Fleisch oder doch Fleischersatzprodukte?

Klassisch oder künstlich hergestellt? Mit Goldkante oder günstig vom Grill? Wie essen wir künftig Fleisch? Und welche Perspektiven haben fleischlose Alternativen?

Der Appetit auf Fleisch bleibt. Da sind sich Fachleute sicher. Aber wie essen wir künftig Steaks, Frikadellen und Würstchen? Das haben wir Kenner der Branche gefragt. Die Rolle von Landwirten verändert sich für die meisten von ihnen gravierend. Auch wenn sie auf bäuerliche Kompetenzen setzen.

Fleisch ja, aber anders hergestellt

Sven Gábor ­Jánszky, Zukunftsforscher und Autor

„Zwar werden wir in Europa in Zukunft etwas weniger Fleisch essen – allerdings in Form eines langsamen und sanften Rückgangs“, sagt Sven Gábor Jánszky. Der Zukunftsforscher meint, dass der „angebliche Anti-Fleisch-Trend oft überinterpretiert“ wird.

Nichtsdestotrotz warnt er davor, den weltweit wachsenden Fleischhunger künftig noch ausschließlich durch die natürliche Aufzucht von Kühen und Schweinen stillen zu wollen. „Die Emissionen würden unser Klima endgültig killen“, so Gábor Jánszky.

Dass wir in Zukunft Insekten am Spieß essen werden, hält er für großen Unsinn. „Unser Essen wird im Jahr 2030 nicht viel anders aussehen und schmecken als heute, aber es wird Veränderungen geben in der Art, wie es hergestellt wird, und bei dem, was drin ist.“

Großes Potenzial sieht der Leiter des Trend­forschungsinstituts „2b Ahead“ aus Leipzig in der Produktion von Proteinen aus kultiviertem Fleisch. Gábor Jánszky geht davon aus, dass es in ein paar Jahren viel billiger sein wird, kultiviertes Fleisch zu produzieren als natürlich gewachsenes. Dadurch könne man dann auch „die neuen Fleischbedarfe der milliardengroßen neuen Mittelschichten in Asien und Afrika“ decken.

„Alternativen müssen schmecken!“

Patrick Bühr, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei der Rügenwalder Mühle

„Wie und wie viel Fleisch wir in Zukunft essen, lässt sich nicht mit Gewissheit voraussagen. Laut unserer repräsentativen Studie mit mehr als 3000 Befragten kann sich bereits jeder zehnte Fleischesser vorstellen, in Zukunft auf vegetarisch oder vegan umzustellen, bei den Flexitariern sogar jeder vierte.

Was wir heute schon sehen: der Fleischkonsum sinkt. Gleichzeitig fordern die Verbraucher mehr Transparenz, was die Herkunft des Fleisches betrifft. Stichworte hier: Regionalität und Tierwohl.

Unser Geschmack und unsere Ernährungsweise werden sich weiterentwickeln, doch das braucht Zeit.

Für die Akzeptanz von Fleischalternativen ist Geschmack nach wie vor eine der wichtigsten Komponenten. Wer sich vegane Schinken­spicker statt der Fleischvariante aufs Brot legt, hat eine Erwartungshaltung, die erfüllt werden muss. Wenn wir beim Aussehen, der Textur, dem Geschmack oder auch bei der Produktbezeichnung zu stark vom Gelernten abweichen, fällt es Verbrauchern schwer, eine Vorstellung vom Produkt zu bekommen – die Abstraktionsleistung wäre zu groß. Ich gehe fest davon aus: Unser Geschmack und unsere Ernährungsweise werden sich weiterentwickeln, doch das braucht Zeit.

Wir stehen kultiviertem Fleisch ­offen gegenüber und sehen es als sinnvolle Ergänzung zu unserer Ernäh­rung. Daher unterstützen wir zwei Start-ups: RespectFarms beschäftigt sich mit zukünftigen Geschäfts­modellen im Bereich der zellulären Landwirtschaft. Und mit Mirai Foods arbeiten wir daran, den ersten Burger aus Pflanzenprotein und kultiviertem Fett auf den Markt zu bringen. Das Produkt enthält gerade so viel tierisches Fett, wie die Konsumenten brauchen, um den Geschmack und das Mundgefühl zu bekommen, das sie erwarten. Damit erreichen wir auch die Konsumenten, die aus geschmacklichen Gründen heute noch nicht auf Fleisch verzichten möchten.“

„Fleischessen ist kultivierter Genuss“

Fritz Gempel, Metzgermeister und Unternehmensberater mit Schwerpunkt Fleischbranche

„Fleischessen ist eine wesentliche kulturelle Prägung des Menschen – und das seit etwa zwei Millionen ­Jahren! Ganz sicher werden auch unsere Enkel und Urenkel noch Fleisch essen.

Realistisch gesehen, wird der Fleischverzehr in Deutschland weiter zurückgehen. Bis 2035 könnten aus den 52 kg pro Kopf etwa 45 kg werden. Treiber der Entwicklung ist eine große Koalition aus Fleischgegnern: vom Bundeslandwirtschaftsministerium angefangen bis hin zu Tierrechtlern und radikalen Klimaaktivisten.

Dass Fleisch zum Luxusgut wird, glaube ich aber nicht. Selbst wenn Fleisch in einigen Jahren 2 bis 3 € je kg mehr kostet, werden sich immer noch alle Menschen in Deutschland regelmäßig Fleisch leisten können.

Eine bessere Nutzung von Grünland als die mit Weidetieren gibt es nicht.

Das Essen von Fleisch ist ein Stück des Lebens in natürlichen Kreisläufen. Diese Kreisläufe heißen auf dem Acker „Boden-Pflanze-Tier“ und auf der Rinderweide „Aus Gras wird Milch und Fleisch“. Eine bessere Nutzung von Grünland als die mit Weidetieren gibt es nicht.

Was Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis angeht, empfehle ich meinen Kunden im Fleischerhandwerk, die Marktchancen dieser Produkte ergänzend zu nutzen. Dabei sollte jedoch immer der Genuss im Mittelpunkt stehen.

Fleischessen bedeutet für mich persönlich kultivierten Genuss. Daher lehne ich es auch ab, bei In-vitro-Fleisch von „kultiviertem“ Fleisch zu sprechen.

Es bleibt die freie Entscheidung jedes Einzelnen, zu essen, was er will und was ihm guttut. Unser größter Fehler ist, dass wir als große Mehrheit still den Kopf einziehen, wenn gegen das Lebensmittel Fleisch gehetzt wird.“

Lesen Sie mehr:

Das deutsch-niederländische Start-up "RespectFarms" will Landwirten eine Perspektive bieten und künftig kultiviertes Fleisch in umgebauten Ställen herstellen.​

Der Appetit auf Fleisch bleibt. Trotzdem werden Fleischersatzprodukte immer beliebter - nicht nur bei Vegetariern und Veganern. Wie passt das zusammen?

So schmeckt das Drucker-Steak

Fleisch aus dem 3D-Drucker: Medium rare, aber bitte vegan

von Marit Schröder

Wie geht eine Steakhaus-Kette mit dem sinkenden Fleischverzehr um? Indem sie Pflanzen-Steaks aus dem 3-D-Drucker auf die Karte setzt! Dahinter steht ein internationales Start-up mit Millionenumsatz.