Artikel 148

Mehr Milchgeld durch Verträge?

Was bringen verbindliche Milchverträge mit Preis, Menge und Laufzeit – und zwar für alle Erzeuger? Die Debatte um den „Artikel 148“ läuft auf Hochtouren.

Ein EU-Mitgliedstaat kann Molkereien und Milchlieferanten verpflichten, den Erzeugermilchpreis, Liefermengen, Laufzeiten sowie Zahlungs- und Abholmodalitäten verbindlich zu vereinbaren. Das sieht Artikel 148 der EU-Marktordnung vor. Die Kann-Regelung ist seit Dezember 2013 in Kraft. In Deutschland wurde sie bislang nicht angewandt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium gab vor wenigen Tagen bekannt, das zu ändern.

Was halten Betroffene davon? Hier finden Sie drei Stimmen zum Thema:

Die Genossenschaften unbedingt einbeziehen!

Dorothee Lindenkamp ist Milchviehhalterin in Hünxe und erste Vorsitzende der MeG Moers. (Bildquelle: Lindenkamp)

Alles, was die Milchpreise erhöhen könnte, ist für uns Milchbäuerinnen und Milchbauern gut! Der Artikel 148 der GMO könnte zumindest in der Theorie ein passendes Instrument sein. Allerdings gilt es jetzt den Gesetzesentwurf abzuwarten. Vorher ist jede Mutmaßung ein „Stochern im Dunkeln“.

Als Milcherzeugergemeinschaft (MeG) verhandeln wir Milchpreis und Milchmenge sowieso alle drei Monate neu mit der entsprechenden Molkerei. Deshalb würde sich für uns Milchbauern in der MeG auch mit Artikel 148 nicht viel ändern.

Allerdings ist der Sinn von dem Instrument, die Milchpreise und damit die Situation der Milcherzeuger in Deutschland dauerhaft zu verbessern oder zumindest zu stabilisieren. Dafür ist entscheidend, dass die Genossenschaftsmolkereien unbedingt mit einbezogen werden. Sie dürfen keinen Weg finden, sich mit einer des Artikel 148 entsprechenden Satzung herauszureden. Denn sie zahlen die schlechtesten Milchpreise. Die Milchpreise insgesamt müssen hoch!

Vertragspflicht für alle

Elmar Hannen ist Milchviehhalter in Kleve, Landesvorsitzender Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) und Vorstandsmitglied im European Milk Board (Bildquelle: Hannen)

Der Hauptgrund für die unzureichenden Milchpreise liegt in der Marktkonstellation zwischen Erzeugern, Molkerei und Handel: Der Lebensmittelhandel möchte möglichst günstig Milch einkaufen, die Molkereien mit dem Einsammeln, Verarbeiten und Weiterverkaufen Geld verdienen. In dieser Gemengelage können die Auszahlungspreise an die Erzeuger sinken – egal, ob sie die ständig steigenden Produktionskosten decken oder nicht. Das passiert übrigens auch bei den meisten Genossenschaftsmolkereien: Die Interessen der Erzeuger stehen dort längst nicht mehr an erster Stelle.

Neben einer allgemeinen Angebotsverknappung und Bündelung in Erzeugergemeinschaften könnte hier die Anwendung des Artikels 148 dazu beitragen, dass der Mehraufwand der Landwirte endlich bezahlt wird. Doch dafür müssen alle an einem Tisch sitzen. Nur dann können Molkereien bzw. Erzeuger in Rechnung stellen, was der Handel fordert. Doch seit Jahren sträuben sich Milchindustrie- und Bauernverband dagegen, die nötige Verbindlichkeit in die Marktbeziehungen zu verankern.

In jedem anderen Wirtschaftsbereich ist es üblich, dass vor der Lieferung über Menge und Preis verhandelt wird. Warum soll das zwischen Molkerei und Landwirt anders sein? Es wird Zeit, dass die Molkereien gegenüber dem LEH künftig nicht nur die Bezahlung ihrer eigenen Kosten aushandeln, sondern auch die Produktionskosten der Milcherzeuger voll berücksichtigt werden. Damit das ohne „Schlupflöcher“ gelingt, muss die Vertragspflicht allerdings für alle Milchlieferungen gelten.

Kein Grund für Artikel 148

Oliver Bartelt ist Unternehmenssprecher beim Deutschen Milchkontor, Bremen (Bildquelle: DMK)

Gute und vertrauensvolle Lieferbeziehungen mit unseren Landwirtinnen und Landwirten sind uns ein grundlegendes Anliegen.

Landwirte und Genossenschaftsmolkereien lassen sich in der Wertschöpfungskette nicht auseinanderdividieren. Diese Grundannahme wird immer wieder (teils bewusst, teils unwissend) außer Acht gelassen. Landwirte als Eigentümer ihrer Genossenschaft bestimmen über Gremien demokratisch die Richtung. Diese genossenschaftlichen Grundprinzipien gelten auch für DMK.

Hier zeigen sich die Vorteile des Genossenschaftsmodells gegenüber Einzelverträgen

Der "Abgesang" auf Genossenschaften und der Ruf nach einer Umsetzung des Artikels  148 kommt immer wieder aus Richtungen, die außerhalb von Genossenschaften zu verorten sind. Mal abgesehen davon, dass diese Forderung nach meiner festen Überzeugung keinen zusätzlichen Cent auf die Höfe bringt. Wir haben bewiesen, dass wir unsere Lieferbeziehungen gemeinsam erfolgreich weiterentwickeln können, siehe Vertragslaufzeiten oder unser Festpreismodell. Wir setzen auf eine Vielzahl von Maßnahmen, um dem Landwirt die bestmögliche Einschätzung der Marktlage zu ermöglichen. Die Landwirte haben damit die unternehmerische Freiheit, nach Abwägen der prognostizierten Milchpreisentwicklung das eigene Anlieferungsverhalten selbst anzupassen.

Mit Blick auf den 4-Punkte-Plan des BMEL zeigt sich, dass die Maßnahmen, die wir als DMK eigenverantwortlich umgesetzt haben, auch anerkannt werden. So formuliert das BMEL zu Recht, „dass genossenschaftliche Molkereien von der Vertragspflicht ausgenommen sind, wenn deren Satzungen oder Lieferordnungen Bestimmungen enthalten, die eine ähnliche Wirkung haben.“

Die Milchlieferbeziehungen zwischen der Deutsches Milchkontor eG und den Landwirten sind in der Satzung und Milch-Lieferordnung niedergelegt, die sich die genossenschaftlich organisierten DMK-Landwirte mehrheitlich selbst gegeben haben. Sie sind gleichwertig mit den Bestimmungen, die Art. 148 GMO für Milchlieferverträge festschreibt. Es gibt daher keinen Grund, weshalb der Gesetzgeber sich durch die Definition fester Mengen und Preise in diese Lieferbeziehungen von Genossenschaften einbringen müsste.

Durch eine Änderung der Lieferbeziehungen in Deutschland wird sich der weltweite Milchmarkt nicht beeinflussen lassen. Die EU bestreitet zwar einen gewichtigen Teil dieses Marktes, aber auch Neuseeland, die USA und Australien sind große Exporteure. Von 10 l Milch auf dem Weltmarkt kommt nur einer aus Deutschland. Hier eine „lokale“ Regulierung einzuführen, reicht nicht im Ansatz, um Mengen und Margen zu beeinflussen. Dass solche Operationen an der Realität eines Weltmarkts und eines tierischen Produktes aus kleinteiliger Erzeugerlandschaft vorbeigehen, hat das Scheitern der EU-Milchquoten bewiesen. Wenn schon eine europäische Mengensteuerung scheitert, gilt dies noch wahrscheinlicher für eine binnenstaatliche Lösung in Deutschland.

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Milchverträge mit Menge, Preis und Laufzeit – auch für Genossenschaften: Das dürfte wohl der größte Streitpunkt des 4-Punkte-Milchplans des Bundesagrarministeriums sein.​

Pro und Contra

Milchlieferbeziehung: Soll sich der Staat einmischen?

von Elmar Hannen, Peter Manderfeld

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Hans Stöcker war bis Jahresende Vorstandsmitglied in der Molkereigenossenschaft FrieslandCampina – als einziger deutscher Landwirt. Wie schätzt er die Zukunft der deutschen Milchwirtschaft ein?