Rinderzucht

Zuchtwert für Biokühe

Ökobetriebe haben teils andere züchterische Ziele als ihre konventionellen Kollegen. Doch der neue RZÖko ist nicht nur für Biomilcherzeuger interessant. Wie setzt sich der Gesamtzuchtwert zusammen?

Weidehaltung, eine geringe Kraftfutterintensität und eine moderate Milchleistung sind Eigenschaften von Milchkuhbetrieben, die ökologisch wirtschaften. Um die Kühe auch züchterisch diesen Gegebenheiten anzupassen, gibt es seit der Zuchtwertschätzung im August den Relativzuchtwert Öko (RZÖko) für Holsteins und Red Holsteins. Er soll biologisch und extensiv wirtschaftende Betriebe bei der Bullenauswahl unterstützen. „Der RZÖko steht nicht entgegen der allgemeinen Zuchtrichtung. Vielmehr soll er eine sinnvolle Ergänzung sein. Und er soll extreme Merkmalsausprägungen vermeiden“, sagte Carsten Scheper, der den Bereich Rinderzucht bei der Ökologischen Tierzucht (ÖTZ) verantwortet, bei einem Webinar vergangene Woche. Er hat bei der Entwicklung des neuen Biozuchtwertes mitgearbeitet.

Welche Merkmale?

Im RZÖko überwiegen vor allem funktionale Merkmale, um langlebige Kühe mit einer hohen Lebensleistung zu züchten, die gesund und robust sind. Weitere Ziele sind zudem eine hohe Grundfutterleistung und mittelrahmige, nicht zu scharfe Kühe.

Die Merkmale:

  • 38 % Nutzungsdauer
  • 21 % Gesundheit
  • 27 % Milchinhaltsstoffe
  • 6 % Milch-kg, negativ gewichtet
  • 3 % Kalbeverlauf
  • 5 % Body Condition Score.

Der Fokus im neuen Gesamtzuchtwert liegt auf Nutzungsdauer und Gesundheit. „Die Zucht auf eine gute Gesundheit ist vor allem für Biobetriebe wichtig, da der Einsatz vieler Arzneimittel stark eingeschränkt oder mit doppelter Wartezeit verbunden ist“, sagte Guido Simon. Er hält und züchtet selbst Milchkühe und bewirtschaftet seinen Betrieb ökologisch. Auch er hat den RZÖko mitentwickelt.

Energiereichere Milch

Herausfordernd für Biobetriebe ist vor allem das bedarfsgerechte Füttern der leistungsstarken Holsteins unter extensiven Bedingungen. Aus diesem Grund sind die Milchinhaltsstoffe als Leistungskomponente mit 18 % für Eiweiß-kg und 9 % für Fett-kg eher unterdurchschnittlich berücksichtigt. Hinzu kommt, dass der Wert für Milch-kg mit 6 % negativ gewichtet wird. „Biokraftfutter ist doppelt so teuer wie konventionelles. Der Biomilchpreis kann das jedoch nicht kompensieren. Dadurch entsteht ein Energiedefizit zu Laktationsbeginn bei gleichem Leistungswillen der Kühe. Hinzu kommt Weidefutter, was ebenfalls weniger Energie liefert“, erklärte Simon. Mit der ­negativen Gewichtung der Milchmenge soll die produzierte Milch energiereicher sein.

Dennoch ist die Selektionsintensität bei der Milchmenge positiv. Das bedeutet, dass die Milchmenge der Tiere weiterhin steigt, allerdings moderater. So erklärte es Leen Polman von den Vereinigten Informationssystemen Tierhaltung (vit).

Als Hilfsmerkmal für robuste Tiere dient der Body Condition Score (BCS), der die Körperkondition von Kühen beschreibt. Erstmalig ist er in einem Gesamtzuchtwert gewichtet – im RZÖko mit 5 %. Das soll auch ein Energiedefizit in der Laktationsspitze berücksichtigen und dadurch bedingtes Abmagern vermeiden.

Für problemlose Geburten fließt der RZKm für den maternalen Kalbeverlauf mit 3 % in die Berechnung ein. Guido Simon vertrat die Meinung: „Viele Biokühe kalben, häufig alleine, auf der Weide. Da ist eine reibungslose Geburt wichtig.“

Der RZÖko ist – genauso wie auch der RZG (Relativzuchtwert Gesamt) – auf einer Relativskala angegeben. Ein Wert von 100 spiegelt dabei das Mittel der Population wider. Seit August wird er für alle genomisch untersuchten weiblichen Tiere ausgegeben. Zudem sind die Angaben für Bullen verfügbar, dessen Zuchtwerte auf deutscher Basis geschätzt wurden. Der RZÖko korreliert zu 0,91 mit dem RZG und zu 0,89 mit dem wirtschaftlichen Zuchtwert RZ€. Die Zusammensetzung der drei Gesamtzuchtwerte ist in der Übersicht dargestellt.

Der RZÖko soll eine sinnvolle Ergänzung zu den anderen beiden Zuchtwerten sein. (Bildquelle: Cirkel)

Als Sortierhilfe nutzen

Doch was erhoffen sich Scheper und Simon weiterhin von dem RZÖko? „Vor allem, dass Landwirte den Zuchtwert als Sortierhilfe nutzen. Er ist, wie gesagt, eine gute Ergänzung zu den anderen Gesamtzuchtwerten“, sagten die beiden. Etwa ein Drittel der Bullen, die sich nach RZÖko unter den Top 100 befinden, rangieren in anderen Listen (RZG, RZ€) unter Rang 50. Laut Simon ist das das Ziel: „Wir wollen Bullen in den Fokus holen, die in anderen Gesamtzuchtwerten nicht rangieren. Dennoch sind sie nicht schlecht. Das ist Genetik, die wir sonst verpasst hätten.“ Dass der RZÖko keine gegenteilige Zuchtrichtung einschlägt, zeigen die genomischen Spitzenbullen Real Syn (schwarzbunt) und CR7 (rotbunt). Sie rangieren sowohl nach RZG als auch nach RZÖko auf Platz 1 der deutschen Zuchtwertlisten. Real Syn ist auch die Spitze beim RZ€.

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