Wirtschaftlich melken

Viele 100.000 kg-Kühe im Stall

Hohe Leistungen mit gesunden Tieren wünscht sich wohl jeder Betrieb. Was braucht es für den Erfolg?

Die Aufzuchtkosten eines Jungtieres sind erst in der zweiten Laktation gedeckt. Langlebige Kühe mit hohen Lebensleistungen sind daher rentabel für jeden Betrieb. Das bringt noch mehr positive Effekte: Eine verlängerte Nutzungsdauer verbessert die Ressourceneffizienz. Zudem steigern niedrige Remontierungsraten den Zuchtfortschritt. Denn die Nachzucht lässt sich stärker selektieren. Das folgerte Felix Versen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Weihen­stephan-Triesdorf bei einer Veranstaltung vergangene Woche vom Netzwerk Fokus Tierwohl. In dem Rahmen stellte er eine aktuelle Auswertung dar, wie Top-Betriebe hohe Lebensleistungen erreichen.

Lange viel Milch geben

An dem Projekt haben Betriebe teilgenommen, die mindestens 20 Kühe halten und über 35  000 kg Lebensleistung im lebenden Bestand haben. Die Betriebe stammen aus Niedersachsen, NRW, Baden-Württemberg und Bayern. Die mittlere Lebensleistung der Abgangstiere lag bei den Projektherden bei rund 47  000 kg Milch. Im Schnitt des Landeskontroll-Verbandes (LKV) liegt dieser Wert bei rund 26  600 kg.

Entscheidende Faktoren für das höhere Leistungsniveau sind:

  • Mensch,
  • Fütterung,
  • Haltungsumgebung,
  • Management.

Beim Faktor Mensch ist das Know-how der betreuenden Personen entscheidend. Auf den Projektbetrieben war der Ausbildungsgrad höher als im LKV-Schnitt. Zudem betreut eine Arbeitskraft weniger als 50 Kühe. Betriebsleitende haben eine hohe Lebensleistung als Ziel und finden „ein Auge fürs Tier“ wichtig.

Länger leben
Lag die Nutzungsdauer der ­deutschen Herdbuchkühe 2007 noch bei 35 Monaten, ist dieser Wert 2021 auf 39,1 Monate gestiegen. Auch die Lebensleistung der Kühe ist gewachsen und lag zu dem Zeitpunkt bei 29  787 kg je Kuh in Deutschland.

„Bei der Fütterung von hochleistenden Tieren zeigen die Projektbetriebe eine gute Strukturversorgung bis zum 100. Laktationstag und die Tiere haben bis zum 200. Laktationstag einen höheren Körperfettansatz“, sagte Versen. Die Betriebsleitenden vermeiden laut seiner Ausführung eine energetische Überfütterung zum Ende der Laktation. Verglichen wurden die Projektbetriebe mit bayerischen Betrieben, die ihre Gesundheits­daten erfassen und auswerten.

Den Projektlandwirten selbst ist laut Auswertung wichtig:

  • Pansen niemals leer, Futtertisch mindestens halb voll,
  • hohe Grundfutterqualität,
  • gute Futterhygiene.

Mehr als 8 m2 pro Kuh

Bei der Haltung kommt es vor ­allem auf den Platz an, den die ­Tiere zur Verfügung haben. Milchkuhhaltende im Projekt bieten ­jeder Kuh mindestens 8 m2 und ein Tier : Liegeplatz-Verhältnis von 1 : 1. Alle Betriebe pflegen die Liege­boxen zweimal täglich oder öfter. Den Landwirten selbst sind Tiefboxen und großzügige Strohbereiche wichtig. Zudem befürworten sie Weidegang.

Im Management ist eine gute Versorgung der Kühe in kritischen Phasen essenziell. Dazu gehören zum Beispiel Bolis oder Energietrunks nach einer Kalbung. Die Betriebe gewähren den Tieren eine Rastzeit von über 80 Tagen. „Wenn man länger mit einer Besamung wartet, braucht es weniger Ver­suche, bis eine Kuh tragend ist“, gab Felix Versen die Aussage eines Projektbetriebes wieder.

Teilnehmende legen auf Folgendes Wert:

  • Bei Problemen konsequent und sofort handeln,
  • nicht auf Tierarztkosten achten,
  • gute Arbeitseinteilung,
  • ruhiger Umgang mit Kühen,
  • sich Zeit für die Tiere nehmen.

Sie versuchen auch, den Tieren mehr Chancen zu geben: „Erstlingskühen darf man eine gerin­gere Laktationsleistung auch mal verzeihen“, so ein Landwirt.

Tolle Lebensleistungen ohne Schnickschnack
„Alte Kühe fangen mit einer guten Kälberaufzucht an“, ist Gerd Holschuh aus dem Odenwald (Hessen) überzeugt. Seine Kälber bekommen innerhalb der ersten 20 Minuten nach der Geburt Kolostrum – auch nachts. Mit etwa 12 Wochen werden sie von der Milch abgesetzt und erhalten in der Zwischenzeit zweimal täglich 4 l pasteurisierte Vollmilch.
Landwirt Holschuh hält insgesamt 160 Kühe an zwei Melkrobotern. ­Bereits 30 seiner Kühe haben schon eine Milchleistung von mehr als 100  000 kg erreicht. 14 von ihnen befinden sich aktuell in der Herde.Die Herde managt Gerd Holschuh gemeinsam mit seiner Frau Susanne (Tierärztin) und seinem Sohn Andre, ausgebildeter Landwirt. Mit zwei Vollzeitkräften und einem Auszubildenden ergibt das 5,5 Arbeitskräfte für den Betrieb. Familie und Mitarbeiter stehen hinter demselben Ziel: Nicht größer, sondern besser werden. „Wir haben Freude an alten ­Kühen“, so Holschuh.
Der Kuhstall ist dreigeteilt: Liege­halle – Laufhof – Fresshalle. Die Hochboxen sind mit einer komfortablen Gummimatte bestückt. Heute würde der Betriebsleiter jedoch auf Tiefboxen setzen. Fresshalle und Laufhof sind ebenfalls mit Gummimatten ausgelegt. Ventilatoren und eine Kuhdusche helfen gegen Hitzestress. „Eine gute Investition war auch der Roboter zum Futteranschieben“, so Holschuh. Der Landwirt schätzt den großen Strohbereich von 8 x 20 m und will weitere 80 m2 anbauen. Nach der Kalbung bleiben die Tiere 14 Tage, alte Kühe drei Wochen im Strohstall. Bei Frischmelkern kontrolliert der Betriebsleiter die Temperatur und die Tiere bekommen täglich Propylenglykol.

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Zu viele Kühe am Fressplatz bedeutet weniger Futteraufnahme und folglich weniger Milchleistung. Auch Stress und subklinische Azidosen können die Folge sein. Es gilt Abhilfe zu schaffen.