Südafrika-Reportage

Vom Rugby-Star zum Schweinehalter

Bradley Mockford ist Vollprofi – bei seiner 1400er Sauenherde genauso wie zuvor als Sportler. Von der Vermehrung bis zur Vermarktung läuft auf seinem Familienbetrieb in Südafrika alles in Eigenregie.

Draußen sind es fast 30 °C. Doch im kühlen Stall grunzen die Sauen zufrieden. Eine Abferkelbucht reiht sich an die nächste. Ein paar neugierige Ferkel spitzen die Ohren, während Bradley Mockford durch den Mittelgang läuft. Mit geschultem Blick mustert er jedes Tier.

Neben ihm wirken die Schweine winzig, denn der Südafrikaner ist über zwei Meter groß, hat breite Schultern und einen muskulösen Oberkörper. Auf den ersten Blick passt er eher in einen Boxring als in einen Stall mit kleinen Ferkeln.

Kein Wunder, denn bis vor ein paar Jahren hat Bradley Mockford noch professionell Rugby gespielt – auf nationaler Ebene, vergleichbar mit der deutschen Bundesliga.

Doch nach seiner Sportlerkarriere verschlug es den heute 38-Jährigen Familienvater zurück auf die Farm, die sein Großvater bereits 1956 kaufte. Der Betrieb liegt rund 300 km nördlich von Johannesburg. Hin und wieder streifen Giraffen, Zebras und Antilopen das Hofgelände. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum Krüger-Nationalpark.

Kurz gefasst

Familie Mockford hält in Südafrika 1400 Sauen inklusive Aufzucht und Mast. Seit 2019 vermarkten sie ihr eigenes Fleisch über die Marke „The Flying Pig“. Dazu gehören ein Online-Shop und ein Laden vor Ort.

Learning by doing

Was Bradley Mockford über Sauenhaltung weiß, hat er zum Teil schon vor seiner Rugbykarriere gelernt – im Agrar-College. Ein guter Schüler war er aber nie, wie er mit einem Augenzwinkern klarstellt. Sein Praxiswissen verdankt er der Tierärztin und dem Personal auf der Farm – aber auch seiner Familie. Immerhin betreiben die Mockfords schon seit den 70er Jahren Schweinehaltung. Mittlerweile haben sie sich ein geschlossenes System aufgebaut – von der Vermehrung bis zur Vermarktung.

Ferkel auf Rekordniveau

Bradley Mockford hält 1400 Sauen. Jede Woche stehen etwa 63 Geburten an – eine Menge Arbeit. Die erledigt er mit 18 Festangestellten und zwei Studierenden. Im Vergleich zu Europa sind Arbeitskräfte in Südafrika günstig. Aber der Aufwand ist hoch. Für das oft ungelernte Personal muss der Betriebsleiter genaue Anweisungen formulieren. Zusätzlich kommt alle fünf Wochen die Tierärztin zur Fortbildung der Mitarbeiter auf den Hof. Dank Lernerfolg kommt der Betrieb mittlerweile auf 13 abgesetzte Ferkel pro Wurf.

Der neuere Abferkelstall aus dem Jahr 2013 ist mit Ventilatoren und Kühltürmen ausgestattet. Darin wird die Zuluft mit Wasser benebelt. (Bildquelle: Schulze Lohoff)

Neben dem richigen Management braucht Bradley Mockford dafür gute Muttertiere. Um deren Zucht kümmert sich sein Zwillingsbruder Shaun. Gerade stellen sie den Betrieb auf dänische Genetik um. Von den fruchtbaren DanZucht-Sauen erhoffen sie sich noch mehr Ferkel pro Wurf. Dafür importieren sie sogar Gefriersperma aus Dänemark. Das lohnt sich: Eine Sau brachte kürzlich 30 lebende Ferkel zur Welt – ein neuer Rekord.

Um das System zu schließen, produziert die Familie pro Jahr knapp 50  000 Mastschweine. Dabei unterstützt sie ein externer Manager.

Das fliegende Schwein

2018 führte ein Listeriose-Ausbruch den Mockfords vor Augen, wie wenig Kontrolle sie als Erzeuger über den Handel haben. Auf die Tierseuche folgten knappe Erlöse für ihre Schlachtkörper.

An diesem Punkt entschloss sich Bradley Mockford, Verarbeitung und Marketing selbst in die Hand zu nehmen – per Online-Shop.

Bequem von zu Hause aus bestellen und innerhalb von drei Tagen liefern lassen – damit überzeugte er zuerst die Verbraucher in der Region. Die Corona-Pandemie verhalf seiner Geschäftsidee schließlich zum Durchbruch. Mit Gauteng, Limpopo und Mpumalanga beliefert er heute drei der neun südafrikanischen Provinzen. Als Markenzeichen dient ein geflügeltes Schwein.

Das verkörpert gleich zwei ihrer Stärken: Hochwertiges Fleisch und flotten Lieferservice. Außerdem hat es Tradition: Schon vor 30 Jahren hing eine hölzerne Version davon über dem Küchentisch der Familie. Für Design und Werbung holte der Unternehmer einen Schulfreund ins Boot. Kurz darauf startete „The Flying Pig“ mit Internetseite, Newsletter, Facebook und Instagram durch.

Von Bauernwurst bis Braai

Hackfleisch, Schweinebauch oder lieber Filet? Online wird jeder Fleischliebhaber fündig. Für ein südafrikanisches Braai dürfen auch Spare Ribs, Grillwurst und Sosaties – fruchtige Curry-Spieße – nicht fehlen. Eine 8 kg-Box mit mariniertem Grillfleisch kostet 599 Rand. Das entspricht knapp 34 €. 500 g Hack gibt es schon ab umgerechnet 1,96 €.

Insgesamt liefert „Mockford Pork“ jede Woche 880 Schweine an den Schlachthof. Davon fließen 300 zurück in die Direktvermarktung.Zerlegt werden sie in Polokwane. Die Hauptstadt der Provinz Limpopo liegt nur wenige Kilometer von der Farm entfernt. 2019 stand hier eine alte Fabrikhalle zum Verkauf. Daraus wurde die Metzgerei.

2021 eröffente Bradley Mockford das erste Ladenlokal, vor kurzem ein zweites „Flying Pig Deli“. Dort finden Kunden alles für ihr Grillfest – inklusive Saucen und Wein. Allein dafür beschäftigen die Mockfords heute 42 Mitarbeiter.

Farm to Fork-Strategie

Das Geschäft läuft gut, aber Bradley Mockford will noch mehr. Südafrikaner sollen in Zukunft mehr Schweinefleisch essen. Wie das gelingt? Mit einem starken Konzept:

  • Fleisch aus einer einzigen, geschlossenen Quelle anbieten.
  • Sich als Betriebsleiter selbst ins Marketing einbringen.
  • Potentiellen Kunden den Kauf und Verzehr so leicht wie möglich machen.

Was den südafrikanischen Schweinemarkt ausmacht

- 2021 wurden in Südafrika knapp 3,6 Mio. Schweine geschlachtet.
- Pro Kilogramm bekommen Landwirte im Moment gut 27 Rand. Das sind umgerechnet etwa 1,60 €.
- Viele Südafrikaner können oder wollen sich kein Schweinefleisch leisten. Der jährliche Durchschnittsverzehr liegt bei nur 5 kg pro Kopf. Beim Hähnchen sind es über 40 kg.
- Südafrika ist Nettoimporteur von Schweinefleisch. 1,8 Mio. Tonnen kamen 2021 aus dem Ausland. Besonders gefragt sind Rippchen. Die liefern Brasilien und Europa.
- Politische Unruhen in einigen Provinzen hatten 2021 enorme Auswirkungen auf die Fleischindustrie. Wichtige Transportrouten waren gesperrt. Schlachtung und Verkauf wurden völlig unterbrochen. Die Versorgungsengpässe sind noch immer zu spüren.
- Hinzu kommt eine Kostensituation, wie sie deutsche Schweinehalter nur allzu gut kennen: Die Preise für Mais, Soja, Kraftstoff und Energie sind sprunghaft gestiegen. Zudem wurden die Löhne dieses Jahr um 6,9 % angehoben.

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