Geschlechtsbestimmung im Ei

Ei, Ei, Ei - was seh ich da?

Seit Anfang des Jahres dürfen Eintagsküken in Deutschland nicht mehr getötet werden. Zwei Jahre lang ist die Geschlechtsbestimmung im Ei noch über den 6. Bruttag hinaus erlaubt.

Doch was dann? Mindestens drei Brütereien in Deutschland sollen ihre Arbeit bereits eingestellt haben. Auch für alle anderen ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. Nur in einer zu Lohmann Deutschland gehörenden Brüterei in Dorum/Landkreis Cuxhaven ist bislang die Geschlechtsbestimmung im Ei etabliert. Das dort angewandte Verfahren findet am 13. Bruttag statt. Um die Hahnenembryonen in den aussortierten Eiern zu betäuben, wurde eine spezielle Methode entwickelt. Durch das Einführen von Elektroden in das Ei wird die Eiflüssigkeit kurz unter Strom gesetzt.

Übersicht der verschiedenen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung. (Bildquelle: Waterloh)

Farbunterschied der Federn

„Cheggy“, so der Name des Geschlechtsbestimmungsverfahrens, funktioniert nur bei Braunlegern. Die Hähne dieser Legelinien sind nämlich weiß befiedert. Der farbige Unterschied der Federkiele wird beim Durchleuchten der Eier von einer Hyperspektralkamera erkannt. Ein Plus ist die Bestimmung des Geschlechtes ohne anschließende Analyse und damit ohne Wartezeit. Auch werden keine weiteren Materialien wie Nadeln oder Testkits benötigt. Außerdem bleibt das Ei intakt.

Jörg Hurlin ist Geschäftsführer des Unternehmens Agri Advanced Technologies (AAT), das die Methode entwickelt hat. Was Hurlin vor allem überzeugt, ist die hohe Schlagkraft und die Praxistauglichkeit. „Das ist eine robuste Technik mit einer hohen Stundenleistung wie sie in einer großen Brüterei benötigt wird“, erklärt er. Die Maschine müsse nach dem Einsatz gewaschen und desinfiziert werden können.

Küken teurer

Der Kükenpreis erhöht sich aufgrund dieser Methode um 1,20 € pro Küken und soll damit deutlich günstiger sein als bei Geschlechtsbestimmungen, die auf der Entnahme von Allantoisflüssigkeit ­beruhen.

In Kürze will Lohmann sein Angebot auf Weißleger ausdehnen. Dann soll auch das Verfahren „Ella“ seinen Betrieb in Dorum aufnehmen. Es ist die Entwicklung des niederländischen Unternehmens „In Ovo“ und muss sich erst im Praxiseinsatz beweisen (Details siehe Übersicht). Wie jedes andere momentan zum Einsatz kommende Verfahren wird es jedoch nach aktueller Gesetzgebung in Deutschland ab 2024 nicht mehr anwendbar sein.

Darum verwundert es nicht, dass alle anderen Maschinen zur Geschlechtsbestimmung im Ei im benachbarten Ausland rotieren. Wie viele deutsche Brütereien ihren Betrieb noch aufgeben werden, bleibt abzuwarten. Von manchen hört man: Wir kaufen die Küken jetzt im Ausland. In den Niederlanden wie auch in Ungarn ist das Kükentöten weiterhin erlaubt. Den Ausstieg aus dem Kükentöten planen Frankreich und Italien. In Österreich dürfen Küken weiterhin zu Futterzwecken getötet werden.

Nach der Geschlechtsbestimmung: Aus diesen Eiern schlüpfen Hennen. (Bildquelle: Waterloh)

Prof. Rudolf Preisinger von der EW-Group schätzt, dass ab diesem Jahr etwa Zweidrittel aller Hähne aufgezogen werden. Wenn man die von der KAT kontrollierten 84 Mio. Legehennen zugrundegelegt, bedeutet dies, dass rund 28 Mio. Hähne nicht aufgezogen und demnach vorab durch die Geschlechtsbestimmung im Ei aussortiert werden müssen. Auch für KAT-Betriebe im Ausland ist das Kükentöten nämlich verboten. Grob kalkuliert sind dafür etwa 70 Mio. Bruteier im Jahr zu untersuchen.

Die Analysen kosten Zeit

Bei den Verfahren von Seleggt, Plantegg und auch Ella ist der Durchsatz schon durch die sich anschließen­den Analysen beschränkt. Auch werden laufend Verbrauchsmaterialien benötigt.

Und dann ist da noch die Genauigkeit, mit der das Geschlecht bestimmt werden kann. Sie ist je nach Verfahren unterschiedlich und auch Schwankungen unterworfen. Bei einer Genauigkeit von 97 % schlüpfen bei 10  000 Eiern immerhin 300 Hähne. Und ein Huhn, das fälschlicherweise als Henne bestimmt wurde, aber als Hahn schlüpft, muss aufgezogen werden. Gleichzeitig fehlen damit Hennen, wodurch sich die Zahl der benötigten Bruteier erhöht.

Mehr Bruteier erfordern auch mehr Elterntiere. Bei ganz jungen sowie bei alten Elterntieren gibt es mehr Sexfehler. Eier älterer Hennen haben zudem dünnere Schalen, die bei einer Geschlechtsbestimmung eher zerbrechen. Und je kleiner das Ei, desto weniger Allantoisflüssigkeit ist vorhanden. Diese benötigt sowohl das Verfahren Ella sowie die Verfahren von Seleggt und Plantegg. Die Art der Probenahme ist bei den Verfahren gleich. Weil vor dem neunten Tag nur sehr wenig Allantoisflüssigkeit vorhanden ist, gelang es bis jetzt nicht, die Geschlechtsbestimmung früher durchzuführen.

Wie geht es also weiter?

„Stand heute müssen ab 2024 alle Hähne aufgezogen werden, wenn das Gesetz nicht geändert wird“, sagt Preisinger. Für das Frühjahr 2023 ist eine Evaluierung geplant. Bis dahin läuft auch ein von der Bundesregierung in Auftrag ge­gebenes Forschungsprojekt zum Schmerzempfinden des Embryos. Bislang konnte die Wissenschaft noch keine eindeutige Aussage dazu treffen, wann das Schmerzempfinden des Embryos beginnt.

Brütereibetreiber Burkhard Brinkschulte aus Senden hat sich mittlerweile mit der Situation arrangiert. In Kooperation mit 14 Landwirten werden alle bei ihm schlüpfenden Hähne aufgezogen. Die dadurch entstehenden Kosten von 4 € muss der Käufer zusätzlich zum regulären Junghennenpreis zahlen. Die aktuell angewendeten Verfahren der Geschlechtsbestimmung finden nach Meinung Brinkschultes zu spät statt und sind für ihn daher aus ethischen Gründen nicht akzeptabel. Anders sähe es seiner Meinung nach um den vierten Bruttag herum aus. „Dann sind lediglich Nervenbahnen zu erkennen“, sagt er. Dass so ein Verfahren bis 2024 praxisreif ist, glaubt er jedoch nicht. Was er hingegen kommen sieht, ist eine deutliche Marktverschiebung, zunehmender Bezug von Legehennen im Ausland und ein sinkender Selbstversorgungsgrad mit Eiern.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Wochenblatt Ausgabe 7.

Zum Kommentar:

Das Geschlecht eines Kükens vor dem Schlupf zu bestimmen erschien vor einigen Jahren noch unvorstellbar. Inzwischen ist viel erreicht worden.