Veterinärkontrollen

Schalentränken im Bullenstall?

Im Kreis Borken fordern Veterinäre bei Vor-Ort-Kontrollen den Einbau von Schalentränken – zum Ärger der Bullenmäster. Die Behörde beruft sich dabei auf die niedersächsische Leitlinie für Mastrinder.

Mehrere Landwirte aus dem Kreis Borken verstehen nach Vor-Ort-Kontrollen die Welt nicht mehr. „Veterinäre kontrollieren unsere Betriebe. Das Ergebnis: Es ist alles gut. Aber ab 2024 müssen wir Schalentränken in die Buchten einbauen“, berichtet beispielsweise ein der Wochenblatt-Redaktion namentlich bekannter Bullenmäster.

Die Veterinäre berufen sich dabei auf die niedersächsische Tierschutzleitlinie für Mastrinder. „Für mich ist das Papier aus Niedersachsen in NRW keine Rechtsgrundlage.“ Ihm geht es nicht darum, die Kreisveterinäre anzugreifen, sondern um die Art: „Wenn wir Schalentränken einbauen sollen, dann bitte in ganz NRW und nicht nur in einzelnen Kreisen und dann auch mit offizieller Ankündigung.“ Diese gab es nicht.

Außerdem ärgert den Mäster und seine Berufskollegen, dass die Veterinäre keine Übergangsfristen einräumen. „Die Niedersachsen konnten sich seit 2018 darauf einstellen, jetzt Schalentränken einzubauen.“ Dort ist die Übergangsfrist von fünf Jahren verstrichen. Seit dem 23. Oktober dieses Jahres fordert die niedersächsische Leitlinie mindestens eine Schalentränke pro Bucht, auch in Altgebäuden. Das Tier-Tränke-Verhältnis sollte bei 8-1 liegen.

Grundlage: Tierschutzgesetz

Auf Wochenblatt-Nachfrage erklärt Anja Miebach, Fachbereichsleitung Tiere und Lebensmittel beim Veterinäramt Kreis Borken, den oben beschriebenen Sachverhalt so: „In Absprache mit den benachbarten Kreisen (Steinfurt, Coesfeld, Recklinghausen, Warendorf, Wesel, Viersen) wurde vereinbart, dass anlässlich von Vor-Ort-Kontrollen, die Bullenmäster auf den Einbau von Schalentränken ab 2024 hingewiesen werden. Zur Durchsetzung der Umrüstung erfolgen bisher keine ordnungsrechtlichen Maßnahmen.“

Für Neubauvorhaben findet sich die Anforderung in den ergänzenden Betriebsbeschreibungen zum Bauantrag wieder und wird als Grundlage für eine zustimmende Stellungnahme angesehen.

Als Rechtsgrundlage für die Forderung der Schalentränken zieht Miebach § 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes heran: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“ Ihre Erklärung: „Rinder sind Saugtrinker, daher benötigen sie für eine physiologische Wasseraufnahme eine offene Wasseroberfläche.“

Miebach fügt hinzu: „Die niedersächsische Mastrinderleitlinie wird als Sachverständigengutachten für die Beurteilung herangezogen, was ein übliches Vorgehen darstellt.“ Das bewertet auch das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW (MLV) so: „In Nordrhein-Westfalen greifen die zuständigen Veterinärbehörden zur Auslegung des § 2 Tierschutzgesetz auf bestehende Leitlinien und Gutachten zurück und nutzen insofern auch die niedersächsische Leitlinie.“

Fristen für den Einbau

Grundsätzlich ist auch den Bullenmästern aus den betroffenen Kreisen klar, dass Schalentränken für die Tiere gut sind. Allerdings stehen Bullen zur Mast 14 bis 18 Monate in den Buchten. „Man kann keine Schalentränken einbauen, wenn Endmastbullen im Stall stehen“, sorgt sich ein Mäster.

Hinzu komme: Die meisten Bullen stehen in Altgebäuden. Die Sorge der Landwirte: „Viele Mäster wissen noch nicht, wie sie ihren konventionellen Stall mit kleinen Buchten in den nächsten Jahren umbauen sollen. Wir müssen Richtung höhere Haltungsformen, dafür macht es eventuell Sinn, aus zwei Buchten eine zu machen.“ Dann könnten sie aber nicht erst eine Schalentränke in die Buchtenabtrennung einbauen, die sie bei einer Buchtenzusammenführung wieder entfernen müssten.

Tierschutzleitlinie für Mastrinder

Veterinärin Miebach erklärt: „In Anlehnung an die Übergangsfrist in der niedersächsischen Mastrinderleitlinie sollen die Tränken bis 2024 eingebaut werden. Es wurden bisher noch keine Fristen vor Ort festgesetzt, sofern es ausschließlich um die Umrüstung auf Schalentränken geht.“

Außerdem fügt sie hinzu: „Sofern es zu konkreten Aufforderungen zur Umrüstung komme, werden selbstverständlich die betrieblichen Gegebenheiten (Ende des Mastdurchgangs, mögliche Umstallung von Tieren) berücksichtigt und eine angemessenen Frist zur Umrüstung vereinbart.“

Darauf hofft auch Theresa Averbeck vom WLV: „Für die betroffenen Betriebe ist es wichtig, sich auf geänderte Anforderungen einstellen zu können. Klar ist, die Tierhalter brauchen Planungssicherheit. Dies kann nur mit einer ausreichenden Übergangsfrist einher gehen.“

Einheitliches Vorgehen?

Landwirte ärgern sich, wenn die Kreise unterschiedliche Vorgaben machen. „Wir wünschen uns landesweit ein einheitliches Vorgehen“, betont Averbeck.

Auf Nachfrage erklärt das Ministerium: Es gibt derzeit keine konkrete rechtliche Vorgabe für Rinder ab dem 7. Lebensmonat – weder national noch auf europäischer Ebene. „Insofern liegt es im Ermessen der zuständigen Kreisordnungsbehörde, § 2 des Tierschutzgesetzes anhand vorhandener Gutachten, Leitfäden und Literaturquellen auszulegen und entsprechende Anordnungen zu treffen“, so das MLV.

Die Bauschrift der Landwirtschaftskammer diene Landwirten als Hilfestellung zur Bauplanung von Rinderställen in NRW. Es handele sich hierbei nicht um eine Tierschutzvorgabe, die von den Kreisordnungsbehörden zur Bewertung tierschutzrechtlicher Sachverhalte herangezogen wird.

Also bleibt für die Bullenmäster aus dem Kreis Borken, Stand jetzt, wenig Hoffnung auf ein einheitliches Vorgehen in allen Kreisen.

Kreis Soest: Mehr Platz für Endmastbullen?
Nicht nur in den rinderlastigen Kreisen gibt es Debatten um die Bullenmast. Im Kreis Soest berichten Mäster von Vor-Ort-Kontrollen von Veterinären. Diese forderten ab 600 kg Lebendgewicht 3,5 m2 Platz je Endmastbulle. Allerdings beruhe die Empfehlung nicht auf der niedersächsischen Tierschutzleitlinie, sondern auf Angaben der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). Auf dieser Grundlage wurde ein Merkblatt mit Richtwerten zu Haltungsparametern in der Rinderhaltung erstellt. Das erklärt Dr. Martina Poppe vom Veterinärdienst im Kreis Soest. „Diese Richtwerte sind nicht gesetzlich verpflichtend. Aber wir wollen unseren Mästern Werte an die Hand geben, die wir für die Rinderhaltung sinnvoll finden.“ Dazu gehöre ab 500 kg ein Platzangebot von 3 m2 und ab 600 kg von 3,5 m2/Bulle. Sie betont: „Dazu können wir aber keinen Landwirt verpflichten. Die Werte dienen der Orientierung.“

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