Erntebilanz

Schwierigste Ernte seit Jahrzehnten

Vor dem Regen waren im Rheinland bereits 70 % des Getreides geerntet, in anderen Regionen standen noch 70 % Weizen auf dem Feld. Eine erste Bilanz.

Große Erwartungen, dann ein enttäuschendes Ergebnis“, so bilanzierte Ministerin Silke Gorißen am Montag bei der Ernte-Pressekonferenz des Landwirtschaftsministeriums auf dem Gut Marienfelde der Familie Hogen in Titz die Getreiderente. Die war laut Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer, „in diesem Jahr herausfordernd und wurde für viele Betriebe zu einem Geduldsspiel“. Ursache seien die extremen Witterungsverhältnisse, die zu deutlichen Ertragsunterschieden und Einbußen in der Qualität geführt haben.

Werring zufolge gab es 2023 drei solcher Wetterphasen. Zunächst bis in den Mai hinein ein nasses und kühles Frühjahr, das die Befahrbarkeit der Flächen und damit Düngung und Pflanzenschutz erschwert habe. Auf die darauf schlagartige Trockenheit seien die Pflanzen aufgrund zu geringer Wurzelbildung nicht genügend vorbereitet gewesen. Hinzukamen Regenfälle während der Haupterntewochen ab Ende Juli. Allerdings stellt Werring deutliche Unterschiede zwischen den Regionen fest. In allen Landesteilen war die Wintergerste weitgehend vor der Regenphase abgeschlossen, so dass dafür belastbare Zahlen vorliegen. Mit 8,1 to/ha und guten Qualitäten sei das Ergebnis überdurchschnittlich. Bei Winterweizen schwanken die Erträge zwischen Totalausfällen und 9 t/ha auf Flächen, die vor Mitte Juli gedroschen wurden. Hier macht Werring Unterschiede in den Druschzeitpunkten und Regionen aus. So hätten bis zu Beginn der Regenphase im Rheinland 70 % abgeerntet werden können, während im Münsterland, Ostwestfalen, am Niederrhein und in den Höhenlagen noch 70 % des Weizens auf dem Feld gestanden habe.

Nach Aussagen von Ministerin Gorißen zählt die Ernte 2023 „zu den schwierigsten, die NRW in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat“. Auch wenn Menge und Qualitäten bei Weizen gelitten haben und das Getreide keine Backqualität erreicht, sei die Versorgung gesichert. Auch würden die Getreidepreise in diesem Jahr „keine Inflationstreiber sein“. Diese „gute Nachricht für die Verbraucher“ sei aber keine „gute Nachricht für die Erzeuger“. Denn in den Betrieben träfen niedrigere Preise und Erträge auf kaum gesunkene Kosten für Betriebsmittel. Gorißen sieht daher ihre Aufgabe darin, „den Betrieben einen verlässlichen Rahmen zu schaffen“, etwa bei den Agrarumweltmaßnahmen, aber auch einem kooperativen Ansatz beim Reduktionsprogramm für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Von der Witterung haben Werring zufolge die noch zu erntenden Sommerfrüchte wie Kartoffeln, Mais oder Zuckerrüben profitiert. Genaues könne man erst sagen, wenn die Ernte vorbei ist.

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