Vermarktung

Wohin mit den Bullenkälbern?

Für die Vermarktung von männlichen Holstein-Kälbern und Kreuzungstieren gibt es verschiedene Wege. Was für Möglichkeiten haben Landwirte?

Auf Milchkuhbetrieben werden nicht nur weibliche Kälber geboren, sondern auch männliche. Doch verlassen diese in der Regel den Betrieb – bis zum Jahresbeginn noch mit 14 Tagen. Nun müssen sie mindestens 28 Tage alt sein.

Was sind die ersten Ergebnisse? Wie wirkt sich das höhere Transportalter auf Tierqualität und Vermarktung aus? Wir haben uns auf einer Auktion, bei der Ab-Hof-Vermarktung sowie in der landwirtschaftlichen Praxis umgehört.

Auktionen: Qualität immer gefragt

„Junge und gut entwickelte Kälber bringen auf Auktionen in der Regel ihr Geld. Egal, ob der Markt gut oder schlecht läuft.“ Das sagt André Harwerth, Kälbervermarkter bei der Rinder-Union West (RUW). Insbesondere vier bis sechs Wochen alte Kälber mit etwa 80 bis 100 kg Lebendgewicht seien gerade ­gefragt – das gilt vor allem für Kreuzungstiere. „Fleckviehkälber und Weiß-Blaue Belgier lassen sich am besten vermarkten“, erklärt er. Auch die Kreuzungsrasse INRA 95 erzielt gute Preise, das hänge ganz von der Käuferschaft ab.

Schwieriger wird es bei Angus- oder Limousinkreuzungen: Sie sind laut Harwerth oft schmal und die späteren Mastleistungen nicht auf Spitzenniveau. Auch Holstein-Friesian-Kälber sind in der Regel niedriger im Preis. Für sie kann die Ab-Hof-Vermarktung einen Mehrwert bringen. „Doch egal, welchen Vermarktungsweg die Landwirte wählen, eine intensive Aufzucht der Kälber lohnt sich immer“, ist Harwerth überzeugt.

Höheres Transportalter?

Seit Anfang des Jahres findet die Nutztierauktion alle zwei anstatt alle vier Wochen statt. Grund dafür ist das höhere Transportalter. Im Mittel stehen etwa 200 Tiere zum Verkauf. „In der Tierqualität wirkt sich die Änderung des Tranportgesetzes auf den Auktionen bei uns bislang nicht aus“, so der Vermarkter. Verkaufende Betriebe melden die Tiere ohnehin später, um bessere Gewichte und Preise zu erzielen. Beschicker sind ­sowohl Milchviehbetriebe als auch Fresseraufzüchter. Hauptsächlich kommen diese aus Westfalen, aber auch über die Grenzen hinaus.

Hörner deklarieren

Was den Hornstatus der Tiere angeht, gibt es zukünftig eine Änderung: Auf der Gewichtsliste, die am Auktionstag ausliegt, soll schon bald die Info stehen, ob ein Kalb bereits enthornt ist oder nicht. „Das Enthornen ohne Betäubung ist nur bis zum 42. Lebenstag erlaubt. Bei nicht enthornten Tieren bleibt für die ­Käufer nur noch ein knapper Zeitraum, um das nachzuholen“, merkt der Vermarkter an. Auf den Auktionen erzielen enthornte Tiere höhere Preise.

Einmal wöchentlich holen Fahrer die Kälber auf den Höfen ab. Anschließend kommen sie zur Sammelstelle in Verden für die weitere Vermarktung. (Bildquelle: Heil)

Ab-Hof-Vermarktung: Höhere Kälbergewichte, mehr Streuung

Bei der Ab-Hof-Vermarktung liegen die Zielgewichte bei etwa 60 kg für Holstein-Friesians im Alter von vier bis sechs Wochen. Kreuzungskälber sollten mindestens 10 bis 15 kg schwerer sein. „Die Tiere dürfen keinen Tag zu jung sein. Ein bis zwei Wochen älter ist hingegen kein Problem“, sagt Cord Schünemann, der die Vermarktung der Bullenkälber bei der Masterrind übernimmt. Käufer würden eher auf die Tierqualität achten als auf das Alter. Seit der Anhebung des Transportalters steigen auch die Gewichte der Kälber: 2022 haben die Kälber im Mittel 52 kg gewogen (35 bis 75 kg). Im laufenden Jahr liegen die Gewichte mit durchschnittlich 62 kg (40 bis 100 kg) höher. „Allerdings hat die Streuung zugenommen. Das macht es schwieriger, gleichmäßige Gruppen zusammenzustellen“, erklärt Schünemann.

25 % Kreuzungen

Am Standort in Verden kommen montagmittags alle Kälber zusammen, die am selben Tag von den Höfen abgeholt wurden. Im Jahresdurchschnitt sind es 350 Tiere pro Woche. Die Mitarbeiter der Masterrind wiegen dort jedes Kalb und notieren das Geschlecht. Zusätzlich erfassen sie subjektive Bemerkungen wie zum Beispiel schmal, fleischig, Nabelentzündung. Eine Grippeimpfung gibt es nicht.

Die Kälber werden in Gruppen sortiert: Rund 25 % sind Kreuzungen. Darunter nicht nur Fleischrassekälber, sondern auch Kreuzungen mit zum ­Beispiel Jersey oder Braunvieh. Den größeren Anteil in der zweiten Gruppe machen rot- und schwarzbunte Holsteins aus.

Großteil für Kälbermast

Etwa 80 bis 90 % der Kälber verbleiben bei Kälbermästern in Niedersachsen. Von den Kreuzungstieren wechseln etwa 15 bis 20 % an Färsen- oder Bul-lenmäster. „Der Preis orientiertsich am Gewicht, dem Futterzu-stand und der Rasse“, sagt Cord ­Schünemann. Aktuell sei der Markt stabil.

„Das Enthornen ist bei uns nur für die Bullenmäster relevant. Denn dort werden die Tiere älter als in der Kälbermast“, erklärt der Vermarkter. Wichtiger sei, dass die Tiere keine offenen oder verkrusteten Wunden haben. Denn dann dürfensie nicht transportiert werden.

Mäster bevorzugen aktuell Weiß-Blaue Belgier und die ­synthetische Rasse INRA 95. Schünemann meint: ­„INRA 95-Kreuzungen sind in der Regel sichere R-Ware. Sie brauchen aber tendenziell ein bis zwei Monate länger in der Mast und die Streuung im Körperbau ist größer.“ Angus und Limousin sind schwerer zu vermarkten. Auch, wenn sie auf Milchviehbetrieben für leichtere Geburten sorgen als andere Kreuzungsrassen.

Bullenmäster: Kurze Wege, gute Gesundheit

Bullenmäster Gebhard Werning zieht auf seinem Betrieb in Uelsen (Niedersachsen) nahe der niederländischen Grenze etwa 80 Fresser auf und mästet 370 Bullen. Alle zwei Monate stallt er 80 neue Tiere ein. „Ich kaufe reinrassige Fleckviehkälber und Kreuzungstiere im Alter von vier bis sechs Wochen. Dann sollten sie ein Gewicht zwischen 80 und 100 kg haben“, sagt er. Dafür besucht er regelmäßig die Nutztierauktion der RUW in Münster, um sich die Partien selbst zusammenzustellen. Der Vorteil für ihn: kurze Transportwege. Die Tiere verlassen morgens den Stall ihres Herkunftsbetriebes und sind abends auf Wernings Hof angekommen. „Das ist gesundheitlich einfach besser“, sagt der Landwirt. Den Transport übernimmt er selbst mit seinem Viehwagen.

Jedoch ist die Auktion in Münster für den Mäster zu klein, um 80 Tiere zu kaufen, bei denen Gewicht, Alter und Qualität zueinander passen. Deshalb bezieht er zusätzlich reinrassige Fleckviehkälber über eine benachbarte Erzeugergemeinschaft von den Auktionen in Miesbach oder Traunstein in Süddeutschland. Gebhard Werning erklärt: „Die Auktion in Münster ist mittwochs. Wenn ich absehen kann, wie viele Tiere ich noch brauche, melde ich mich bei den Kollegen in Süddeutschland. Die kaufen dann donnerstags auf der Auktion weitere Tiere.“ Das ermöglicht ihm, in derselben Woche alle neuen Tiere einzustallen.

Preis und Qualität der Bullen liegen laut Werning bei den Auktionen nah beieinander. „Im Durchschnitt sind die Tiere in Münster günstiger und hin und wieder ist die Qualität in Süddeutschland etwas besser.“

Um den Gesundheitsstatus seiner Bullen möglichst hoch zu halten, impft er alle Tiere gegen Grippe. Einen Tag nach der Ankunft bekommen die Kälber eine intranasale Dosis. Da die Tiere aus Münster bereits auf der Auktion eine Impfdosis bekommen, werden sie später einmal und die Tiere aus Süddeutschland zweimal intramuskulär nachgeimpft. Zudem gibt es einen Aufguss gegen Parasiten. Gebhard Werning kontrolliert den Hornstatus aller neuen Kälber und enthornt sie bei Bedarf.

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