Gaststätten auf dem Land

Hülsenbusch: Eine Genossenschaft betreibt die einzige Dorfkneipe

Die letzte Kneipe im 850-Seelen-Dorf Hülsenbusch sollte schließen. Einwohner kamen dann auf eine ungewöhnliche Idee, die am Ende das ganze Dorf verändert hat.

Das Wort „Gewinnausschüttung“ wird in Hülsenbusch sehr wörtlich genommen, zumindest in der dortigen Dorfkneipe. Denn die Gaststätte in dem 850-Seelen-Dorf im Bergischen Land wird von einer Genossenschaft betrieben – und wenn sich dort die Anteilseigner einmal im Jahr zur Hauptversammlung treffen, um die Bilanzen in Augenschein zu nehmen, dann nehmen sie auch ihre Gewinnausschüttung entgegen: ein paar Glas ­Freibier. Das Wort von der „Genossenschaft“ bekommt da gleich einen ganz neuen Klang.

„Pro Anteilsschein von 100 € kann man da auf eine gute Rendite kommen“, erzählt Andreas Döhl schmunzelnd. In seinem „richtigen Leben“ ist er Abteilungsleiter bei einem mittelständischen Elektronikunternehmen. In der Freizeit engagiert er sich bei der Gaststätte ­Jäger eG. Das Kürzel „eG“ steht dabei für „eingetragene Genossenschaft“. Eine Gruppe Unentwegter hat die dörfliche Genossenschaft ins Leben gerufen, um die Schließung der einzigen Gaststätte im Ort zu verhindern.

Ein ungewöhnliches Modell

Ähnliche Initiativen gibt es vielerorts im Land. Aber in Hülsenbusch ist etwas Entscheidendes anders: Die dortige Genossenschaft „Gaststätte Jäger eG“ tritt nicht als Eigentümerin, sondern als Pächterin der Dorfkneipe auf, die sich nach wie vor in Privatbesitz befindet. Anfangs habe es Überlegungen gegeben, die Gaststätte als Verein zu übernehmen, erzählt uns Andreas Döhl, einer der Initiatoren der „Kneipenretter“. Auch Pachtlösungen standen im Raum, haben sich aber rasch zerschlagen.

Der jetzige Weg deutete sich an, als jemand auf den Dorfladen in Thier bei Wipperfürth hinwies, der von einer eigens gegründeten Genossenschaft betrieben wird. „Diesen Grundgedanken fanden wir sehr charmant“, erinnert sich Döhl. Nach Kontakten mit dem Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband erarbeiteten die Initiatoren eine Satzung und einen Finanzplan und klärten andere rechtliche Dinge. Röhl: „Als wir fertig waren, haben wir zu einer Gründungsveranstaltung in der Schützenhalle geladen. Wir hatten 30 Leute erwartet, gekommen sind über 100! Und schon am ­selben Abend waren 17  000 € Startkapital ­gezeichnet – deutlich mehr, als wir erhofft und erwartet hatten.“

Die Hülsenbuscher Genossen starteten mit ­einem Thekendienst von 27 Leuten. „Jetzt sind es 55 – immer zwei Leute zusammen haben Thekendienst und sind etwa einmal im Monat dran“, berichtet Döhl. Die Gaststätte ist an fünf Tagen in der Woche ab 18 Uhr und bis etwa 22 oder 23 Uhr geöffnet. „Wenn der Thekendienst eher aufhören möchte, weil nur wenige da sind, gibt es eine Last-Order-Klingel – danach ist dann Schluss.“

„Wir trinken uns unser Dorf schön“

Besonders groß ist die Gaststätte nicht. „Wenn 50 Gäste da sind, ist es gut gefüllt“, erzählt Döhl. Trotzdem sei natürlich einiges zu tun: Angefangen von der Thekendienstplanung und den Bestellungen über die Prüfungen durch den Genossenschaftsverband bis zum „ganzen Steuerkram“, so Döhl – „es ist ja nicht nur eine Wirtschaft, sondern auch ein Wirtschaftsunternehmen“.

Doch der Einsatz scheint sich für alle zu lohnen. Dank der eG konnte die Gaststätte gesellschaftlicher Treffpunkt im Ort bleiben – und zu einem Motor der Dorfentwicklung werden. Die erwirtschafteten Gewinne werden nicht einfach nur „ausgeschüttet“, sondern vor allem auch in Kultur investiert. Mit dem Geld werden Musikkonzerte, Märchenabende oder auch eine sommerliche Open-Air-Veranstaltung „Musik zwischen Kirche und Kneipe“ auf die Beine gestellt. Döhl: „Weil alle wissen, was mit den Gewinnen passiert, geht in der Gaststätte das augenzwinkernde Motto um: ,Wir trinken uns unser Dorf schön!‘“

Das Modell zieht seine Kreise
Die Jäger eG hat weitere Impulse aus­gelöst. Es sei Bewegung im Ort, sagt Döhl, es gebe kaum Leerstand, „die Dorfmitte ist eindeutig gestärkt“. So ist dort ein kleiner Markt entstanden, und nach dem Modell der Jäger eG entstand wenig später eine neue Genossenschaft, die ein Ärztehaus trägt – es ist im Sommer 2020 in Hülsenbusch eröffnet worden.
Das Modell hat sich inzwischen herumge­sprochen. Es war bereits Vorbild für ähnliche Initiativen:
– Die „VolksWirtschaft Lindenhof“ in Bär­stadt im Niedertaunus wird seit 2019 von einer eG mit 170 Mitgliedern betrieben.
– Der Siegtaler Hof in Herchen bei Windeck an der Sieg, zwischen Siegen und Bonn, wurde im Mai dieses Jahres eröffnet.
– Im November 2022 öffnete die genossenschaftliche Gaststätte Zum Hohl in Gummersbach-Deringhausen ihre Pforten.
Döhl: „Wir denken schon über die Gründung eines Netzwerkes der Genossenschafts-Gaststätten nach, in dem wir unsere Erfahrungen austauschen.

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