Kommentar

Landtechnik: Muss alles sein, was geht?

Landwirtschaftliche Maschinen sind komplex, technisch ausgefeilt und mit Elektronik vollgestopft – ein Grund für die zum Teil atemberaubenden Preise.

Nach vier Jahren Abstinenz dürfen sich Landtechnik-Fans, Landwirte und Lohnunternehmer wieder auf die weltgrößte ­Agrarmaschinenshow in Hannover freuen. Der klare Blick für das, was wirklich notwendig ist, sollte aber nicht am Eingang zurückbleiben.

Gleichzug mit der Automobilbranche

Der Landmaschinenbau braucht sich hinter der Automobilbranche keinesfalls zu verstecken. Die Landtechnik steht ihr in nichts nach. Motoren, die strenge Abgasnormen erfüllen, verschiedene Antriebs- und Kraftstoffstrategien, Elektrifizierung, autonomes Fahren und nicht zuletzt der Einsatz Künstlicher Intelligenz, um die Arbeit auf dem Feld komplett ohne Fahrer erledigen zu können.

Deutliche Umsatzsteigerungen

Das tun die Hersteller natürlich nicht aus Gutmenschentum. Sie wollen mit ihren Unternehmen Geld verdienen. Das ist legitim und der Plan ist aufgegangen: Nahezu alle deutschen Produzenten können für die zurückliegenden Jahre zweistellige Umsatzsteigerungen vermelden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Die Exportquote der deutschen Landmaschinenindustrie beträgt durchschnittlich 75 %. Sie entwickeln deshalb ebenso für Märkte mit anderen, flächenmäßig meist größeren Agrarstrukturen.

Wie die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt lockt die Agritechnica auch viele Gäste, die nur schauen, aber niemals kaufen werden. Sie sind von der Technik begeistert, müssen sich jedoch keine Gedanken über die Wirtschaftlichkeit ihrer landwirtschaftlichen Betriebe machen.

Neuheiten: Immer positiv?

Leider hat sich in der Landtechnik der gleiche Virus breitgemacht, wie in der Automobilbranche: Alles, was möglich ist, wird angeboten. Damit erzeugen die Marketingabteilungen einen Bedarf, von dem die Käufer oft selbst nicht ahnten, dass es ihn gibt. Mein Lieblingsbeispiel ist der elektrische Fensterheber im Auto. Meinen habe ich inzwischen mindestens dreimal reparieren müssen. Dabei tut es eine einfache Kurbel auch.

Nicht bezahlbar!

Das Fatale an dieser Entwicklung: Die einfachen Lösungen verschwinden und die Preise erreichen zum Teil astronomische Werte. Wenn der aktuelle 210-PS-Vierzylinder einer Hightech-Marke in Vollausstattung 330  000 € kosten soll, frage ich mich, ob ein durchschnittlicher Betrieb das noch leisten kann? Die Deckungsbeiträge haben sich jedenfalls nicht so rasant nach oben entwickelt.

Mit einem wachen Auge

Sicher, wer Hightech auf dem Acker neben der harten Arbeit auch als Ausgleich betrachtet, dem sei ein solches Schmuckstück gegönnt. Wer jedoch eine Maschine sucht, die klar definierte Arbeiten erledigen soll, muss mit einem wachen Blick über die Messe gehen. Maßstab ist dann, ob die zusätzlichen technischen Möglichkeiten dem Betrieb wirklich nützen und ob der Anwender auch bereit ist, sich durch das letzte Untermenü im Bordrechner zu arbeiten.

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