Kontrovers: Vier Ansichten zur Landesregierung

Zwischenbilanz: 365 Tage Schwarz-Grün in NRW

Alles in Butter in NRW? So wirken Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur auf diesem Foto, entstanden vor wenigen Tagen in Duisburg. Entspricht es der Lage im Land?

Cornelia Langreck (Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes):

Als Westfälisch Lippischer Landfrauenverband liegt uns das Thema Ernährung und Klimaschutz und vor allem auch die sozialen Aspekte der Menschen in unserem Bundesland am Herzen.

Beim Thema Ernährung und Klimaschutz hat sich die Landesregierung mit einer ganzheitlichen Ernährungsstrategie für das Land auf den Weg gemacht. Es geht darum, eine ausgewogene Ernährung, die mit der Umwelt und dem Klima in Einklang steht und positive Auswirkungen auf Umwelt, Artenvielfalt und Tierwohl hat. Das Augenmerk liegt auf der Außer-Haus-Verpflegung, zum Beispiel in Kantinen und Mensen. Regiona­lität und Saisonalität werden mitgedacht, aber durch weggebrochene Liefer- und Verarbeitungsketten ausgebremst. Die Ansätze sind lobenswert, in der Umsetzung jedoch sehr langfristig und komplex. Wir wünschen uns mehr Ernährungsbildung für Kinder und Jugendliche, um mit dem Wissen um Lebensmittel und deren Verarbeitung Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Die Politik muss unserer Meinung nach aufpassen, dass vor lauter Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht unsere Landwirtschaft und noch mehr Beteiligte in der Wertschöpfungskette für Lebensmittel verloren gehen. So wichtig Klimaziele sind: Eine Landwirtschaft, die CO2-neutral wird, weil sie nicht mehr vorhanden ist, kann nicht mehr zur Ernährungssicherung beitragen.

Weiter vermissen wir den politischen Blick und die Unterstützung auf unsere Kinder und Jugendliche und auf alte und kranke Menschen. Der Investitionsstau und Personalmangel in Schulen, Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen macht uns große Sorgen! Hier fehlt politisches Engagement.

Hubertus Beringmeier (Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes):

Die Zusammenarbeit mit der NRW-Landesregierung, insbesondere mit Ministerin Silke Gorißen, läuft nach unserer Einschätzung sehr gut. Wir stehen in engem Austausch über die Belange und Herausforderungen der Landwirtschaft. Die Ministerin ist tief in den landwirtschaftlichen Themen, nimmt unterschiedliche Sichtweisen nach sachlicher Bewertung auf und trägt diese an die Landes- und Bundespolitik heran. Darüber hinaus schätzen wir sehr, dass Frau Gorißen vielfach auf den Betrieben und den landwirtschaftlichen Organisationen Einblicke in die Landwirtschaft nimmt, um Sachverhalte vor Ort mit den Betroffenen zu erörtern. Große Unterstützung haben wir insbesondere im Hinblick auf den Umbau der Tierhaltung erfahren. Die Zusammenarbeit mit der Fachebene ist durchweg gut.

Einen überaus guten Austausch haben wir darüber hinaus mit der NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, die uns bei entsprechenden Anliegen sehr engagiert unterstützt und in ihrer Arbeit die ­Belange der Landwirtschaft im Blick hat.

Im Hinblick auf die Erneuerbaren Energien ermöglicht die Abschaffung der Abstandsbeschränkungen zur Wohnbebauung den Ausbau der Windenergie. Darüber hinaus erhoffen wir uns im Bereich der Umweltpolitik, die Kontakte ins Ministerium zu intensivieren und sind überzeugt, dass Landwirtschaft mit Blick auf die drängenden Herausforderungen in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz sowie der Biodiversität eine Schlüsselposition hat.

Hans-Josef Vogel (Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW):

Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Stärkung des Klimaschutzes hat die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem ersten Amtsjahr viel getan und ein umfassendes Gesetzespaket vorgelegt, unter anderem den Entwurf des Landesentwicklungsplans, die Novelle der Landesbauordnung oder die Abschaffung des umstrittenen und höchst überflüssigen 1000-m-Mindestabstandes für Windenergieanlagen.

Jetzt muss es aber wesentlich schneller weitergehen. Der Landtag, die Regionen, die Kommunen, die Genehmigungsbehörden und wir alle sind gefordert, schnell zu entscheiden, um die demnächst vorliegenden Ge­setze wirklich in neue Projekte umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht und § 2 des novellierten Erneuerbaren-Energien-Gesetzes geben dabei die unverrückbare Richtung vor: Der Ausbau Erneuerbarer Energien steht im überragenden öffentlichen Interesse.

Wie sagte einst die Dortmunder Fußball-Legende Alfred Preißler so schön: „… entscheidend is’ auf’m Platz.“ Die Landesregierung sollte deshalb auch selbst weiterhin mit ­gezieltem Pressing am Ball bleiben.

Dirk Jansen (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband NRW):

Die angekündigte sozialökologische Erneuerung des Landes blieb bislang weitgehend aus. Zwar wird die jahrelange Blockade des Ausbaus der erneuerbaren Energien beendet. Dies wird aber nicht die schwere Klimaschutz-­Hypothek durch die Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler kom­pen­sieren können.

Auch der Flächenfraß zulasten von Natur und Landwirtschaft geht ungebremst weiter, eine überzeugende Klimaanpassungsstrategie des Landes fehlt. Impulse, die massive Biodiversitätskrise in den Griff zu bekommen, blieben bislang aus. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt die Zerschlagung des bisherigen Umweltministeriums. So stocken die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie und der Wasserrahmenrichtlinie, die notwendige Waldwende steht nicht einmal auf der Agenda.

Auch ein zweiter Nationalpark ist bisher nicht in Sicht. Immerhin hat das Landwirtschaftsministerium mit der Erarbeitung der seit Jahren überfälligen Pestizidreduk­tionsstrategie begonnen. Fazit: wenig Licht, viel Schatten.

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