Neugierig schaut uns der schwarze Kopf mit dem weißen Fleck in Herzform entgegen. Ein anderes Kalb steht am baumelnden, schwarzen Sack in der Mitte des Stalls und zupft Heu aus den Löchern. Links und rechts in der Bucht, unter dem Kälberschlupf, liegen Tiere im Stroh.
Einige tragen Decken. „Bei kaltem Wetter machen wir ihnen die Decken direkt nach der Geburt drauf und nehmen sie nach etwa vier Tagen, je nach Temperatur, wieder ab“, erklärt Friedrich Kinkelbur. In der Rückwand der Buchten ist jeweils ein Ausgang, abgehängt mit einem Windschutz. Die Kälber können jederzeit aufs Paddock. Doch bei grauem, kaltem, regnerischem Wetter bleiben sie freiwillig drin.
Biobetrieb seit 1981
Friedrich Kinkelbur betreibt gemeinsam mit seiner Familie und einem großen Team (4 Vollzeitangestellte, 2 Auszubildende, mehrere 520-€-Kräfte) einen Bioland-Betrieb in Minden, Kreis Minden-Lübbecke. Hauptstandbein des Hofes ist die Milchviehhaltung mit 110 Holstein-Friesian-Kühen.
Doch statt sich voll zu spezialisieren, setzen Kinkelburs auf verschiedene Standbeine: Kartoffelanbau (10 ha, davon 3 ha für die Direktvermarktung), Hofladen und 700 Legehennen in zwei Mobilställen gehören dazu. Außerdem ist der Familie ein Anliegen, Besuchern und Kunden Landwirtschaft nahezubringen. Gäste dürfen die Ställe betreten und Schulklassen kommen zu Besichtigungen. Mehr als 1100 Menschen lesen den hofeigenen Rundbrief.
Die Eier finden ihren Absatz entweder über den Hofladen oder verschiedene Biomärkte sowie dem örtlichen Edeka-Laden.
Vollmilch für alle Kälber
2019 hat die Familie in die Kälberaufzucht investiert – mit sichtbarem Erfolg. Nach der Geburt kommen die Tiere in Einzelboxen. Sie werden zweimal täglich mit Vollmilch getränkt. Heu in einer Raufe zwischen den Boxen, Kälbermüsli und Wasser stehen den Kälbern von Anfang an zur freien Verfügung.
Außen an der Box ist zudem eine Karte angebracht. „Hier notiert jeder, was genau die Kälber getrunken haben und auch alle anderen Auffälligkeiten“, erklärt Kinkelbur. „Das ist wichtig, weil wir in wechselnden Schichten die Kälber versorgen. Sonst weiß der nächste nicht, was passiert ist.“
Außerdem versorgt das Team alle Kälber nach der Geburt mit Eisen und Selen. „Wir behandeln alle Kälber gleich. So impfen wir auch die männlichen Tiere und sie kommen ab diesem Jahr ebenfalls in Gruppen.“ Bisher haben die Bullenkälber den Betrieb mit zwei Wochen verlassen, nun bleiben sie 28 Tage, so wie es die Tierschutztransportverordnung von diesem Jahr an vorschreibt. Die Bullenkälber verkauft der Biobetrieb konventionell.
Nach einer Woche kommen die Kälber in Doppelboxen. „Mit dem Pairing haben wir super Erfahrungen. Wir stellen die Geschlechter passend zusammen. Auch später als Milchkühe kann man sie häufig zusammen beobachten“, sagt Kinkelbur. Nach zwei Wochen stallt er die Tiere dann in Großgruppen. Die beinahe Ad-libitum-Tränke sorgt dafür, dass sie immer Milch zur Verfügung haben. So ist es auffällig ruhig im Stall. „Ein Riesenvorteil der gleichbleibenden Tiergruppe ist außerdem, dass es seitdem kein Geschrei mehr beim Abtränken von der Milch gibt.“ Kinkelbur könnte sich vorstellen, dass die Kälber ihre Partner gerufen haben, weil sie bisher auch beim Umstallen abgetränkt wurden. Spielzeug und Heu bieten den Tieren Beschäftigung.
Kühe selektiv trockenstellen
Gegenüber von den Kälbern, ebenfalls im alten Jungviehstall, stehen die Trockensteher und Niederleistenden. „Das ist unsere Wandergruppe, da wir die Tiere, die noch gemolken werden, über den Hof treiben müssen. Die Bewegung tut aber allen gut“, erklärt Kinkelbur.
Die Kühe in der Gruppe stehen auf Stroh. Geben die Tiere weniger als 25 l Milch pro Tag oder wenn sie Anzeichen machen, vor der Geburt zu verfetten, stallen die Landwirte sie in die Wandergruppe. Vor dem Trockenstellen beprobt Kinkelbur jedes Euterviertel. „Das passiert immer montags. Wir brauchen Routinen“, sagt der Mindener. Je nach Ergebnis nutzt er für einzelne Viertel Trockensteller, Versiegler wendet er zu 100 % an.
Das Erstkalbealter in der Herde liegt bei 26 Monaten und die Zwischenkalbezeit beträgt 440 Tage.
Hohe Lebensleistung
Die Milchleistung liegt bei 10 300 kg Milch mit 4,1 % Fett und 3,1 % Eiweiß. Die Leistung melkt der Betriebsleiter aus einer TMR, die auf 28 l Milch ausgelegt ist. Bis zu 4 kg Kraftfutter, Heu, Mineralfutter und Viehsalz bietet er seinen Tieren zusätzlich an. Auffällig ist die hohe Lebensleistung einiger Kühe: „Unsere älteste Kuh hat gerade ihr 12. Kalb bekommen“, berichtet er stolz. „Allerdings befinden wir uns im Zielkonflikt. Ältere Tiere haben mehr Ziepeleien.“
Die Aufzucht einer Biofärse kostet rund 3000 €. „Das Geld bekommen wir in der Zuchtviehvermarktung nicht, wohl aber in der Direktvermarktung“, erklärt Kinkelbur. Deshalb lässt er seine Kühe vermehrt mit Angus-Bullen besamen und vermarktet das Fleisch von bis zu 26 Tieren jährlichen in Fleischpaketen ab Hof.
„Hühner beflügeln Wahrnehmung“
Richtig an Fahrt aufgenommen hat die Direktvermarktung durch die beiden Hühnermobile. „Im März 2020 haben wir das erste Mobil, im November dann das zweite angeschafft. Die Eier wurden uns quasi aus den Händen gerissen“, berichtet Kinkelbur.
„Viele Kunden sind erst durch die Hühnermobile mit je 350 Tieren an der Straße auf uns aufmerksam geworden. Die Hühner haben die Wahrnehmung quasi beflügelt.“Nach Bioland-Richtlinien sollten auch Hähne bei den Hennen laufen. Pro Mobil sind es fünf. „Das Gute: Sie machen richtig Rabatz, wenn etwas passiert.“
Neben den Hähnen dienen die vier Ziegen dem Herdenschutz.Zum Hofladen geht es einmal quer über den Hof. Die Kunden folgen den Schildern und können auf dem Weg einen Blick in den Kuhstall werfen. Milch gibt es direkt aus dem Tank. „So sparen wir uns die Eichung.“ Im Hofladen gibt es Eier, Kartoffeln, Nudeln, Eis, Marmelade, Gebäck sowie Getränke für den Hofrundgang.
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