Pfarrerin Susanne Absolon erinnert sich noch gut an einen Besuch mit einigen Kindern auf dem Friedhof. Ein Junge war sichtlich beeindruckt vom stattlichen Grabmal einer alteingesessenen Versmolder Familie. Der große Grabstein, die üppige Bepflanzung und die schiere Größe der Grabstätte: All das machte Eindruck. „Die müssen ihre Verwandten aber lieb gehabt haben“, meinte er. Susanne Absolon kam mit ihm ins Gespräch darüber, wie sich Wertschätzung gegenüber Verstorbenen zeigen kann. Das Grab ist für sie ein Weg, aber nicht der einzige.
Seit 25 Jahren ist die Pfarrerin im Dienst, seit fast zehn Jahren in Versmold im Kreis Gütersloh. Susanne Absolon weiß, dass eine große Grabstätte viel Arbeit macht. Hecken und Sträucher müssen in Form gehalten werden. Bei vielen Gräbern ist eine jahreszeitliche Bepflanzung vorgesehen und in heißen Sommern geht es nicht ohne regelmäßiges Gießen.
Flickenteppich Friedhof
Auf dem Friedhof der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde zeigt sich: Menschen denken heute anders über ihre letzte Ruhestätte als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Zahl der Erdbestattungen nimmt jedes Jahr ab. Aktuell sind es nur noch rund 40 % der jährlich 180 Beerdigungen. Ein neues Urnenfeld, der „Lutherhain“, war bereits nach vier Jahren voll.
„Damit hätten wir nicht gerechnet“, sagt Bettina Klinksiek. In ihrem Büro an der Petri-Kirche ist sie Ansprechpartnerin für alle Friedhofsangelegenheiten. Regelmäßig wird sie gefragt, ob sich ein Familiengrab verkleinern lässt. Wenn die frei werdenden Plätze zugänglich sind, ist das kein Problem.
Neben ihrem Schreibtisch hängt ein großer Belegungsplan. Er gleicht einem Flickenteppich. Freie Gräber sind rot markiert. Sie sind über das ganze Areal verstreut. Das Flächenmanagement gehört zu den größten Herausforderungen auf allen Friedhöfen.
Wenn das Unkraut sprießt
Klagen über verunkrautete Gräber landen meist bei den angestellten Friedhofsgärtnern. „Wir erwarten, dass die Hecken einmal im Jahr geschnitten werden und das Grab sauber gehalten wird“, erklärt Bettina Klinksiek. Ganz schnell bekommen die Nutzungsberechtigten aber keinen Brief. „Wir schreiben an, wenn das Unkraut einen halben Meter hoch wächst oder ein Weg nicht mehr passierbar ist.“ Tut sich dann innerhalb von vier Wochen immer noch nichts, folgt die „Androhung“ der Pflege durch die Friedhofsgärtner, mit anschließender Rechnung. Das letzte Mittel ist, das Nutzungsrecht an der Grabstelle zu entziehen. Entscheidet das Presbyterium so, wird das Grab abgeräumt.
„Noch vor 15 oder 20 Jahren war es selbstverständlich, dass sich die Familien selbst um die Grabpflege kümmern“, sagt Bettina Klinksiek. Heute sind häufiger Friedhofsgärtner im Einsatz, weil Familienmitglieder weit entfernt leben, beruflich stärker eingebunden sind oder die Aufgabe Profis überlassen möchten. Immer mehr Menschen wünschten sich deshalb ein pflegeleichtes Grab oder schlössen selbst Verträge über eine Dauergrabpflege ab.
Die rechtliche Seite
Hubertus Schmitte kennt die rechtliche Seite des Themas Grabpflege. Als Justiziar des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) hat er bereits Hunderte Hofübergaben begleitet. Die Musterverträge des WLV sehen vor, dass der Hofnachfolger oder die -nachfolgerin neben den Kosten für die Bestattung und die Erstanlage des Grabes auch die Grabpflege übernimmt. „Das ist kein Streitpunkt“, lautet Schmittes Erfahrung. Alles andere empfände der Jurist auch als unangemessen. Für ihn ist es „bäuerliche Tradition“, dass sich die Hoferben um das Familiengrab kümmern.
Rechtlich verpflichtet zur Grabpflege sind Hofnachfolger aber nur, wenn dies im Übergabevertrag so geregelt ist. Denn die Grabpflege gehört nicht zu den Beerdigungskosten, die der Erbe auch nach dem Gesetz übernehmen muss.
Wenn es Ärger gibt
Manchmal kommt es vor, dass Geschwister nicht damit einverstanden sind, wie der Hoferbe die Grabpflege durchführt. „Manche von ihnen engagieren sich dann mit der Faust in der Tasche“, sagt Hubertus Schmitte. Rechtliche Handhabe gebe es in solchen Fällen nicht. Denn so detailliert wird die Pflicht des Hofübernehmers nicht geregelt. Hubertus Schmitte rät, es gar nicht zu verhärteten Fronten kommen zu lassen. Vieles lasse sich im Gespräch regeln.
Wenn die Zeit knapp ist
Für Margret Hueske, Bäuerin aus Südlohn im Kreis Borken, ist ein gepflegtes Familiengrab sehr wichtig. „Wir haben von meinen Schwiegereltern so viel Unterstützung erfahren. Das ist der letzte Dienst, den wir leisten können“, sagt sie. Die Pflege des Grabes haben sie und ihr Mann gerade deshalb abgegeben. „Meine Zeit ist sehr begrenzt“, begründet die 60-Jährige. Auf dem Milchviehbetrieb der Familie ist sie stark eingebunden. „Einmal pro Woche nach dem Rechten zu schauen, das schaffe ich nicht.“
Landfrauen pflegen Gräber
Gleichwohl engagiert sie sich in der Grabpflege. Mit sechs weiteren Landfrauen kümmert sie sich um acht verwaiste Gräber. Siebenmal pro Jahr treffen sich die Landfrauen für zwei Stunden, um die mit Bodendeckern bepflanzten Grabstellen wieder in Ordnung zu bringen. Rund 40 solcher Gräber zählt der Friedhof in Südlohn. Die zuständige Zentralrendantur legt fest, wo die Ehrenamtlichen mit Hacke und Heckenschere zur Tat schreiten können. Bei einigen Gräbern sind keine Angehörigen mehr ausfindig zu machen, bei anderen handelt es sich um sogenannte Sozialbestattungen. Neben den Landfrauen engagieren sich weitere Gruppen aus der Gemeinde. „Wir wollen, dass der Friedhof gut aussieht“, sagt Margret Hueske.