Brustkrebs / Mammakarzinom /Therapie

Was Brustkrebs angreifbar macht

Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei der Frau. Zielgerichtete Therapien verbessern die Behandlungsoptionen. Es gibt Neuzulassungen.

Jährlich erhalten etwa 70  000 Menschen die Diagnose Brustkrebs. Jede achte bis neunte Frau erkrankt im Laufe ­ihres Lebens daran. Auch Männer sind betroffen: etwa 500 pro Jahr.

Für sie alle ist die Diagnose oft ein Wendepunkt im Leben. Nach dem ersten Schock gilt es, die bestmögliche Therapie zu erhalten. Welche Behandlung schließlich infrage kommt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie etwa der Größe und dem Ausbreitungsstadium des Tumors. Aber auch der biologische Charakter der Tumorzellen spielt eine wichtige Rolle, denn daraus lassen sich Rückschlüsse auf das Wachstumsverhalten schließen.

In spezialisierten Brustkrebszentren werden in Tumorkonferenzen, in denen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen vertreten sind, die bestmöglichen Therapieoptionen diskutiert. Orientierung für die Behandlung gibt dabei die aktuelle S3-Leit­linie Mammakarzinom. Im Anschluss werden die Möglichkeiten der Therapie mit der Patientin bzw. dem Patienten besprochen.

Den Therapieerfolg bei Brustkrebs vorab prüfen

Neben der Operation und Be­strahlung des Gewebes, stehen vor allem medikamentöse Behand­lungen mit Anti-Hormonen oder mit Zytostatika in Form einer Chemo­therapie zur Verfügung. „Doch längst nicht jede Frau profitiert von diesen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten, weshalb dies schon vor einem opera­tiven Eingriff überprüft werden sollte“, sagt Dr. Christian Eichler vom St. Franziskus-Hospital in Münster.

Brustkrebs wächst häufig hormonabhängig. Besitzt der Tumor entsprechende Empfangsstellen für Hormone – Hormonrezeptoren genannt –, kann meist eine Antihormontherapie helfen, das Tumorwachstum zu unterbinden. Patien­tinnen erhalten dazu Medikamente, die diese Rezeptoren blockieren und so den Einfluss der Hormone ausschalten. „Nach etwa zwei Wochen zeigt sich, ob das Tumorwachstum tatsächlich stoppt und eine Antihormontherapie wirksam ist“, erklärt Dr. Christian Eichler.

Die meisten Chemotherapeu­tika wirken unspezifisch auf alle Körperzellen mit entsprechend vielen Nebenwirkungen. Einige Frauen können bei einer bestimmten Form von Brustkrebs jedoch auf eine Chemotherapie verzichten, ohne das dadurch das Risiko für einen Rückfall erhöht ist. „In bestimmten Fällen können Patientinnen einen Genexpressionstest durchführen lassen, der Auskunft darüber gibt, ob ihnen eine Chemotherapie nutzt oder nicht“, erklärt Gynäkologe Eichler.

Das Tumorwachstum bei Brustkrebs bremsen

Immer bedeutender in der Behandlung von Brustkrebs sind zielgerichtete Therapien. Die eingesetzten Medikamente wirken nur an Tumorzellen mit bestimmten Eigenschaften und funktionieren nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“. Das Medikament als Schlüssel passt genau in das „Schloss“ der Zelle. Da gesunde Körperzellen diese Zielstrukturen nicht oder nur in geringer Menge aufweisen, wirken die zielge­richteten Substanzen überwiegend auf Tumorzellen.

Daher sind diese Therapien oft verträglicher als eine Chemotherapie, wenngleich auch sie nicht nebenwirkungsfrei sind. „Allerdings können sie nur dann eingesetzt werden, wenn die entsprechende Zielstruktur im Tumor oder auf der Tumorzelle nachweisbar ist“, erklärt Dr. Anne Bremer, leitende Ärztin im Onkologischen Zentrum am Franziskus-Hospital in Münster.

Brustkrebs-Therapie mit HER2-Antikörpern

Zu den zielgerichteten Therapien gegen Brustkrebs gehört beispielsweise die Antikörpertherapie mit HER2-Antikörpern. Sie wird eingesetzt, wenn die Tumorzellen auf ihrer Oberflächen sehr viele Andockstellen für Wachstumsfaktoren haben, sogenannte HER2-Rezeptoren. Tumorzellen, die diesen Rezeptor tragen, vermehren sich ungehemmter. Je mehr davon vorhanden sind, desto aggressiver ist tendenziell der Tumor.

Eine Therapie mit HER2-Antikörpern kann allein oder zusätzlich zur Chemotherapie durchgeführt werden. Dazu werden über die ­Vene sogenannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate verabreicht (siehe „Neue Wirkstoffe gegen Brustkrebs“). Sie blockieren die Rezeptoren, sodass keine Wachstumsfaktoren mehr an der Zelle andocken können und sich das Krebswachstum verlangsamt.

Neue Wirkstoffe gegen Brustkrebs

2021/22 sind zwei Antikörper-Wirkstoff-Konjugate zugelassen worden. Das Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan wirkt gegen den HER2-Rezeptor. Laut Studienlage verlängert das Medikament das Gesamtüberleben erheblich und ist unter bestimmten Bedingungen zugelassen für Erwachsene mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs.

Seit Februar 2022 ist das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Sacituzumab-Govotecan für Patienten mit Triple-negativem Brustkrebs zugelassen. Beim Triple-­negativen Mammakarzinom lassen sich weder Östrogen- noch Progesteronrezeptoren und auch der Wachstumsfaktorrezeptor HER2 nicht maßgeblich auf der Zelloberfläche der Tumorzellen nachgewiesen. Das Präparat soll diese Tumore verkleinern können, für eine längere Zeit ohne Rückfall sorgen und ein längeres Gesamtüberleben ermöglichen.

Weitere Therapieoptionen

- Krebszellen senden Signale aus, die die Immunabwehr ausbremsen. Statt anzugreifen, lassen die Immunzellen die Krebszellen dann einfach gewähren. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren sind neue Medikamente, die die Signale der Tumorzellen blockieren und damit die Immunabwehr wieder aktivieren. Checkpoint-Inhibitoren können die körpereigne Immunantwort gegen die Krebszellen ­steigern. Im Juli 2022 sind Checkpoint-Inhibitoren auch in der Therapie bei Brustkrebs mit besonders aggressivem Verlauf zugelassen worden.
- PARP-Inhibitoren sind relativ neue Arzneistoffe, die zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen eingesetzt werden. PARP-Inhibitoren bzw. -Blocker verhindern, dass Krebszellen einen durch Zytostatika hervorgerufenen DNA-Schaden reparieren. Die Tumorzelle kann sich nicht mehr selbst helfen und stirbt. Seit 2019 ist der gezielte Einsatz von PARP-Inhibitoren bei Patientinnen mit BRCA-Mutation und Metastasen erlaubt. Seit August 2022 sind PARP-Inhibitoren auch prophylaktisch zugelassen. In einer Studie konnte das Rückfallrisiko um 42% gesenkt werden.

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