei mir war, versagten mir die Knie“, beschreibt Bastian seinen Zusammenbruch. Er lag weinend im Regen auf dem Hof – umringt von seiner Familie, die nicht wusste, was los war oder wie sie reagieren sollte.

Von der Multikrise überrollt

Ein Zusammenbruch, wie Bastian ihn erlebt hat, ist nicht selten – verlässliche Zahlen fehlen. Doch sind psychische Probleme mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Erwerbsminderungsrenten bei Landwirten. Diese erschreckende Zahl hat die Landwirtschaftliche Sozialversicherung SVLFG ausgewertet.

Die Situation hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Neben branchentypischen Belastungen wie Wetter und Preise üben zunehmend mehr Faktoren massiven Druck auf Landwirte aus. Viele fühlen sich ausgeliefert, ohnmächtig, als Spielball der Politik. Immer neue Regelungen zu Düngung, Insektenschutz, EU-Agrarreform, Immissionsschutz engen die Handlungsfreiheit ein, sorgen für Unsicherheit und Zukunftsangst.

Hinzu kommt der permanente mediale Druck. Die meisten Landwirte sehen sich als Teil der Generationenfolge und kümmern sich mit Herzblut um Stall, Hof und Acker. Doch statt Wertschätzung ernten sie Kritik, müssen sich rechtfertigen, fühlen sich an den Pranger gestellt.

Wirtschaftlich ist die Landwirtschaft oft eher Renditekiller als Renditebringer. Schweinehalter kämpfen seit über zwei Jahren mit katastrophalen Preisen, Milchviehhalter gefühlt seit Jahrzehnten. Aktuell sorgen die explodierenden Kosten für Existenzängste.

Anne Dirksen

Treten dann noch Krisen im familiären Bereich auf – Generationskonflikt, ungelöste Hofnachfolge, pflegebedürftige Angehörige, eigene Erkrankungen – ist für viele die Belastungsgrenze erreicht. Doch thematisiert wird die Not nur selten.

Burn-out und Depression

Auch Anne Dirksen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sieht nur die Spitze des Eisbergs. 150 Landwirte haben sich in den vergangenen elf Monaten in ihrer Not an sie gewendet. Denn Anne Dirksen und ihr Team betreuen ein...