Wenn alle schließen, machen wir wieder auf“, dachten Henrik und Johannes Meese eines Abends im Herbst 2018. Der Beschluss fiel, demokratisch, einige Tage später beim Familienabendessen: Der Gasthof Meese in Beesten (Emsland) wird wiederbelebt.
Zuvor stand der Betrieb 17 Jahre lang still. „Die Kneipe hat sich schlichtweg nicht mehr gelohnt“, sagt Familienvater Jürgen Meese. „Ich hatte eine junge Familie mit drei kleinen Kindern zu Hause, und der Gasthof warf keinen einzigen Cent mehr ab.“ Zu diesem Zeitpunkt, 2002, gab es im näheren Umfeld der kleinen Gemeinde noch vier Kneipen. Trotzdem war es nicht einfach, den Gasthof zu schließen, erinnert sich Mutter Annette Meese. Schließlich hatten Jürgens Vorfahren den Familienbetrieb schon 1888 gegründet und von Generation zu Generation weitergegeben.
Zwei zu drei überstimmt
16 Jahre nach der Schließung, beim besagten Familienabendessen, mischten die beiden Juniors der Familie, Johannes (25) und Henrik (22), die Karten neu. Die Idee war einfach: Weil es keine Kneipe mehr in Beesten gab, sollte ihr Gasthof wieder eröffnen. Die Öffnungszeiten sollten sich auf das Wochenende beschränken, da alle fünf Familienmitglieder berufstätig waren. Nach einigen Diskussionen stimmte die Familie ab. Mit drei zu zwei überstimmten die Männer die Frauen. „Mir war klar, dass Teile des Wochenendes nun immer geklaut sein würden“, erinnert sich Tochter Katrin (26). Auch Annette machte sich Gedanken: „Ich wusste nicht, wie sich das Familienleben verändern würde.“ Trotz verlorener Abstimmung zogen die Frauen bei der Wiedereröffnung mit. Denn eins war klar: Es funktioniert nur gemeinsam.
Helfer über Helfer
Ein paar neue Lampen und einen Anstrich später eröffnete der Gasthof am 31. August 2019 wieder. Die Freude bei den Beestenern war groß. „Die Anwohner unterstützen uns sehr, schlichtweg dadurch, dass sie kommen“, sagt Jürgen Meese. Die Familie wechselte sich am Wochenende mit „Kneipendienst“ ab. Der Betrieb kam wieder in Gang.
Doch nun hatte die Familie Feuer gefangen. Als ein vermieteter Teil des Hauses, in dem früher einmal Jürgens Mutter wohnte, frei wird, entstand eine weitere Idee: Ein Saal für Feierlichkeiten soll her – und das mitten zur Corona-Hochzeit. „Die Wohnung mussten wir ohnehin kernsanieren“, sagt Johannes. „Da hatten wir alle Möglichkeiten, etwas Neues zu schaffen.“
Im Januar 2022 begann die Familie, mittlerweile mit Katrins Freund Marcel Hofhus, mit der Sanierung: Von Wände rausreißen über neue Stahlträger einziehen. Um Kosten zu sparen, erledigten die Meeses alles was sie konnten selbst – mit einigen Unterstützern. Freunde aus dem Kartenclub, Fußball-Mannschaftskameraden, Bekannte und Verwandte werkelten zehn Monate lang mit. „Insgesamt waren über 50 Helferinnen und Helfer bei uns“, sagt Henrik. „Die Bereitschaft, mit anzupacken, war riesig.“
„Mut zur Lücke“
Und es hat sich gelohnt: Seit Oktober vergangenen Jahres ist der helle, moderne Saal fertiggestellt. In dem ebenerdigen Raum finden 110 Leute einen Sitzplatz. „Unsere größte Veranstaltung war bislang eine Boßelparty mit 120 Menschen“, erzählt Johannes. „Die Gruppengröße variiert aber stark, je nach Event.“ So finden im neuen Festsaal auch Kommunionen, Geburtstage und Beerdigungen statt. Um das zu stemmen, haben Meeses mittlerweile vier 520-€-Kräfte eingestellt. „Manchmal muss man Mut zur Lücke haben und Risiken eingehen“, sagt Jürgen Meese bestimmt. „Jetzt muss nur noch unsere Terrasse hinterm Saal pünktlich zum Schützenfest fertig werden, dann läuft der Laden.“
Der 52-jährige Berufssoldat will sich in den nächsten drei bis vier Jahren aus Kneipe und Saalbetrieb herausziehen: Sein ältester Sohn will den Zapfhahn in die Hand nehmen. „Wir sind mit dem Kneipenwesen aufgewachsen und haben das einfach von Papa ins Blut bekommen“, sagt Johannes. Seit 1888 wird die Kneipe dann, abgesehen von der kurzen 17-jährigen Pause, traditionsgemäß in die nächste Generation übergehen – gegen alle Trends.
Lesen Sie mehr: