Kontrovers

Hält sich der Wolf an den Dienstweg?

Wölfe dürfen unter bestimmten Voraussetzungen geschossen werden – diese Entscheidung der Umweltminister aus Bund und Ländern wird in den Medien rege kommentiert.

Badische Zeitung
Geht es dem Wolf an den Kragen? Das braucht auch nach dieser Umweltministerkonferenz kein Liebhaber dieses Raubtiers befürchten. Das dort verabschiedete Regelwerk, das Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „Zeichen der Versöhnung“ im Glaubenskrieg pro und contra Wolf feiert, ist so vielstufig wie kompliziert.
Die „Entnahme“ eines Problemwolfes, wie der Abschuss beschönigend genannt wird, soll künftig bis zu drei Wochen lang nach einem Riss in maximal 1000 m Entfernung von der Rissstelle möglich sein und auch dann nur, wenn in einer „zuvor festgelegten Region mit erhöhtem Rissvorkommen“ eine Abschussgenehmigung ausgestellt worden ist. Bleibt zu hoffen, dass der Wolf sich hübsch artig an den Dienstweg hält und der Bürokratie nicht mit der ihm eigenen Wildheit ein Schnippchen schlägt.

Westfälische Nachrichten
Womit hatte die Politik eigentlich gerechnet, als sie den Wolf – ganz ohne natür­liche Feinde und mit höchstem Schutzstatus – um die Jahrtausend­wende wieder in den Wäldern heimisch werden ließ? Dass er sich nützlich macht, Beeren sammelt oder bloß Rotkäppchen erschreckt? Natürlich folgt er seiner Natur – und reißt Weidetiere, die der Mensch ­später nutzen will.
Erst nach zwei Jahrzehnten kommt der Beschluss, dass Problemwölfe unkomplizierter geschossen werden dürfen. Immerhin und endlich.
Bevor alle zur Jagd blasen – in NRW lebt nur 1 % der Tiere. Wenn aber Wölfe zum Problem werden und Zäune überwinden, wie zuletzt „Gloria“ im Westmünsterland, müssen sie ins Visier geraten.

Freie Presse
Je größer die Anzahl der Wölfe wird, umso häufiger kommt es zu Übergriffen auf ­Weiden. Immer mehr Risse von Schafen, Ziegen, aber auch Kälbern und Fohlen ­setzen die Tierhalter unter Druck. Neben den verletzten und getöteten Tieren, die sie aufsammeln müssen, kommen noch jene hinzu, die infolge der Wolfsangriffe aus­brechen. Das sorgt verständlicherweise für viel Frust.
Was inzwischen klar ist: Die zum Schutz empfohlenen Zäune scheinen längst nicht immer ein Hindernis darzustellen, wie aus der Landwirtschaft und Jägerschaft immer wieder zu hören ist.
Weil der Ärger und Protest zuletzt immer lauter wurden, musste die Politik auch ­reagieren. Mit der Möglichkeit, Wölfe nach Rissen schneller abschießen zu können, kommen Bund und Länder den Tierhaltern ein Stück weit entgegen. Dem Beschluss zu Schnellabschüssen werden weitere Schritte folgen müssen. Und irgendwann wird auch die EU-Kommission den strengen Schutzstatus überarbeiten müssen, weil die Populationen hinreichend groß sind. Daten dafür sammelt Brüssel ja inzwischen. Denn auch in anderen EU-Ländern macht der Wolf längst Probleme.

Norddeutscher Rundfunk (NDR)
Wölfe, die Schafe und Rinder reißen, sollen schneller geschossen werden. Für mich ist das ein Erfolg, aber gleichzeitig auch nur der erste Schritt. Es kommt jetzt darauf an, dass bald etwas passiert. Es darf nicht bei Worten, Erlassen und Absichtsbekundungen bleiben.
Dass sich die Länder und der Bund jetzt überhaupt auf diesen Weg geeinigt haben, das ist bemerkenswert. Sowohl Bundesumweltministerin Lemke als auch elf von 16 Landesumweltministern sind Grüne. Sie haben eine Lösung in der Frage mit voran­getrieben. Es dürfte ihnen schwer­gefallen sein. Denn mit diesem Beschluss ist klar: Eine streng geschützte Art wird künftig bejagt werden. Das tut der grünen Seele sicherlich weh. Und doch haben die Minister zugestimmt. Das muss man anerkennen.
Nun wird es auf die Details ankommen. Laut Beschluss sind problematische Wölfe solche, die – so wörtlich – zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwinden. Aber was genau bedeutet „zumutbar“?
Dann die Frage: Wie werden die Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen festgelegt? Was passiert, wenn der Wolf 2 km außerhalb dieser festgelegten Region zuschlägt und die nächste Schafherde angreift, die fachgerecht geschützt war? Auch hier ist Augenmaß gefragt. Das alles muss zudem so rechtssicher wie möglich sein. Es wird Klagen geben. Naturschützer werden vor Gericht ziehen. Möglicherweise auch Weide­tierhalter, denen zeitlich und örtlich begrenzte Wolfsabschüsse zu wenig sind. Es kommt also noch jede Menge Arbeit auf die Landesregierung zu.

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