Wisent-Wahnsinn beenden

Die Wisente sind wieder im Sauerland unterwegs, fressen Kühen das Futter weg und schädigen Bäume. Wenn nichts passiert, wird sich die Herde in drei Jahren verdoppeln auf dann gut 80 Tiere.

"Was wird uns zugemutet? Wie kann man diesen Wahnsinn beenden?“ Diesen Hilferuf eines Landwirts aus dem Schmallenberger Ortsteil Schanze veröffentlichte kürzlich die „Siegener Zeitung“ (SZ). Denn die im Rothaargebirge freigesetzte Wisentherde hält sich derzeit wieder vermehrt im Hochsauerlandkreis auf und fühlt sich laut Zeitungsbericht „offenbar auf dem satten Grün im Bereich des Schanzer Skiliftes pudelwohl“. Das wiederum führt dazu, dass der betroffene Landwirt „die Schnauze total voll“ hat, wie er es in drastischen Worten an die SZ formulierte. Denn das Futter sollten eigentlich seine Kühe fressen.

Wer trägt den Schaden?

Von neuen Wisentschäden in seinem Wald berichtet auch Hubertus Dohle, einer der Sauerländer Waldbauern, der gegen den mittlerweile insolventen Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein erfolgreich geklagt hat. Die Schäden melde er weiterhin dem Verein, zudem dem Siegener Landrat Andreas Müller. „Wer die Schäden erfassen wird, weiß ich noch nicht“, sagte Dohle dem Wochenblatt. Die von Ursula Heinen-Esser, Moderatorin des „Runden Tisches“, zum Wisent-Projekt ins Spiel gebrachten Forstämter wüssten dazu noch nichts.

Für Dohle steht fest: „Wir befinden uns immer noch in der Freisetzungsphase des Wisent-Projektes, die zwischen dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, dem Wisent-Verein und der Wittgen­stein-Berleburg’schen Rentkammer in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbart wurde.“ Was der Waldbesitzer nicht versteht: „Nur weil ein Vertragspartner, sprich der Wisent-Verein, aufgrund von Insolvenz raus ist, sind die anderen vier doch noch in der Pflicht.“

Reines „Wunschkonzert“

Die Empfehlungen des „Runden Tisches“ betrachten er und Waldbesitzer Georg Feldmann-Schütte, der ebenfalls geklagt hatte, als „Wunschkonzert“. Alles, was dort vorgeschlagen worden sei, hätte laut Vertrag schon längst umgesetzt werden müssen, sind sich beide einig.

Das Geheimnis ist gelüftet: Die freilebenden Wisente sollen im Rothaargebirge bleiben. Allerdings soll die Herdengröße von aktuell gut 40 Tieren auf 20 bis 25 Tiere gesenkt werden.​

Zur Realität gehört, dass die Zeit drängt. Denn es „ist davon auszugehen, dass sich die Herde alle drei Jahre verdoppelt“ heißt es in einem Eckpunktepapier, dass zur Entwicklung eines Herdenmanagementplanes im Rahmen des Runden Tisches ausgearbeitet wurde. Laut SZ soll darauf auch Johannes Remmel, zweiter Moderator des „Runden Tisches“, in einer nicht öffentlichen Sitzung vor Bad Berleburger Kommunalpolitikern und Vertretern der Stadtverwaltung hingewiesen haben.

Fakt ist, dass der Kreistag in Siegen in seiner letzten Sitzung Landrat Müller beauftragt hat, alle notwendigen Schritte einzuleiten, um möglichst zeitnah mit geeigneten Partnern eine neue leistungsfähige Projekt- und Trägerstruktur für die Fortführung des Wisent-Projektes zu bilden. Seitens des Kreises wird erwartet, dass sich die Stadt Bad Berleburg an den mit der Fortführung des Projekts entstehenden Aufwendungen in gleicher Höhe wie der Kreis, sprich 50 %, beteiligt. Dies wird allerdings in Bad Berleburg äußerst skeptisch gesehen. Mit Spannung ist daher die nächste Ratssitzung am 30. Oktober zu erwarten.

Das sagt das Land

Auf Nachfrage des Wochenblattes beim NRW-Umweltministerium hieß es von dort: „Das Ministerium unterstützt die Suche nach einer rechtssicheren und artenschutzfachlich-basierten Lösung. Die Empfehlungen des Runden Tisches sind noch keine abschließende Entscheidung. Daher werden wir jetzt zunächst die Entscheidungen in den zuständigen politischen Gremien im Kreis Siegen-Wittgenstein und im ebenfalls betroffenen Hochsauerlandkreis abwarten, der am Runden Tisch bisher nicht beteiligt war. Die aufgeworfenen Punkte müssen noch einer rechtlichen, haushalterischen und naturschutzfachlichen Überprüfung und Bewertung unterzogen werden, deren Ergebnisse nicht vorweggenommen werden können.“

Das sagt der Waldbauernverband NRW

  • Dr. Heereman, nach Bekanntwerden der Empfehlungen des „Runden Tisches“ haben Sie gesagt: „Das Wisent-Projekt ist gescheitert.“ Wie begründen Sie dies?

Das Projekt im ausgewiesenen ­Gebiet (mit FFH-Buchenwald-Anteilen) ist nicht nur gescheitert, es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Hierbei handelt es sich nicht um „heilbare“ vertragliche wie administrative Versäumnisse oder gar übliche Startschwierigkeiten. Bei diesem Projekt liegt ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler vor. Eine Tierart der offenen Wald-Landschaft sollte besser nicht in ein räumlich abgeschlossenes Waldgebiet ausgesetzt werden. Die Wanderbewegungen der Herden ins „grüne“ Schmallenberg oder die tierische Erkenntnis, dass Buchenrinde „schmeckt“, sind doch keine Betriebsunfälle der besonderen Art, sondern fast zwangsläufige Folge der Biotopauswahl. Daher macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, dieses Projekt mit noch mehr Zeit und Geld am Leben zu (er)halten. Es sei denn, man stellt die Existenz der Buchenwälder in deren jetziger Form generell infrage und hofft auf ein sich bildendes neues Biotop, frei nach dem Motto „Was der Biber kann, kann der Wisent allemal“!

  • Der Waldbauernverband (WBV) war an dem „Runden Tisch“ nicht beteiligt. Warum nicht? Wurden Sie nicht gefragt?

Wir sind als Expertengruppe zweimal zu unserer Meinung angefragt worden. Diese ist bekannt: Schon in den Sitzungen der Koordinierungsgruppe haben wir mehrfach, leider erfolglos, einen Antrag auf Einstellung des Projektes gestellt.

  • Als neue Trägerstruktur wird ­eine Stiftung diskutiert – unter anderem mit Beteiligung des WBV. Waren Sie vorab über diesen Plan informiert? Würden Sie sich beteiligen?

Das war für mich neu! Einer Mitgliedschaft im Kuratorium einer Naturschutzstiftung des Landes NRW würden wir uns grundsätzlich natürlich nicht entziehen. Angesichts der Ausgangslage des Projektes würde mich eine aktive Teilnahme in einer Stiftung allerdings wenig reizen. Die Konstruktionsfehler sowie der massive Vertrauensverlust in das Projekt verbieten es sogar. Zu einem „ergebnisoffenen“ Gespräch im „Runden Tisch 2.0.“ wären wir sicherlich bereit. Dann müssten sich aber der Kreis Siegen und die Landesregierung endlich einmal auch mit den Sorgen der Waldeigentümer befassen. Was festzuhalten bleibt: Eine ­„Never ending Story“ im Rothaargebirge wäre für mich ein gravierender Rückschritt im gemeinsamen Bestreben um einen modernen Vertragsnaturschutz im Wald. Kein Grundeigentümern wird in Zukunft mit der „Öffentlichen Hand“ einen Vertrag zum Artenschutz mehr abschließen. Denn bei plötzlich hereinbrechender „hoher See“ (siehe Verhalten der Wisente) besteht die Gefahr, dass sich der Vertragspartner einfach verabschieden kann und der vertragstreue Grundeigentümer (Waldbauern) und dessen Nachbarn dürfen dann die Suppe alleine auslöffeln.

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Wisentprojekt im Rothaargebirge

Die Wisente sollen bleiben

von Britta Petercord

Empfehlungen des „Runden Tisches“ zu den frei lebenden Wisenten im Rothaargebirge liegen vor: Verringerung der Herdengröße auf maximal 25 Tiere, besseres Management und Stiftung statt des...