Aldis Tierwohlinitiative war ein Paukenschlag – in den Medien, aber auch am Schweinemarkt. Bis 2030 wollen Aldi-Nord und -Süd sämtliche SB-Theken auf Frischfleisch der Haltungsform 3 und 4 umstellen. Das gilt für Rind, Schwein, Hähnchen und Pute.
Das bedeutet: Tiere aus Ställen mit gesetzlichem Mindeststandard (Haltungsform 1) werden schon in vier Jahren nicht mehr abgenommen. Auch der jetzige ITW-Standard (Haltungsform 2) wird in neun Jahren ausgelistet. Aldi-konform ist ab 2030 nur noch Fleisch von Tieren, die viel mehr Platz haben, gentechnikfrei gefüttert werden und die zudem Außenklima oder sogar Auslauf genießen.
Stufe 1 wird ausgelistet
Schon in diesem Jahr will Aldi das erste Etappenziel erreichen. Der Umsatz von Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 soll im Schnitt des Sortiments auf 15 % steigen. Innerhalb von fünf Jahren werden 33 % anvisiert. Ab 2026 droht das Aus für Fleisch aus Haltungsform 1. Damit wird der gesetzliche Standard in die Schmuddelecke verbannt.
Das sehen auch die Medien so. Die Bild-Zeitung kommt zu dem für konventionelle Tierhalter verheerenden Urteil: Haltungsform 1 sei das „billige Fleisch, produziert unter den schlimmsten Haltungsbedingungen“. Wohl wissend, dass es sich dabei um den gesetzlich vorgegebenen Standard handelt.
Die Konkurrenz im LEH wurde von der Aldi-Ankündigung kalt erwischt. Schnellstens beeilte sich Rewe zu versichern, bis Ende 2030 bei den Eigenmarken im Frischfleischsortiment ausschließlich Haltungsform 3 und 4 anzustreben. Von Edeka und der Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland) gab es noch keine Reaktionen.
Dabei braucht Aldi den Schulterschluss mit der Konkurrenz. Der Konzern gibt freimütig zu: „Wir hoffen, dass unsere Mitbewerber schnell mit ähnlichen Plänen nachziehen.“ Dass die preisbewussten Kunden schon für 10 Cent/kg zur Konkurrenz wechseln, hat Lidl leidvoll bei Fairtrade-Bananen erfahren. Ähnliche Reaktionen letzten Winter beim Preisaufschlag von 1€/kg für heimisches Schweinefleisch. Das hat Lidl viel Umsatz gekostet.
Mehrkosten gewaltig
1 €/kg reicht für Fleisch der Stufe 3 und 4 nicht. Auflagen und Mehrkosten sind gewaltig. Für Tierhalter ein Paradigmenwechsel.
Deutlich mehr Platz: Mastschweine in Haltungsform 3 mindestens 40 % über gesetzlichem Standard. In Haltungsform 4 doppelt so viel.
Futter ohne Gentechnik: Bei aktuellen Preisen von über 80 €/dt für GVO-freies Soja kein Pappenstiel. Von der mangelnden Verfügbarkeit ganz zu schweigen.
Licht und Luft: In Stufe 4 ist Auslauf vorgeschrieben, in Stufe 3 der Zugang zu frischer Luft für Mastschweine, also Außenklimastall. In Stufe 4 wird der Auslauf Pflicht.
Stroh kommt zurück: Als organisches Beschäftigungsmaterial in Stufe 3, als Einstreu in Stufe 4.
Fair&Gut: 13 €/kg Filet
Was Mehrkosten und Kundenwünsche betrifft, hat Aldi mit der Eigenmarke Fair&Gut schon Erfahrungen gesammelt. Schweinefilet gibt es für 12,99 €/kg. Schnitzel und Steak kosten 12 €, Nacken und Geschnetzeltes 10 € – sowohl für Haltungsform 3 wie 4.
Allerdings hat Fair&Gut sich nicht zum Kundenmagneten entwickelt. Tönnies, der neben Neuland die Schweine beliefert, kam in der gut zweijährigen Projektphase nicht über eine Handvoll Betriebe, trotz gut gefüllter Warteliste. Welche Konditionen Aldi demnächst für Haltungsform 3 und 4 bietet, ist nicht bekannt. Ebenso wenig der Zeitraum.
Aus dem Hause Tönnies war zu hören, dass diese Woche Gespräche über Preis und Mengengerüste anlaufen. Bislang zahlt Tönnies seinen Vertragspartnern bei Fair&Gut einen Festpreis von rund 2,05 €/kg über eine Laufzeit von fünf Jahren. Aldi wertet das Projekt laut Pressemeldung als „Zukunftssicherung der deutschen Landwirtschaft“ und sieht sich als Partner in der Wertschöpfungskette.
Die Schlachtunternehmen sollten den Discounter beim Wort nehmen. Nur wenn sie das Maximale an Preis und Sicherheit für die Bauern herausholen, werden Tierhalter überhaupt darüber nachdenken, ob sie diesen Weg mitgehen.
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