Als Erntehelfer ins Ausland

Kanada: Viel mehr als Trecker fahren

Kanadische Gastlichkeit, riesige Maschinen und schier unendliche Weiten: All das erlebten zwei Junglandwirte aus dem Münsterland für drei Monate.

Über eine Snapchat-Gruppe startete das große Abenteuer von Patrick Zurhold und Axel Autmaring. In dem sozialen Netzwerk sahen die Junglandwirte aus Altenberge und Saerbeck Videos von Erntehelfern aus Kanada. Schnell stand für sie fest: Da ­wollen wir auch hin – am liebsten direkt nach dem Abschluss an der Höheren Landbauschule.

Bewerbung per WhatsApp

Bei einem Agrarservice auf Rügen hatten die beiden schon einmal zusammen ausgeholfen. Doch den passenden Betrieb und die Arbeitserlaubnis für Kanada auf eigene Faust zu organisieren, war eine größere Herausforderung.

Gespräche mit Berufskollegen waren in diesem Fall mehr wert als eine Austauschorganisation. Im Dezember 2022 bewarben sie sich schließlich bei zwei Farmen – per Whatsapp.

Start mit Verspätung

Als im Mai 2023 die Abschlussprüfungen anstanden, hatte Axel noch keine Einreiseerlaubnis. Die Fahrt stand auf der Kippe. Doch Mitte Juni war das Visum da. ­Patrick hatte eine Arbeitserlaubnis als Young Professional. Dafür musste er sein geplantes Arbeitsverhältnis nachweisen. Im August ging es dann über den Atlantik nach Saskatchewan.

Auf dem platten Land

Entschieden hatten sich die beiden für eine Familienfarm, denn von Kollegen wussten sie: Auf größeren Betrieben bleiben Erntehelfer oft unter sich. Patrick und Axel wollten aber das volle Programm – mit Familienanschluss.

Voller Familienanschluss: An langen Arbeitstagen essen alle gemeinsam auf dem Feld. Üblich ist das in Kanada nicht, auf dem Betrieb Palmer schon. (Bildquelle: Zurhold/Autmaring)

Auf ihrem Betrieb, 50 km von der Kleinstadt Estevan nahe der US-amerikanischen Grenze entfernt, arbeiteten sie direkt mit ihrem Chef und dessen Sohn zusammen. Hinzu kam ein Erntehelfer aus der Schweiz.

Football und Tontauben

„Unser Chef hat sich super viel Zeit genommen“, freut sich Patrick im Nachhinein. „Anfangs war das Wetter schlecht“, ergänzt Axel. So blieb genügend Freiraum zum Essen gehen, Tontauben schießen, Angeln und Football schauen mit der kanadischen Gastfamilie.

Untergebracht waren die deutschen Erntehelfer in großzügigen Wohncontainern. Die Verpflegung übernahmen sie selbst.

Die Ernte startet

Mitte August ging es dann zur ­Sache: Ohne Vorerfahrung durften die beiden Agrarbetriebswirte alle Maschinen bedienen – inklusive des Mähdreschers mit stolzen 13,7 m Arbeitsbreite.

Ganz viel PS: Besonders beeindruckend für die deutschen Erntehelfer waren die riesigen Maschinen in Kanada. Und sie durften alle fahren. Gab es auf dem Feld nichts zu tun, warteten Reparaturen und Bauprojekte auf dem Hof. (Bildquelle: Zurhold/Autmaring)

Ihr Vorteil: Aufgrund der geringeren Erträge kamen die Maschinen nicht auf die volle Auslastung. So traten nur ­wenige Probleme auf. Gab es doch etwas zu klären, half ein kurzer Austausch mit Chef und Kollegen per Whatsapp-Gruppe.

Extreme Wetterverhältnisse

„Unser Chef war nie gestresst“, ­berichtet Patrick. „Wenn etwas kaputt gegangen ist, hat er es immer mit Humor genommen.“ Und das, obwohl Grant Palmer rund 3500 ha Acker bewirtschaftet. Jedes Jahr drängt die Zeit, denn der Winter kommt früh: „Wir haben Ende ­Oktober die Ernte abgeschlossen“, erklärt Axel. „Vier Tage später fielen 20 cm Schnee und es standen –15 °C auf dem Thermometer.“

Fast nur Direktsaat

Gerste, Raps, Brotweizen und Hartweizen für die Grießproduktion: Diese Kulturen baut der Betrieb in Saskatchewan an, über­wiegend in Direktsaat inklusive Düngung. Nur nasse Löcher, die sogenannten „sloos“, werden hier vor dem Winter einmal mit der Scheibenegge bearbeitet.

Drei Tage vor der Aussaat setzt der Betrieb auf eine flächendeckende Glyphosatbehandlung, entweder mit der Selbstfahrer-Spritze oder sogar mit Flugzeugen – für deutsche Landwirte unvorstellbar. (Bildquelle: Zurhold/Autmaring)

Insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel

Und vor dem Dreschen kommt im Raps noch einmal Glyphosat zum Einsatz, um die Abreife zu beschleunigen. „In Summe sind es aber oft weniger Pflanzenschutzmittel pro Hektar als bei uns“, erklären Patrick und Axel. Denn in der Wachstumszeit kommen dann nur noch zwei Fungizide zum Einsatz.

Wasser auf der Fläche halten

Möglich machen das die geringen Niederschläge. Pro Jahr fallen etwa 250 mm Regen. Um möglichst viel davon auf dem Acker zu halten, lassen kanadische Landwirte die Stoppeln bei der Ernte etwas länger emporragen. So fangen sich dort im Winter die Schneewehen und schmelzen im Frühjahr auf der Fläche.

Nicht nur Ackern

Überrascht waren Patrick und Axel, dass sie in alle betrieblichen Entscheidungen einbezogen wurden. Und in alle betrieblichen Abläufe: Neben der Feldarbeit übernahmen sie kleinere Reparaturen und bauten gemeinsam mit ihrem Chef eine neue Werkstatt.

Der Hof vonGrant Palmer liegt im Bundesstaat Saskatchawan im Süden des Landes.Die kleinste bewirtschaftete Fläche ist rund 65 ha groß,die größteetwa 450 ha. (Bildquelle: Zurhold/Autmaring)

Von Bushel zu Hektoliter

Für ihre Arbeit hatten sie vorab einen Stundenlohn vereinbart. Mit den anderen Maßeinheiten war es etwas schwieriger. „Zoll, Bushels, Acres und Gallonen – man wusste einfach nie, was Sache ist“, lacht Patrick.

Hinzu kommt, dass in ­Kanada aufgrund der kurzen Vegetationszeit andere Erträge üblich sind. So ernten Landwirte dortnur rund 4,5 t/ha Gerste. Beim Raps sind es maximal 1,5 t/ha. Dafür sind einzelne Schläge bis zu 450 ha groß.

Gemeinsame Ausflüge

Viel Zeit auf der Straße verbrachten Patrick Zurhold und Axel Autmaring während der Arbeit nicht. Weniger als 7 Meilen fuhren sie zum entferntesten Feld.

Doch in ihrer Freizeit erkundeten sie auf Roadtrips die Gegend. Neben ihrer Gastfamilie lernten Patrick und Axel auch Erntehelfer von anderen Betrieben kennen. Gemeinsam unter­nahmen sie Ausflüge, zum Beispiel zum Bullriding.

Das Schneidwerk für den Transport abhängen? Nicht im ländlichen Kanada! Die kilometerlangen Schotterpisten sind dafürbreit genug. Regelmäßig werden sie mit „Gradern“ abgeschoben, damit keine Schlaglöcher entstehen. (Bildquelle: Zurhold/Autmaring)

„Fünf Stunden Fahrt zu einer Sehens­würdigkeit sind in Kanada Standard“, lacht Patrick. Dabei sind alle Straßen um die Farm herum nur Schotterpisten. „Die Gegend wirkt wie eine überdimensionierte Bauerschaft“, beschreibt er.

„Und nicht nur die Straßen und Maschinen sind riesig. Wir haben unterwegs Hirsche und Elche gesehen. Auch die sind größer als in Europa“, lacht Axel.

Rat für Reisefreudige

Wen nun ebenfalls die Sehnsucht nach einem Sommer in Kanada packt, für den haben Patrick Zur­hold und Axel Autmaring folgende Tipps:

  • Die ersten zwei bis drei Tage im Land sollte man für Erledigungen einplanen, zum Beispiel um ein Bankkonto einzurichten, Versicherungsdetails abzuklären und sich eine kanadische SIM-Karte für das Handy zu organisieren.
  • Patrick Zurhold bereiste im Anschluss an die Erntezeit noch die Westküste der USA. Ein krasses Kontrastprogramm zur Weite Kanadas, aber eine klare Empfehlung, wenn man schon einmal auf der anderen Seite des Atlantiks ist.
  • In ihren Augen entscheidend: Einen direkten Draht zum Betrieb herstellen und nicht alles von ­einer Organisation planen lassen. Und dann einfach los und sich nicht unnötig viele Gedanken ­machen!

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