Friedhofskultur

Grabpflege auf zehn Jahre begrenzt

Schlichte Rasengräber bringen Trauernde in Konflikte. Sie dürfen meist keine Kerzen oder Blumen abstellen. In Drolshagen soll eine neue Grabform das Problem lösen.

Zu Hause ist das eigentlich jedem klar: Je mehr Sammelsurium herumliegt, desto länger dauert das Putzen. Auf dem Friedhof vergessen das viele Menschen anscheinend. Diese Erfahrung macht Stefan Alterauge. Seit rund 18 Jahren sorgt er für ein gepflegtes Erscheinungsbild auf dem Friedhof der Gemeinde St. Clemens ins Drolshagen, Kreis Olpe. Das Areal ist rund 25  000 m2 groß. Alterauge hält die Wege instand, stutzt Hecken und Bäume, kehrt Laub. Das geht mit guten Maschinen fix. Was richtig Zeit frisst, ist das Rasenmähen. Genauer gesagt, das Aufräumen, ehe der Friedhofsgärtner damit beginnen kann.

Mit Kerzen, Blumen, Engelsfiguren und anderen Mitbringseln bringen Angehörige am Grab ihre Verbundenheit zum Ausdruck – auch wenn das Ablegen dieser Gegenstände auf Rasengräbern oft nicht erlaubt ist. (Bildquelle: contadora1999/stock.adobe.com)

Immer mehr Rasengräber

Rund 560 Rasengräber gibt es auf dem Drolshagener Friedhof zurzeit. Pro Jahr kommen 25 bis 30 hinzu. Sie machen inzwischen ein Drittel aller neuen Gräber auf dem Friedhof aus. „Diese schlichte Grabform gibt es bei uns seit etwa 15 Jahren. Ursprünglich wollte die Gemeinde damit ein kostengünstiges Angebot für Menschen schaffen, die sich ein teures Wahlgrab nicht leisten können oder die niemanden haben, der es nach ihrem Tod pflegt“, berichtet Stefan ­Alterauge. Was der Kirchenvorstand nicht ahnte: Ein Großteil der Drolshagener Familien wählte im Trauerfall fortan ein schlichtes Rasen­grab. Dabei spielt einerseits der günstige Preis eine Rolle. Andererseits auch die Aussicht, sich die nächsten 30 Jahre nicht um das Grab kümmern zu müssen. Diese Pflicht scheuen viele.

Nur zehn Jahre pflegen

Die Nutzungsdauer von 30 Jahren ist in der Friedhofssatzung festgelegt. Die Mindestruhezeit wird von den Friedhofsträgern in Abhängigkeit von der regionalen Boden­beschaffenheit gewählt und sollen sicherstellen, dass ein Leichnam innerhalb der Frist verwest. Auf deutschen Friedhöfen werden Gräber im Durchschnitt für knapp 25 Jahre vergeben, in NRW meist für 25 bis 30 Jahre.

„Bei einem Grab ohne Gestaltungsmöglichkeit ist

Blick auf eine parkähnlich gestaltete Rasengrabfläche auf dem Drolshagener Friedhof. In den Boden eingelassene Gedenktafeln erinnern an die Namen der Verstorbenen. (Bildquelle: Alterauge)

das Ablegen von Blumen und das Aufstellen von Grablichtern für die Angehörigen nicht möglich. Das hat im Nach­hinein leider oft zu Enttäuschung und Irritationen geführt“, sagt Thomas Stupperich vom Vorstand der Kirchengemeinde St. Clemens. Die Rasengrabflächen sind schlicht gehalten, teilweise mit Bäumen bepflanzt. Jedes Grab trägt eine flache Natursteinplatte mit dem Namen des Verstorbenen. Gedenkkerzen können an der Friedhofskapelle aufgestellt werden, nicht auf den Gräbern. Viele Hinterbliebene kommen in den ersten Jahren nicht gut mit diesen Regeln zurecht.

Im vergangenen Jahr hat die Kirchengemeinde auf die Konflikte reagiert und eine neue Grabform zugelassen: das Grab mit Teilpflege. Dort können Angehörige zehn Jahre selbst für Bepflanzung und Grabschmuck sorgen. „Die Grabstätte kann im ersten Abschnitt von den Hinterbliebenen frei gestaltet werden wie bei einer klassischen Grabstätte. Auch ein Grabmal oder eine Gedenktafel können errichtet werden“, so Thomas Stupperich vom Kirchenvorstand. Nach Ablauf der Zeit wird die Grabstätte abgeräumt und mit Rasen eingesät. Sie bleibt aber als einzelne Grabstätte erhalten und mit dem Namen des Verstorbenen versehen. Wer ein Doppelgrab erwirbt, kann die eigene Pflegezeit über die zehn Jahre hinaus verlängern, wenn die zweite Grabstelle einige Jahre später als die erste gebraucht wird.

„Wir erhoffen uns davon auch weniger Rückgaben von Wahlgräbern an die Gemeinde“, erklärt Friedhofsgärtner Stefan Alterauge. Denn das stellt ebenfalls eine Heraus­forderung dar: Angehörige können oder wollen die Grabpflege nicht mehr leisten und geben ihr Nutzungsrecht vorzeitig zurück. Die Friedhofssatzung lässt das zu. Dann werden die Wahlgräber eingeebnet, die Randsteine entfernt und die Flächen ohne namentliche Kennzeichnung mit Rasen eingesät. Durch die nicht planbaren Rückgaben von Grabstellen ist auf dem Friedhof ein Flickenteppich entstanden“, berichtet der Friedhofsgärtner. Die Reihen der bepflanzten Gräber sind von Rasenstückchen unterbrochen. Anders sieht das bei den neuen Teilpflege-Grabstätten aus. Sie werden von Anfang an auf größeren Feldern angelegt, aus denen nach und nach eine zusammenhängende Rasenfläche entsteht.

Das kosten die Grabstätten

Im Landesdurchschnitt kostet ein Sarg-Wahlgrab mit einer Nutzungsdauer von 30 Jahren auf städtischen Friedhöfen in NRW rund 3100 €. Ein Urnen-Wahlgrab kostet rund 1300 €. Das hat der Bund der Steuerzahler anhand der Gebühren von 30 Städten mit mindestens 100  000 Einwohnern im Jahr 2022 ermittelt.

Laut Gebührensatzung der Drolshagener Kirchengemeinde St. Clemens fallen für die Grabformen auf ihrem Friedhof folgende Kosten für 30 Jahre Nutzungsdauer an:

  • Erdgrabstätte ohne Gestaltungsmöglichkeit – 2710 €,
  • Reihengrabstätte mit 10-jähriger Teilpflege durch Angehörige und 20-jähriger Pflege durch die Kirchengemeinde – 2280 €,
  • Wahlgrabstätte mit zwei Erd­gräbern – 2340 €
  • Wahlgrabstätte mit 10-jähriger Teilpflege und 20-jähriger Pflege durch die Kirchengemeinde – 3940 €.

Was Bestatter sagen

Ob die neue Grabform von den Drolshagener Familien angenommen wird, hängt auch von den Bestattern ab. Denn sie sind die erste Anlaufstelle für die Angehörigen im Trauerfall. Der Drolshagener Bestatter Christian Burghaus berichtet, dass das neue Teilpflege-Modell von seinen Kunden genutzt wird. Auch er selbst hat es bei der Bestattung seines Vaters ­gewählt. „Mein Vater wollte auf keinen Fall ein Rasengrab. Daher haben wir uns in der Familie für ein Teilpflege-Grab entschieden“, berichtet er. Das Drolshagener Bestattungsunternehmen Wigger hat auch das Alter der Hinterbliebenen bei der Beratung zu den Grabformen im Blick. „Wenn die Angehörigen selbst schon Ende 50 sind, erscheinen zehn Jahre Grabpflege für sie gut machbar.“

Der Friedhofsgärtner sagt: „Unsere Kirchengemeinde hat leider nur begrenzte Möglichkeiten, die Familien im Trauerfall zu erreichen und die Grabformen zu erklären.“ Dabei sieht er hier großen Beratungsbedarf, damit die Entscheidung für eine Grabform tragfähig ist und auf dem Friedhof wieder Frieden einkehrt.

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