Die Notierung für R3-Jungbullen liegt bei 4,10 €/kg Schlachtgewicht (6. September), für Schlachtkühe bei 3,40 €/kg. Und auch im Juli und August gab es praktisch kein Sommerloch. Herr Hortmann-Scholten, woran liegt das?
Das stimmt, ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir im Sommer solche Preise für Rindfleisch hatten. So einen festen Juli wie in diesem Jahr habe ich noch nicht erlebt. Dafür gibt es einige Gründe:
- Die Gastronomie hat wieder komplett geöffnet, das scheint mit der „3G-Regelung“ auch Bestand zu behalten.
- Es gibt Containerengpässe, zudem sind Container extrem teuer.
- Wir beobachten in Deutschland eine immer weiter sinkende Rinderproduktion. In diesem Jahr gibt es erstmals weniger als 4 Mio. Kühe. Das Angebot ist also knapp, während die Nachfrage steigt.
- Zum Ende der Sommerferien sind höhere Preise für Rindfleisch ein Stück weit normal, der Lebensmitteleinzelhandel startet zum Herbst etliche Aktionen.
- Vor allem Rinderhackfleisch-Produkte erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
- Der Markt für Rinderfelle hat sich erholt. Das macht sich bei Fleckviehhäuten bemerkbar.
Das sind ja gute Aussichten. Wagen Sie eine Preisprognose: Wo kann´s hingehen?
Richtung Oktober rechne ich mit Preisen von 4,20 bis 4,30 €/kg Schlachtgewicht (SG) für R3-Bullen. Der Abstand zu U-Bullen bleibt wie gewohnt bei 5 Cent/kg.
Allerdings ziehen nicht nur die Preise an, sondern auch die Kosten, beispielsweise für Zukauffutter, vor allem bei Non-GMO-Eiweißträgern. Außerdem haben Rinderhalter zwei schlechte Jahre hinter sich, so sind gute Preise bitternötig. Bei Mais- und Grassilagen deuten sich aus preislicher Sicht Entspannungen an.
Anfang des Jahres sorgten sich viele Experten vor den Auswirkungen des Brexits. Waren die Bauchschmerzen unbegründet?
Das Rindfleisch im Vereinigten Königreich und auch in den USA ist so teuer wie noch nie. Das Preisniveau liegt deutlich über dem europäischen (Jungbullen R3 zwischen 4,70 und 4,80 kg SG). Und es scheint keine Trendwende in Sicht. Somit können die Iren weiter das Vereinigte Königreich mit ihrem Überschuss bedienen und das Rindfleisch drückt nicht auf den europäischen Markt.
Einen Blick auf den Weltmarkt: Argentinien hat seine Ausfuhrbeschränkungen bis zum 31. Oktober verlängert. Mit welchem Hintergrund?
Der rasante Preissteigerung auf dem argentinischen Rindfleischmarkt konnte scheinbar gestoppt werden. Laut Resolution bleibt die Lieferung von Schlachtkörperhälften, Hintervierteln, Braten-, Schulter- und Karreestücken sowie von Wurst ins Ausland weiter verboten. Die übrigen Rindfleischstücke dürfen mit Beschränkungen exportiert werden.
Wird deshalb deutsches Fleisch in Restaurants und Kantinen verkauft?
Ja, nach Ende des Lockdowns hat sich die Gastronomie stark auf deutsches Rindfleisch fokussiert. Rindermäster sollten diesen Trend nutzten und ihre Qualitätsbemühungen optimieren.
Das Thema Regionalität spielt vor dem Hintergrund der Klimadiskussion eine zunehmende Rolle: Aus Klimaschutzgründen sind Fleischimporte aus Übersee abzulehnen. Der Handel muss sich endgültig von der Politik der Tiefpreisstrategie abwenden und sich eindeutig zu den hohen Prozessqualitäten der deutschen Produzenten bekennen.
Locken höhere Preise die Ware aus dem Ausland?
Mit jeder Preiserhöhung wird die Gefahr größer, dass Ware aus dem Ausland drückt. Aktuell sind die Mengen aber gering, da das Angebot an Rindfleisch EU-weit knapp ist. Kurzfristig lässt sich die Erzeugung im In- und Ausland nicht so rasch erhöhen. Angesicht global steigender Getreide- und Futterpreise, wird es auf mittlere Sicht kaum Preisdruck geben.
Momentan laufen die Verhandlungen zu ITW Rindfleisch. Sehen Sie darin eine Chance für Rindermäster?
Nur, wenn es besser läuft als mit dem Übergang zur Marktlösung bei ITW 3.0 bei Schwein. Seit Juli, Zeitpunkt des Auslaufens der Fondlösung der ITW Programmphase 2.0, können nicht alle Schweine mit dem zugesicherten ITW-Bonus vermarktet werden.
Alle Experten sollten sich fragen: Kann man bei Rindfleisch die Marktlösung nutzen? Klappt das?
Denn Bauern brauchen Verlässlichkeit, die Zusatzerlöse von ITW müssen auf den Betrieben ankommen! Momentan machen es sich die Akteure zu einfach und schieben die Verantwortung zum Handel, nach dem Motto: „Der Markt muss es machen“. So darf es nicht laufen.
Gibt es denn einen Markt für ITW-Rindfleisch?
Schwer zu sagen. Verbraucher kaufen vermehrt Hackfleisch, das zu 100 % von Rind stammt. Produkte, wie Burgerpatties und Cevapcici gewinnen immer mehr an Beliebtheit. Es könnte leichter sein den ITW-Bonus für solche Produkte zu bekommen als bei Schwein.
Trotz guter Preise stehen die Bullenmäster unter Druck. Nicht unschuldig daran ist Aldi mit seiner Ankündigung, von 2030 an nur noch Frischfleisch aus Haltungsstufe 2 und 3 zu verkaufen.
Ja, Aldi baut mit seinen Marketingplatzierungen in etlichen Zeitungen enormen Druck auf. Dafür hat das Unternehmen große Finanzmittel in die Hand genommen. Bauern und die gesamte Branche werden ganz bewusst in eine Richtung gedrückt. Erklärtes Ziel von Aldi ist es, in diesem Jahr 15 % des monetären Umsatzes (nicht der Menge!) bei Frischfleisch von Schwein, Geflügel und Rind aus den Haltungsstufen 3 und 4 anzubieten. Das darf aber nicht durch den Import von Fleischprodukten aus dem Ausland, die zu wesentlich geringeren Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards erzeugt werden, passieren. Dann hat man den hiesigen Mästern einen Bärendienst erwiesen.
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