Kommentar

Volks-Wirtschaft: Gemeinsam gegen das Kneipensterben

Jede dritte Kneipe hat in den letzten zehn Jahren dichtgemacht. Auf dem Land gibt es viele Initiativen, die sich diesem Trend entgegenstemmen. Eine gute Idee? Und ist sie immer von Erfolg gekrönt?

Kennen Sie Nieheim? In dem Landstädtchen im Ostwestfälischen gab es vor Jahren acht Gaststätten. Heute sind es nur noch zwei – und die haben allenfalls am Wochenende geöffnet.

Nieheim ist überall. Diesen Eindruck bestätigt der Hotel- und Gaststättenverband. Nach seinen jüngsten Zahlen hat allein im zurückliegenden Jahrzehnt gut ein Drittel (!) der Gaststätten hierzulande dicht gemacht.

Viele Gründe für das Kneipensterben

Ist die Zeit der Wirtshäuser und Kneipen also vorbei? Haben TV und Computer, WhatsApp und E-Mails die zufällige, ungeplante Begegnung bei Cola und Bier ersetzt, die sommerliche Runde im Biergarten oder auch das gemeinsame Essen-gehen mit Familie, Freunden oder Nachbarn?

Für das Kneipensterben gibt es viele Gründe: ­Corona, Personalmangel, Inflation, ungeklärte Nachfolge, gestiegene Ansprüche der Gäste – um nur einige zu nennen. Doch klar ist auch: Es tut einem Dorf auf Dauer nicht gut, wenn außer fürs Wohnen und fürs Arbeiten kein Raum mehr bleibt für krachende Feste und öffentliche Debatten – oder einfach für ein entspanntes Gespräch. Jedem Dorf, jeder ländlichen Kleinstadt fehlt ­etwas, wenn es keinen Ort mehr gibt für Stammtische und Vereine, für Theater und Karnevalsfest, wenn es nicht einmal mehr einen Raum gibt für einen Beerdigungskaffee.

Anfangs Euphorie, aber dann...

Es gibt also viele Gründe, wenn Initiativen sich engagieren, um die örtliche Kneipe zu retten. Anfangs herrscht dann allseits Euphorie, die beflügelt. Aber rasch folgt Ernüchterung – wenn es bei der Renovierung nicht so recht weitergeht, wenn die Vertragsverhandlungen sich zäh in die Länge ziehen und vor allem: wenn nach dem Ansturm der ersten Wochen die Gäste langsam ausbleiben.

Eine Familie im Emsland sowie zwei dörfliche Genossenschaften im Münsterland und im Bergischen Land haben es dennoch gewagt. Ihre drei Modelle, eine Gaststätte wieder auf Vordermann zu bringen, erkunden wir in den „Einblicken“ des Wochenblattes hier:

– Hülsenbusch im Bergischen Land: Eine Genossenschaft betreibt die einzige Kneipe im Dorf

– Darup im Münsterland: "Wir kaufen unsere Dorfkneipe"

– Beesten im Emsland: Zurück mit der Kneipe, gegen alle Trends

– Hintergrund: Die Krise der Gaststätten: Ein Drittel hat aufgegeben

Unter „Kultur und Freizeit“ (Folge 17/2023, ab Seite 70) wird außerdem eine Bürgerbrauzunft vorgestellt, die sich in Nieheim zusammengefunden hat, um das dortige Biermuseum aufzupeppen.

Die vorgestellten Initiativen unterscheiden sich voneinander und haben doch einiges gemein: Die Beteiligten nehmen den abstrakten Begriff der „Volkswirtschaft“ beim Wort. Sie packen an und haben alle auch Phasen der Ernüchterung überstanden. Das erfordert viel Kraft, Zeit und gute Ideen. Aber es zahlt sich aus, wenn auch nicht immer in Geldscheinen. Und: Es wirkt belebend – für jeden Einzelnen und für die Dörfer.