Innen rot und saftig, außen kross gegrillt. Ein wenig grobes Meersalz, etwas bunter Pfeffer und ein Klecks kunstvoll verstrichene Portweinjus – die 150 g „Flank-Steak“ sind der Star auf dem hellen Teller. Erst der zweite Blick offenbart kleine Ungereimtheiten: Ist die Kruste nicht etwas zu knackig und kross für ein Steak? Sind die Fleischfasern nicht zu gleichmäßig angeordnet? Und: Ist der Fleischsaft nicht ungewöhnlich rot, ja gar etwas schaumig?
Die Ungereimtheiten haben ihren Grund. Denn das, was die Steakhaus-Kette „The Ash“ als „Redefine Meat Flank-Steak“ auf ihrer Karte führt, ist kein Steak vom Rind. Es ist ein Steak aus dem 3-D-Drucker.
Der Geschmack von Fleisch
Seit September 2022 bietet „The Ash“ an bundesweit elf Standorten das Fleisch aus dem 3-D-Drucker an. „Viele unserer Gäste mögen den Geschmack von Fleisch. Sie essen aus ethischen oder ökologischen Gründen bewusst weniger oder gar kein Fleisch“, sagt Benjamin Walter. Walter ist Marketing-Leiter bei „The Ash“. „Für die wollen wir etwas auf der Karte haben, das wie Fleisch schmeckt, aber kein Fleisch ist.“
Veganer und Vegetarier sind allerdings nicht die Hauptzielgruppe. „80 bis 90 % derer, die das 3-D-Fleisch bestellen, kommen extra deshalb zu uns“, sagt Walter. „Sie sind einfach neugierig.“ Preislich kann die vegane Alternative durchaus mit dem richtigen Flank-Steak mithalten. Runtergerechnet auf 100 g kostet das Stück aus dem Drucker 14,30 €, das aus dem Bauchlappen 14 €.
Die Fleisch-Drucker: "Redefine Meat"
Das Unternehmen, das die Steakhaus-Kette mit dem Drucker-Fleisch versorgt, nennt sich „Redefine Meat“ – was etwa so viel heißt wie „Fleisch neu definieren“.
Neben dem Flank-Steak druckt das Start-up an seinen Produktionsstandorten in den Niederlanden und Israel noch zwei weitere Produkte: „Tenderloin“, eine Art veganes Rinderfilet und „Striploin“, eine Rumpsteak-Alternative. Wie viele 3-D-Drucker an den beiden Standorten stehen, gibt Ulrich Strünck, der kaufmännische Leiter von „Redefine Meat“, nicht preis. Nur so viel: „Die Kapazitäten werden monatlich ausgebaut.“ Zusätzlich hat das junge Unternehmen noch eine breite Palette an Fleischalternativen im Sortiment, die nicht gedruckt werden – wie etwa vegane Alternativen zu Pulled Pork, Bratwurst und Hack.
In die Massenproduktion
„Redefine Meat“ will vor allem das Mundgefühl von Fleisch – die Textur und den Biss – möglichst gut treffen. Dazu ist in der „Druckertinte“ alles enthalten, was auch in einem richtigen Stück Fleisch drin ist: Protein, Fett und Fleischsaft. In der veganen Ausführung des Flank-Steaks liest sich die Zutatenliste allerdings so: Wasser, Pflanzliches Eiweiß (Weizen, Soja, Kartoffel), Pflanzliche Öle (Rapsöl, Sonnenblumenöl), Maisstärke, Weizenstärke, Weizenmehl, Kakaobutter, Maltodextrin, Aromen, Salz, Gerstenmalz, Gewürze, Farbstoffe, Trockengemüse und Kirschsaft.
Zusammengemengt als „Tinte“ werden die Zutaten im 3-D-Drucker Schicht für Schicht wie dünne Schnüre neben- und übereinander gelegt. Elf Patente hat „Redefine Meat“ auf den 3-D-Druckprozess von Fleisch. Je nach Produkt variiert vor allem das Verhältnis der pflanzlichen Proteine in der „Tinte“.
Bis 300 g Flank-Steak gedruckt sind, vergehen einige Minuten. Viel zu viele, findet Ulrich Strünck: „Wir sind noch nicht in der Massenproduktion. Um mit tierischen Produkten mithalten zu können, müssen wir effizienter werden.“ Daran arbeitet das Unternehmen täglich. 80 der insgesamt 300 Mitarbeiter arbeiten im Bereich Forschung und Entwicklung, 40 von diesen allein an der Drucker-Technologie und ihrer Skalierbarkeit.
Den Endverbraucher erreicht das Fleisch aus dem 3-D-Drucker nahezu ausschließlich über die Gastronomie – wie etwa das Steakhaus „The Ash“. Dort kommt das gedruckte Stück Fleisch nur noch auf den Grill, zum Nachgaren in den Ofen und wird dann immer „Medium rare“ serviert.
Ein Millionenmarkt
Dass „Redefine Meat“ mit dem Fleisch aus dem 3-D-Drucker einen Markt gefunden hat, zeigt ein Blick in die Zahlen: Mit den aktuellen Kapazitäten allein der Produktionsstätte in den Niederlanden können etwa 500 t pro Monat gedruckt werden – was einem zweistelligen Millionenumsatz pro Jahr entspricht. Zukünftig will das Unternehmen die Produktpalette aus dem Drucker noch erweitern: „Da sehen wir Potenzial“, sagt Strünck.
Auch die Fleisch-Drucker sehen dabei nicht Veganer oder Vegetarier als ihre Hauptzielgruppe. „Flexitarier sind für uns spannender – und die weitaus größere Gruppe“, sagt Ulrich Strünck. Dass er und „Redefine Meat“ sich von Kategorien wie vegan oder vegetarisch lösen, zeigt auch ein Forschungsfeld des Unternehmens: „Wir fragen uns zum Beispiel, ob es möglich ist, tierisches, im Labor gezüchtetes Fett mit unseren pflanzlichen Produkten zu verbinden.“
Hauptumsatztreiber ist das Drucker-Fleisch in der Restaurantkette „The Ash“ dagegen derzeit nicht. Insgesamt machen die vegetarischen Gerichte dort 5 bis 7 % vom Umsatz aus. Das vegane Flank-Steak reiht sich in der Kundenbeliebtheit deutlich hinter veganen Alternativen zu Huhn oder den fleischlosen Burger-Pattys ein. Marketing-Chef Benjamin Walter sagt: „Vegane Produkte werden nie unser Kerngeschäft werden.“
Mehr Sonntagsbraten
Krankt ein Steakhaus denn nun unter dem sinkenden Fleischkonsum? „Nein, gar nicht“, sagt Walter. „Er spielt uns sogar in die Karten!“ Denn, so seine Überzeugung, den harten Kern der Fleischesser wird es immer geben. Fleisch werde aber nicht mehr täglich auf den Teller kommen. „Die Leute essen lieber einmal ein gutes Stück Fleisch, das vielleicht auch einen Euro mehr kostet. Bei uns ist Fleisch kein Massenprodukt, sondern etwas Besonderes. Etwas, das man sich ab und zu gönnt.“
Auch ist Walter davon überzeugt, dass sich in den kommenden Jahren die Konkurrenzsituation auf dem Markt für Fleischalternativen stark ändern wird. „Ja, das Flank-Steak aus dem 3-D-Drucker hat einen Fleischgeschmack, es hat die Haptik von Fleisch. Aber: Es schmeckt nicht wie Steak. Und das erwartet aktuell auch keiner. Das wird in zehn Jahren anders sein“, ist er sich sicher.
Eine Einschätzung, die in ähnlicher Form auch Ulrich Strünck von „Redefine Meat“ teilt: „Fleisch wird wieder mehr Sonntagsbraten und weniger Massenprodukt sein“, sagt er.
Und, wie hat es geschmeckt?
Ehrliche Antwort: Naja. Am ehesten ist das Drucker-Steak für mich vergleichbar mit Lamm. Aber: Die Struktur war im Vergleich zu anderen Fleischimitaten schon besonders. Ich bin gespannt, ob es der Geschmack in ein paar Jahren auch ist. - Marit Schröder, Redakteurin
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