Interview

Verbot des Tötens von Hahnenküken: Handel erhöht den Druck

Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, im Interview über das Verbot des Tötens von Hahnenküken.

Dieser Beitrag ist zuerst in der LebensmittelPraxis erschienen.

LebensmittelPraxis: Das Verbot ist in Kraft. Wie ist Ihre erste Einschätzung?

Friedrich-Otto Ripke: Ethisch ist das ein Fortschritt, den auch wir als die deutsche Geflügelwirtschaft begrüßen. In der Umsetzung sehen wir dies aber als einen Schnellschuss. Wir wollten eine europäische Lösung und keine rein deutsche.

LP: Setzt dieser Zeitplan die Geflügelbranche unter Druck?

Wir mussten uns sehr schnell vorbereiten. Die beiden Lösungswege, die sich anbieten, um das Gesetz zu vollziehen, konnten wir nicht so sorgfältig vorbereiten, wie es nötig gewesen wäre.

LP: Was sind die Probleme?

Zunächst zu den Selektionsverfahren zur Geschlechtsbestimmung: Entscheidend für uns ist die Praxistauglichkeit. Wichtig ist, dass ein Verfahren entwickelt wird, das einen hohen Durchsatz ermöglicht, eine hohe Treffsicherheit garantiert und mit dem das Geschlecht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Brut bestimmt werden kann. Ideal wäre ein Verfahren, das das Geschlecht schon vor der Brut erkennt. Aber davon ist die gegenwärtige Forschung noch weit entfernt. Beim zweiten Lösungsansatz, der Bruderhaltung, hatten wir aus dem Stand nicht die notwendige Stallkapazität. Neue Ställe werden in der Regel nicht oder schwer genehmigt, und alle Ställe werden von den Baubehörden nicht ohne Weiteres umgewidmet, sodass wir auch auf ausländische Kapazitäten ausweichen mussten.

LP: Erhöht der Lebensmittelhandel den Druck noch zusätzlich?

Der Lebensmittelhandel ist sehr stark eingestiegen auf Eier aus „Ohne-Kükentöten“-Lieferketten (OKT). Die meisten Supermarktketten haben tatsächlich bereits zum Jahreswechsel ihr Sortiment umgestellt. Meistens allerdings nur bei frischen Eiern. Eier in verarbeiteten Produkten kommen in vielen Fällen aus dem Ausland und werden weiter „mit Kükentöten“ produziert. Wir haben auch mit dem Lebensmittelhandel über den Kostendruck gesprochen und wollten eine Kostenbeteiligung in Form einer Branchenvereinbarung haben. Hier ist es leider nicht zur Unterschrift gekommen. Mein Fazit lautet hier: Der Druck ist hoch, die Kostenbeteiligung ist nicht ausreichend.

LP: Welche Wettbewerbsnachteile entstehen für die Geflügelwirtschaft?

Im Rahmen des freien Warenverkehrs innerhalb der EU bringt das Gesetz deutliche Wettbewerbsnachteile für die heimische Geflügelwirtschaft mit sich. Die Wettbewerbsnachteile für die heimischen Brütereien sind jetzt und in den nächsten Jahren enorm. Das Gesetz schränkt die deutschen Brütereien wirtschaftlich immens ein, weil alle derzeit verfügbaren Alternativverfahren und Lösungsansätze unverhältnismäßig hohe Kosten mit sich bringen, die mit den derzeitigen Erlösen im Eierhandel nicht zu decken sind. Zugleich stehen die deutschen Brütereien im Wettbewerb mit Brütereien aus dem EU-Ausland, die weiter ganz legal ohne diese Einschränkung produzieren können und dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil genießen.

LP: Wie denken Sie über die Zukunft?

Ich glaube, wir werden für die Zukunft beide Lösungswege haben. Die Brudermast wird für diejenigen der Lösungsweg sein, die das Töten von Embryonen ablehnen. Wenn wir die Geschlechtsbestimmung als zweiten praktikablen Lösungsbeitrag sehen, müssen wir die Eier nicht ausbrüten und die männlichen Küken nicht mehr töten. Das ist ja das Ziel, das wir alle gemeinsam verfolgen und wofür wir nach Möglichkeit bald ein Verfahren in der Praxis haben, das sehr früh, am besten vor Brutbeginn, das Geschlecht bestimmt. Dann kann die Geschlechtsbestimmung die entscheidende Lösung werden, und wir können damit auch in der Welt Vorreiter sein.

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