Verarbeitete tierische Proteine

Tierische Proteine in den Trog?

Lange war es verboten, tierische Proteine – gewonnen aus Schlachtnebenprodukten – an Nutztiere zu verfüttern. Seit 2021 dürfen Schweine wieder Geflügelprotein fressen und andersrum.

Wer schon mal Hühner im Auslauf beobachtet hat, der weiß: Hühner streiten sich nicht um die Körner, sondern immer nur um den Wurm!

Für Jörg Beer lässt das den Schluss zu: „Wer Geflügel und Schweine natürlich ernähren will, der kommt um tierische Proteine nicht herum!“ Als Geschäftsführer des Verbands der Verarbeitungsbetriebe Tierischer Nebenprodukte e.V. (VVTN) in Bonn beschäftigt er sich täglich damit, wie Schlachtnebenprodukte sinnvoll verwertet werden können. Entsprechend groß war sein Jubel, als die EU im September 2021 das Verfütterungsverbot für tierische Proteine gelockert hat.

Wertschöpfung tierischer Proteine

„Wir sind ethisch verpflichet, Tiere, die zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden, möglichst hochwertig zu nutzen. Wenn wir die tierischen Proteine nicht als Futtermittel nutzen, wird daraus Dünger gemacht oder sie landen im Feuer“, klärt Beer über die Alternativen auf.

Seit rund zwei Jahren darf – nach genau definierten, strengen Vorgaben – nun (wieder) verarbeitetes Protein von Geflügel an Schweine und verarbeitetes Protein von Schweinen an Geflügel verfüttert werden. Weiterhin verboten bleibt es, verarbeitete tierische Proteine an Wiederkäuer zu verfüttern oder innerhalb einer Tierart rückzuführen. Letzteres nennt man „Kannibalismus-Verbot“. Einen Überblick, welche Regeln hinsichtlich der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen aktuell gelten, liefert die Übersicht 1.

VTP sind kein Tiermehl!

Basis für die verarbeiteten tierischen Proteine (kurz: VTP; Erklärung siehe Kasten: „Was sind VTP?“) ist ausschließlich Material der Kategorie 3. Dieses hat Lebensmittelstatus. Es umfasst Nebenprodukte von gesund geschlachteten Tieren, die sich aus wirtschaftlichen oder kulturellen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr eignen. Die Verfütterung von Tierkörpermehl und Tierfett der Kategorien 1 (Risikomaterial) und 2 (nicht genussfähiges Material) an Nutztiere bleibt weiterhin ausgeschlossen.

Was sind VTP?
Bei verarbeiteten tierischen Proteinen (VTP) handelt es sich um tierisches Eiweiß, das gemäß EU-Verordnung Nr. 142/2011 so verarbeitet wurde, dass es direkt als oder in Futtermittel(n) verwendet werden kann. Auch der Einsatz in Düngemitteln oder Mitteln zur Bodenverbesserung ist möglich. VTP werden ausschließlich aus Schlachtnebenprodukten der Kategorie 3 gewonnen. Im internationalen Handel und in der Wissenschaft ist die englische Bezeichnung „Processed Animal Proteins“ (PAPs) üblich.
Beispiele für VTP sind Schweinemehl, Geflügelfleischmehl, Federmehl, Blutmehl, Nutzinsektenmehl und Fischmehl.
Nicht als VTP zählen: Blutprodukte, Kolostrum und Milch sowie ihre Erzeugnisse, hydrolysierte Proteine, Calciumphosphate, Eier inklusive Schale, Eierzeugnisse, Gelatine und Kollagen.

Das bedeutet: Die Rohstoff­basis ist eine völlig andere als früher. Bis November 2000 wurde „Tiermehl“ beispielsweise unter Mitverarbeitung verendeter Tiere gewonnen. Erst seit 2002 werden Schlachtnebenprodukte in drei Risikokategorien eingeteilt. Die Wiederzulassung als Nutztierfuttermittel gilt nur für tierische Proteine aus Kategorie-3-Material.

Kein BSE-Risiko

Zum Hintergrund: Als Reaktion auf die BSE-Krise hatte die EU-Kommission die Verfütterung von Tiermehlen untersagt. Denn als Auslöser gilt nicht ausreichend erhitztes Tiermehl, das mit Scrapie-Erregern infiziert war und (u.a. in Großbritannien) an Kühe verfüttert wurde.

Erst zwanzig Jahre später gibt ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittel­sicherheit (EFSA) den entscheidenden Anstoß, das Verbot zu lockern: Es kommt zu dem Schluss, dass von Nichtwiederkäuer-VTP kein Risiko ausgeht, die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) zu übertragen.

Das erklärte Hauptziel der Lockerung besteht für die EU darin, durch den Einsatz von VTP in Schweine- und Geflügelrationen einen Teil des importierten Sojaschrotes zu ersetzen und so das Protein­defizit der EU zu verringern.

Einsatz als Viehfutter überschaubar

Wie viel VTP jedoch aktuell tatsächlich in deutschen Geflügel- und Schweinetrögen landet, lässt sich schwer beziffern. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Sicher ist nur, was Übersicht 3 zeigt: Im Jahr 2022 fielen in Deutschland als Nebenprodukte der Schlachtung rund 1,9 Mio. t genusstaugliche Schlachtkörperteile, also Kategorie-3-Produkte, an. Daraus wurden rund 436 000 t VTP gewonnen.

Wesentliche Verwendungsbereiche dieser Proteine zeigt die Übersicht 2. Die Heimtiernahrung hat hier mit Abstand die größte Bedeutung: Zwei Drittel der Menge enden in den Näpfen von Hund, Katze & Co. Auf dem zweiten Platz folgt die technische Verwendung, also die Nutzung in Biogasanlagen oder als Düngemittel (17 %). Auch die Aquakultur spielt mit 8 % eine gewisse Rolle. Die Verfütterung an Landnutztiere, worunter auch Schweine und Geflügel fallen, steht mit einer Jahresmenge von rund 30 000 t (7 %) an vierter Stelle der Rangfolge.

Doch Achtung: Diese Zahlen beinhalten auch VTP, das Wiederkäuer-Material enthält! Dieses darf zwar in der EU nicht verfüttert werden; die kontrollierte Ausfuhr in Drittländer außerhalb der EU ist jedoch möglich.

Insgesamt handelt es sich nach Angaben des VVTN etwa bei der Hälfte der erzeugten tierischen Proteine um nicht sortenreines Material, also Mischungen verschiedener Spezies in klusive Wiederkäuer.

Exportanteil hoch

Und noch ein Punkt ist beim Blick auf die Proteinmengen und deren Verwendung zu beachten: Von den in Deutschland produzierten rund 436 000 t VTP wird mehr als die Hälfte ins außereuropäische Ausland exportiert! Die restlichen rund 206 000 t VTP bleiben zwar in der EU. Welche Mengen aber vor Ort in Deutschland verwendet und welche innerhalb der EU weitergehandelt werden, dazu gibt es keine Statistik.

In der Regel bleiben Mehle mit einem hohen Proteinanteil, wie Geflügel-, Blut- oder Federmehle in der EU. Sie werden von der Heimtiernahrung und der Aquakultur bevorzugt.

„Geflügelmehle enthalten etwa 10 %-Punkte mehr Rohprotein als Schweinemehle und sind im Vergleich etwas besser verdaulich. Viele Abnehmer außerhalb der EU schätzen jedoch das Schweinemehl, sodass es seit Jahren gezielt dafür produziert wird“, erklärt Dr. Martin Alm vom Europäischen Fachverband der Verarbeitungsbetriebe für tierische Nebenprodukte (EFPRA).

Wer nun Schweine-VTP als Geflügelfutter in der EU anbieten möchte, muss laut Vorschrift eine viel energieintensivere Behandlungsmethode anwenden, die zudem den Geschmack negativ beeinflusst. „Legehennen und Hähnchen stört das nicht. Hersteller von Heimtiernahrung stellt das allerdings vor ungewollte Schwierigkeiten, sodass sie dann weniger oder kein Schweinemehl nutzen.“

Trotz dieser Hindernisse – und trotz sinkender Schlachtzahlen – geht Dr. Alm davon aus, dass die Verwendung von VTP als Nutztierfutter in den kommenden Jahren zunehmen wird. „Das Verbot ist erst seit zwei Jahren gelockert. Die Märkte müssen sich erst neu einspielen. Die aktuellen Handelsbeziehungen sind etabliert und über Jahre gewachsen. Es ist klar, dass man die nicht sofort kappt.“

Potenzial als Sojaersatz

Der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) schätzt den Beitrag tierischer Proteine zur Verringerung der Abhängigkeit von importiertenpflanzlichen Eiweißquellen als gering ein. Zwar können Berechnungen nach mit dem in Deutschland anfallenden und sortenrein sortierten Kategorie-3-Material theoretisch bis zu etwa 8 % des Sojaschrotverbrauchs ersetzt werden.

Doch sei es laut DVT aktuell kaum möglich, VTP in einem Futterwerk zu verwenden, in dem Futter für unterschiedliche Tierarten hergestellt wird. Ferner sei es nur für spezialisierte Futtermittelfirmen umsetzbar, die strikten Vorgaben zu erfüllen.

Aus Sicht des DVT ist eine vollständige Trennung der Liefer- und Lagerwege unerlässlich und stellt somit „logistisch und organisatorisch eine zu hohe Hürde“ dar. Potenzial für VTP bestehe im Bereich der Jungtierfütterung bei Geflügel, doch falle eine Kostenabwägung derzeit noch deutlich zu hoch aus. Darüber hinaus nimmt der DVT ein gesteigertes Interesse der Landwirte an VTP derzeit (noch) nicht wahr.

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