Im Schweinestall gute Stimmung schaffen

Schwanzbeißen, Ohrnekrosen, Rumoren im Darm – um typische Probleme zu umgehen, müssen Schweinehalter die Bedürfnisse ihrer Tiere im Blick behalten. Dabei ist weniger oft mehr.

In Sachen Buchtenstruktur ist Christoph Becker ein echter Profi. Auf der Beraterfortbildung von Boehringer Ingelheim und Landwirtschaftskammer NRW verriet der Schweinemäster aus der Lüneburger Heide vergangene Woche praktische Tipps – inklusive virtuellem Stallrundgang.

Tipps vom Profi

Jedes Abteil besteht bei Becker aus zwei länglichen Buchten für je 45 Tiere. Die alten kleineren hat er dafür einfach zusammengelegt. So haben alle Schweine Zugang zum überdachten Strohauslauf. Der Aufbau innen: Am Eingang Fress- und Liegebereich, an der Außenwand Kotbereich. Den Übergang zum Auslauf schützen Kunststofflamellen.

Schweinebuzzer

„Da zieht es schon mal ein bisschen. Zugluft ist aber erst dann schlecht, wenn Schweine nicht ausweichen können“, erklärt Becker. Deshalb bremst er den Luftstrom im Abteil mit Stichwänden. So reichen 15° C Innentemperatur für Endmastschweine vollkommen aus. Der Beweis: Ihren „Schweinebuzzer“ – eine Dusche auf Knopfdruck – nutzen die Tiere trotz der Kälte selbst im Winter.

Tiere entscheiden selbst

Christoph Beckers oberste Prämisse: Was Schweine brauchen, entscheiden sie am besten selbst. Anfangs hat er nur Kleinigkeiten im Stall verändert und seine Tiere genau beobachtet – zum Beispiel die Beleuchtung. Mittlerweile sind die Lampen in allen Buchten zum Liegebereich hin abgedunkelt. So liegen die Schweine entspannter.

„Was in einer Bucht nicht funktioniert, muss ich im restlichen Stall gar nicht erst ausprobieren.“

So sieht es auch Andrea Friggemann von der Landwirtschaftskammer NRW: „Wer Tierwohl und Buchtenstruktur verbessern will, muss klein anfangen.“

Komfortlieger und Schlürftrinker

Wichtige Punkte sind in ihren Augen:

  • Ähnliche Strukturelemente in Ferkelaufzucht und Mast,
  • Klimareize, Scheuerstellen und Suhlen für das Komfortverhalten,
  • ein dunkler und rutschfester Liegebereich ohne Zugluft, denn Schweine sind „Komfortlieger“,
  • offene Tränkestellen mit genügend Wassertiefe, denn Schweine sind „Schlürftrinker“,
  • ein „unbequemer“ Kotbereich mit hellem Licht, kalter Luft und feuchtem Boden
  • und eine Gruppengröße ab 20 Tieren, um überhaupt Struktur schaffen zu können.

Die Beißer finden

Um kritische Situationen und Orte in der Bucht zu finden, hat Tierarzt Dr. Franz Lappe aus Geseke die Tierbeobachtung mittlerweile perfektioniert – per Kamera. Anhand von Schlüsselszenen zeigt er Tierhaltern, welche Maßnahmen nötig sind und warum.

Was steckt dahinter?

Die Opfer von Schwanz- und Ohrenbeißern fallen bei der täglichen Tierkontrolle direkt ins Auge. Nach den Tätern sucht der Landwirt aber oft vergeblich. Mit seiner Videoanalyse findet der Tierarzt auch sie und ihre Beweggründe.

„Caudophagie ist immer Ausdruck für mangelndes Wohlbefinden“, lautet Lappes Fazit nach vielen Stunden intensiver Videoauswertung. Bei Mangel an Nährstoffen oder Fressplätzen versuchen Schweine oft, sich mit Gewalt Ressourcen zu sichern. Doch ihre Beweggründe sind vielfältig. Auch Zugluft, Sonnenlicht, Gewitter oder Rumoren im Darm können dahinter stecken.

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Wer bei Schwanzbeißen den Übeltäter finden will, braucht Zeit und Geduld. Tierarzt Dr. Franz Lappe setzt stattdessen auf eine Videokamera.

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