Der Milchmarkt scheint robust. Frau Althoff, warum steigen die Erzeugerpreise für Milch dennoch nur so verhalten?
Im August und September haben sich die Auszahlungspreise kaum verändert. Das ändert sich aber jetzt. Zu Oktober und November rechne ich mit deutlichen Aufschlägen. Anfang August noch schwächelten die Märkte für Pulver, bei Butter gab es ein Plateau. Von Mitte August an haben alle Märkte gut angezogen, insbesondere auch Käse.
Die Spotmilchpreise liegen bei 50 Cent. Bedeutet das, Rohmilch ist knapp?
Ja. Das liegt zum einen an der niedrigen Milchanlieferung: Anfang Oktober war diese etwa 1,3 % niedriger als im Vorjahr. Außerdem beobachten wir eine hohe Nachfrage aus Drittländern, vorne weg China. Aber auch im Binnenmarkt steigt die Nachfrage.
Wichtig ist bei dieser Entwicklung, dass die Molkereien die Erlöse auch an die Landwirte weitergeben und in den nächsten Kontraktverhandlungen über Konsummilch mit dem Handel erfolgreich sind. Hier müssen sich Kosten wiederfinden, die entlang der gesamten Kette gestiegen sind.
Inzwischen hat jeder Einzelhändler sein eigenes Schema für Kontraktverhandlungen. Wann stehen welche Verhandlungen an?
Man hört, dass die neuen Kontrakte um die weiße Linie nicht wie gewohnt einheitlich im November stattfinden. Bei Aldi beispielsweise sollen sie im Januar laufen. Andere Unternehmen schieben die Verhandlungen weiter raus.
Zulasten der Milcherzeuger?
Schwer zu sagen. In anderen Ländern gibt es diese längeren Kontraktlaufzeiten auch. Sicherlich kann man aber mit halbjährigen Kontrakten schneller auf Marktgegebenheiten reagieren. Wie die neuen Modelle in der Praxis aussehen, ist noch unklar.
Der Handel will Milchprodukte ab 2022 ebenfalls mit der Haltungsformkennzeichnung versehen. Sehen Sie darin eine Chance?
An sich werten wir die Kennzeichnung als vielversprechend. Man kann sie als Ziel der Strategie 2030 sehen. Positiv ist, dass Teile der Landwirtschaft mit in den Verhandlungen zu ITW sitzen. Abzuwarten bleibt, ob sich das Ganze für die Milcherzeuger rechnet. Sicher ist: Wenn wir nicht mitmachen, springt die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) mit ihrem Klassifizierungsprogramm ein. Dann sitzt kein Landwirt mit im Boot und es gibt keinen Mehrerlös.
Wo liegen die Knackpunkte für Milcherzeuger bei den Haltungsstufen?
Als Verband sehen wir die Knackpunkte bei der Auditdichte. Vor allem für Haltungsform Stufe 2, sprich QM Plus und Initiative Tierwohl, wird diese höher als erwartet. Das bedeutet mehr Bürokratie.
Was heißt „höher als erwartet“?
Ziel war, dass die Audits mit den QM-Audits parallel laufen. Aber der Handel fordert eine regelmäßigere Kontrolle als den dreijährige QM-Rhythmus. Bei den Kriterien sehen Milcherzeuger das Antibiotikamonitoring und die Schlachtbefunddaten kritisch.
Der Zuschlag von 1,2 Cent/l für Haltungsstufe 2 bzw. ITW ist in aller Munde. Reicht das als Anreiz für die Bauern?
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht muss das jeder Milcherzeuger selbst entscheiden. An der Umsetzbarkeit der Kriterien grundsätzlich habe ich keine Zweifel. Aber der große Wurf Richtung reelle Wertschöpfung ist das sicher nicht. QM und ITW hatten zum Ziel, Tierwohl wertzuschätzen. Alternativen wären andere Tierwohlprogramme vom Handel – sicher auch nicht besser für die Landwirte. Milchviehhalter mit neuen Ställen können den Bonus mitnehmen, ob es sich lohnt Ställe umzubauen, ist fraglich.
Wenn 2022 gekennzeichnete Produkte im Milchregal stehen sollen, müssen die Warenströme bei den Molkereien getrennt laufen. Sind die Molkereien darauf eingestellt?
Bei den Molkereien gibt es noch Fragezeichen. Die Erfassung kostet Geld. Die Milchindustrie ist deshalb dabei, eine zusätzliche Branchenvereinbarung zu erstellen, um diese Kosten zu decken. Die Ergebnisse müssen wir abwarten.
Wichtig ist, dass die entstehenden Kosten nicht in den Grundpreis eingepreist werden. Denn dann müssen die Mehrkosten alle Milcherzeuger zahlen, auch die, die sich nicht an ITW beteiligen. Die Molkereien müssen einen Weg finden, ihre Mehrkosten zu decken.
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