Kommentar

Agrarpolitik: Austausch, kein Aufbruch

Chefredakteur Patrick Liste kommentiert den Deutschen Bauerntag, der vergangene Woche in Münster stattfand.

Lautstarke Pfiffe gab es auf dem Bauerntag in Münster, allerdings im Jahr 2001. Da warb Landwirtschaftsministerin Renate Künast für eine „Agrarwende“. Grüne Politik und landwirtschaftliche Praxis prallten aufeinander.

Heute heißt der Agrarminister Cem Özdemir und das Reizwort „Transformation“. Vergangene Woche war wieder Bauerntag in Münster. Da bekam ­Özdemir (Grüne) zwar keine Buhrufe, aber auch nur sachten Anstandsapplaus. In 22 Jahren hat sich offenbar nichts Grundlegendes geändert.

Heimspiel für Wüst

Gepunktet hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). In seinem Heimspiel umgarnte er die Landwirte: Sie würden die Versorgung sichern, überzogene Pflanzenschutz- und Düngeauflagen dürfe es nicht geben. Er wusste, was er sagen musste – und tat es: sachlich und authentisch. Dafür gab es stehende Ovationen.

Özdemir stellt sich Diskussion

Selbst Özdemir lobte Wüsts Rede. Dem Bundesagrarminister selbst muss man anrechnen, dass er sich der Diskussion mit Landwirten stellte – das taten nicht alle Vorgänger. Und er blieb länger als geplant. Inhaltlich gab es aber wenig Neues: Özdemir unterstützt die Brüsseler Pläne zur Halbierung des Pflanzenschutzes, will aber keine Total­verbote in sensiblen Gebieten. Er feiert den Start des Haltungskennzeichens und will es ausweiten.

Keine Aufbruchstimmung

Mit der Rhetorik eines Politprofis verkauft er seine Ideen und münzt Kritik in „Rückenwind für seine Arbeit“ um. Aufbruchstimmung erzeugte das bei den Delegierten aber nicht. Vielmehr fürchten sie, dass viele Betriebe aussteigen, zum Beispiel durch das Aus der Anbindehaltung oder die Vernässung von Mooren.

Gesprächsfaden darf nicht abreißen

Einzelne wünschten sich daher eine „Blut­grätsche“ gegen den Minister. Doch davon riet Joachim Rukwied ab: Der Bauernpräsident formulierte zwar klarer als vergangenes Jahr seine Forderungen an Özdemir, aber immer mit Maß und Respekt. Denn es nütze nichts, wenn der Gesprächs­faden abreiße. Das stimmt. Allerdings: Özdemirs Staatssekretärin Silvia Bender spricht auch gerne mal schärfer, der Minister beschwichtigt dann wieder. Diese Taktik könnte auch für den Bauernverband eine kluge Variante sein.

In seiner guten Grundsatzrede ordnete Rukwied die Bedeutung der Landwirtschaft in die Weltlage ein. Er pochte auf die Versorgungssicherheit der deutschen Bevölkerung durch heimische Landwirte. Und machte klar, dass die Berliner und Brüsseler Politikpläne diese Sicherheit gefährden und neue Abhängigkeiten entstehen.

Nicht alle überzeugt vom Zukunftsbauer

Hängen blieben von der Rede die großen Herausforderungen, vor denen Landwirte stehen. Das zeigen auch die Berichte in den Medien. Das Thema des Bauerntages „Perspektiven schaffen – Zukunft bauen“ blieb vielfach unbeantwortet. Auch der erste Zwischenbericht vom „Zukunfts-Bauer“ sorgte nicht für Aufbruchstimmung. Trotz guter Beispiele zeigt sich, wie langwierig die Umsetzung ist – und, dass nicht alle überzeugt sind.

Lob für guten Austausch

Vermutlich bleibt der Bauerntag 2023 in Münster nicht so markant in Erinnerung wie 2001. Das ist aber nicht schlimm. Denn viele Vertreter aus Landwirtschaft, Wirtschaft und Politik lobten den guten Austausch. Das ist wichtig. Und bringt am Ende vielleicht doch nachhaltig etwas.

Lesen Sie mehr:

Wie der aktuelle Schweinepreis zustande kommt, wie es um das Angebot steht und was Partnerschaften ausmachen – darüber diskutierten Praxis, Beratung und Unternehmensvertreter am Dienstag in Vechta.

Kontrovers: Vier Ansichten zur Landesregierung

Zwischenbilanz: 365 Tage Schwarz-Grün in NRW

von Gisbert Strotdrees

Alles in Butter in NRW? So wirken Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur auf diesem Foto, entstanden vor wenigen Tagen in Duisburg. Entspricht es der Lage im Land?