Kommentar

Rote Gebiete: Dickes, rotes Ende?

Die EU-Kommission wirft Deutschland eine fehlerhafte Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete vor. Schlimmstenfalls könnten sich die roten Gebiete verdoppeln.

Das Drama könnte mit einem Knall weitergehen: Die EU-Kommission wirft Deutschland vor, die nitratbelasteten Gebiete kleingerechnet zu haben. Und fordert Anpassungen. In NRW könnten sich die roten Gebiete verdoppeln – und viele Landwirte wären über Nacht von verschärften Düngeauflagen betroffen, ohne mehr gedüngt zu haben und das Hin und Her der Kulisseneinteilung nachvollziehen zu können.

Gebietsausweisungen mehrfach geändert

Die Lage: Im März 2020 hat Düsseldorf die ­Methode zur Gebietsausweisung geändert. Die nitratbelastete Fläche sank von 42 auf 19% bzw. 303.000 ha. Das lag am besseren Zustand der Grundwasserkörper und der neuen Binnendifferenzierung durch Modellierungen. Dieses NRW-Verfahren war Vorbild für die bundesweite Vorschrift für nitratbelastete Gebiete. Sie kam im September 2020. Auf den letzten Drücker stellte NRW einen Tag vor Silvester die feldblockscharfen Karten vor: Plötzlich waren 350.000 ha und somit 22% der Fläche rot. Der Aufschrei war groß. Im Februar dann die Überraschung: Durch den neuen Nährstoffbericht umfasst die finale Kulisse der roten Gebiete nur 165.000 ha bzw. 11% der Fläche. Einige Flächen sind wieder grün, andere wechselten zu oder blieben rot.

Seit Juli gibt es neue Unsicherheit. Die EU-Kommission kritisiert die deutsche Gebietsausweisung. Die Binnendifferenzierung sowie Modellierung habe die roten Gebiete zu stark verkleinert. Sie droht mit 850.000€ Strafe – pro Tag.

Das Hin und Her um Grundwassermessstellen sowie nitratbelastete Gebiete geht weiter – und könnte NRW hart treffen. (Bildquelle: Borgmann)

Bund und Länder nehmen die Kritik nach eigener Aussage sehr ernst. Doch vor allem schieben sie sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Nachfragen beantworten das NRW-Ministerium sowie das Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium unkonkret. Vielleicht, weil die alte Bundesregierung kein echtes Interesse an dem unangenehmen Thema hat? Dabei ist gerade sie gefordert, die Gebietsabgrenzung zu erläutern und zu belegen, dass diese korrekt und rechtskonform ist. Das haben Verantwortliche immer betont – eben weil Nachfragen kommen konnten. Genauso müssen die Brüsseler Beamten wissenschaftliche Berechnungen auch anerkennen.

Insider befürchten, dass Bund und Länder die Gebietsabgrenzungen ändern müssen. Da sich in NRW die Binnendifferenzierung und Modellierung stark ausgewirkt hat, könnten sich die roten Gebiete schlimmstenfalls verdoppeln. Genauso schlagartig dürften sich dann die Diskussionen um die Messstellen verschärfen. Denn Landwirte zweifeln, ob alle funktionsfähig und aussagekräftig sind. Gutachten bestätigen diese Zweifel.

Aufklärung und Transparenz für Landwirte

Um es klar zu sagen: Landwirte wollen sauberes Grundwasser. Wo Landwirtschaft zu Belastung führt, muss es Einschränkungen geben. Aber die Entwicklungen sind nicht mehr nachvollziehbar: Wenn eine Kulisse ohne große Änderungen binnen weniger Monate von rot auf grün auf rot wechselt, schürt das Zweifel. Und wenn Betriebe verschärfte Düngeauflagen bekommen, weil eine kilometerweit entfernte und womöglich zweifelhafte Messstelle belastet ist, die sie selbst aber nicht beeinflussen können, erzeugt das Frust. Landwirte fordern zu Recht Transparenz und Aufklärung. Schnell und verständlich.

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