Mutterkuhhaltung

Viel Herz für Mutterkühe

Familie Otto hält Limousins im Nebenerwerb. Künftig will Neffe Jakob den Betrieb im Haupterwerb weiterführen. Bei der Zucht kommt es Ottos vor allem auf Charakter und Hornlosigkeit an.

Die braunen Mutterkühe stehen friedlich grasend in der Mitte der Weide. Die Kälber bei Fuß. Etwas weiter rechts steht ein imposanter Bulle. Er blickt uns entgegen. Auf die Waage bringt das Tier mit Sicherheit 1000 kg. Er ist bereits seit zehn Jahren in der Herde.

Die Deckbullen stehen bei Familie Otto das ganze Jahr über mit in der Limousinherde. Titus ist bereits seit zehn Jahren in der Herde. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Christian Otto spricht den Bullen mit Namen an und geht auf ihn zu. Auf die Frage, ob das nicht zu gefährlich sei, antwortet er: „Titus tut nichts, ich kraule ihn jetzt.“ Der Mutterkuhhalter aus Eslohe, Sauerland, fängt an, das mächtige Tier auf dem Rücken zu kraulen. Mit Erfolg: Die Muskeln lösen sich und der Kopf des Tieres geht nach oben. Entspannung setzt ein. „Diesen Bullen habe ich auf einer Auktion des Fleischrinder-Herdbuchs (FHB) gekauft. Damals ist er artig hinter einer jungen Frau hergelaufen. Warum? Weil sie ihm Möhrenstückchen zugesteckt hat. Das mache ich jetzt auch noch so“, lacht der Mutterkuhhalter.

Die Kälber laufen bis zu ihrem 8. Lebensmonat bei den Müttern bei Fuß. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Auch die Kühe sind alle handzahm und lassen sich streicheln. Karin Schmidt, Christians Lebensgefährtin, spricht sie alle beim Namen an. Neffe Jakob Kortmann steht bei einer Kuh mit langen, geschwungenen Hörnern. „Sie ist unsere Älteste und bereits 13 Jahre alt“, lächelt er und streichelt ihren Kopf. Auffällig: Sie ist eines der wenigen Tiere mit Hörnern.

Herdbuchzucht

Familie Otto hält 24 Kühe der Rasse Limousin im Nebenerwerb. Dazu kommen zwei Deckbullen und die Nachzucht. Die weiblichen Tiere bleiben, da die Familie die Herde aufstocken will.

Neffe Jakob studiert momentan in Soest Agrarwirtschaft und möchte gerne nach dem Studium den Betrieb seines Onkels im Vollerwerb weiterführen. „Irgendwie bin ich hier reingewachsen und wir machen alles zusammen“, berichtet der 21-Jährige.

Christian Otto arbeitet hauptberuflich als Lkw-Fahrer, seine Lebensgefährtin in der Apotheke. Sie haben den Betrieb gepachtet. „Wir kommen nicht vom Hof, aber brennen für unsere Mutterkühe“, sagt Otto. Das zeigt auch seine Arbeit im Ehrenamt: Er ist stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender im Hochsauerlandkreis.

Gute Mütterlichkeit und eine hohe Milchleistung sind Zuchtziele bei den Limousins. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Besonders stolz ist die Familie auf die Zucht. „Wir züchten auf genetische Hornlosigkeit und unser Ziel ist, dass die meisten Tiere im Herdbuch eingetragen sind.“ Aber auch die Milchleistung der Kühe ist entscheidend für eine gute Aufzucht der Kälber. Neben der guten Mütterlichkeit kommt es Ottos zudem auch auf die Fleischigkeit an. „Die Tiere müssen großrahmig und massig sein. Dafür ist eine große Rückenfläche wichtig“, erklärt Otto.

Bullen sind handzahm

Auch die männlichen Tiere bleiben auf dem Betrieb im Sauerland. Wenn Ottos die Kälber mit etwa acht Monaten absetzen, kommen die männlichen Tiere zur Mast in den Strohstall. Entweder erreichen sie dann mit 18 bis 20 Monaten den örtlichen Schlachter oder werden an andere Mutterkuhhalter als Deckbullen verkauft. „Die Kollegen schätzen unsere extrem lieben Tiere. Wir sagen immer: Auf unseren Deckbullen muss man reiten können“, berichtet Otto stolz.

Dieser Bulle ist schlachtfertig und soll zum Metzger. Er wiegt rund 900 kg. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Aktuell steht Tassilo im Strohstall. Er hat einen sehr ausgeprägten Schinken und jeder Mäster wäre wohl stolz auf das Tier. Er bringt 500 kg an den Haken, schätzt Otto. „Aber uns tut jetzt schon leid, dass er zum Metzger muss. Die Tiere haben hier Familienanschluss“, sagt seine Lebensgefährtin und streichelt das massige Tier. Der Metzger aus dem Nachbarort verarbeitet das Fleisch und packt 20-kg-Mischpakete. In den Paketen ist dann von Beinscheiben bis Filet alles drin, damit am Ende der ganze Bulle verarbeitet ist. 2021 hat die Familie knapp zehn Tiere schlachten lassen.

Sommer Weide, Winter Stall

Die Limousins stehen bei Ottos von etwa Mai bis November auf den für das Sauerland typischen hügeligen Weiden. „Unser kleinstes Weidestück ist gerade mal 2500 m2 groß, das größte Stück 8 ha“, beschreibt der passionierte Rinderzüchter. Im Winter stehen alle Tiere im Tretmiststall. Dafür liegen bereits 350 Ballen Stroh bereit.

Mit dem Stroh wird der Tretmiststall im Winter gestreut. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Zum Betrieb gehören 45 ha landwirtschaftliche Fläche. Davon ist der Großteil Grünland. Auf etwa 5 ha werden Getreide und Mais zur Fütterung angebaut. Die Kühe bekommen im Winter ausschließlich Grassilage. Die Bullen zusätzlich Maissilage.

Von Januar an bekommen Ottos noch mehr Fläche dazu und haben dann die Möglichkeit, ihren Betrieb auf biologische Bewirtschaftung umzustellen. „Wir sind von dem Konzept überzeugt und versprechen uns mehr Wertschöpfung“, erklärt Neffe Jakob.

Dürre: Kalbungen ganzjährig

Durch die Trockenheit gleichen aktuell auch die Weiden im Sauerland eher einer Steppe. „Bisher hatten wir eigentlich vor allem Winterkalbungen, aber seit der Dürre kalben die Kühe das ganze Jahr“, erklärt Jakob. Das wirkt sich allerdings positiv auf die Direktvermarktung aus, da die Bullen nicht alle zum gleichen Zeitpunkt schlachtreif sind.

Die Herde wird nach dem Alter der Kälber eingeteilt. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Die Herden teilen Ottos nach dem Alter der Kälber auf und nach der Bullenwahl. So hat Altbulle Titus immer die gleiche Herde. Damit keine Inzucht entsteht, müssen seine Töchter zu anderen Deckbullen. „Gerade für die Jungbullen ist es wichtig, dass die Herden nicht zu groß sind, sonst laufen sie sich tot“, berichtet Karin Schmidt. Denn sie müssen erst lernen, wann welche Kuh bullt.

Insgesamt stehen die Tiere verteilt auf sechs Weidestücken. „Wir fahren täglich zu allen Tieren und wollen jedes einzeln gesehen haben bei der Tierkontrolle“, sagt Otto. Das macht das Paar gemeinsam nach Feierabend.

Das erste Kalb bekommen die Kühe mit etwa 33 Monaten. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

Das Erstkalbealter in der Herde liegt bei rund 33 Monaten, denn die Tiere sollen komplett ausgewachsen und rahmig sein. „Unser Ziel ist, das Erstkalbealter dauerhaft etwas zu senken“, sagt Otto. Die Zwischenkalbezeit liegt bei vielen Kühen bei elf Monaten. Generell gilt jedoch die Faustzahl in der Mutterkuhhaltung: ein Kalb pro Jahr.

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