Schweine: Den Beißer per Video finden

Wer bei Schwanzbeißen den Übeltäter finden will, braucht Zeit und Geduld. Tierarzt Dr. Franz Lappe setzt stattdessen auf eine Videokamera.

Den Täter finden und isolieren – einfach gesagt, schwierig umzusetzen. Denn welcher Landwirt hat schon Zeit, stundenlang im Stall zu stehen und zu beobachten, welches Schwein den anderen an die Schwänze geht?

Dabei ist Schwanzbeißen eher auf dem Vormarsch, so die Erfahrung von Dr. Franz Lappe. Der Tierarzt der Geseker Praxis vivet vermutet, dass bei Schweinen mit dem heutigen hohen Leistungsvermögen schon leichte Dysbalancen ausreichen, um Verhaltensstörungen auszulösen.

Kamera im Stall

Doch wie die Ursache finden? Nachdem das Ausfüllen von Checklisten in Modellprojekten keinen durchschlagenden Erfolg hatte, setzte der Praktiker vor sieben Jahren testweise eine handelsübliche Videokamera mit hoher Lichtempfindlichkeit im Stall ein. Diese läuft nonstop. Eine 64 GB-SD-Karte reicht bei niedrigster Auflösung für 17 Stunden Aufnahmen. Ein großer Vorteil der Kamera: Die Schweine verhalten sich natürlich. Stellt sich ein Mensch in den Stall, fühlen sie sich beobachtet und sind sofort abgelenkt.

Vorweg werden die Schweine in der Bucht mit Spray nummeriert, um den oder die Beißer später auch sicher identifizieren zu können.

Wirklichen Erkenntnisgewinn bringt erst die Auswertung des Videos. Anfangs war Franz Lappe unsicher, wie er das unterschiedliche Verhalten der Schweine interpretieren sollte. Mithilfe von Fachliteratur fuchste er sich in das Thema ein.

Um nicht 17 Stunden Material am Stück sichten zu müssen, zerlegt der Tierarzt den Film in 20-minütige Sequenzen. Das erledigt er mit dem Schnittprogramm HD-Writer, das zum Ausstattungspaket der Kamera gehörte. Diese Videoschnipsel scannt der Praktiker mit der Maus im Schnelldurchlauf. So erkennt er auf einen Blick, ob es sich um Ruhe- oder Aktivitätsphasen handelt.

Wo ist die Komfortzone?

In den Ruheszenen achtet Lappe auf das Liegeverhalten der Tiere. Das liefert eindeutige Hinweise auf komfortable und weniger komfortable Zonen in der Bucht. Während der Aktivitätsphasen ist gut erkennbar, wie die Schweine Ruhe- und Aktivitätszonen einteilen.

Wenn Lappe beißende Schweine entdeckt, notiert er die Uhrzeit und taucht tiefer in die Szene ein. Dabei identifiziert er zum einen anhand der Nummer den oder die Beißer. Diese werden dann isoliert. Zum anderen kommt er den Ursachen des Beißens auf die Spur.

Video für den Landwirt

Aus den Schlüsselszenen erstellt sein Sohn ein etwa fünfminütiges Video für den Landwirt. Tierarzt Lappe liefert dann anhand einer Powerpoint-Präsentation die dazugehörenden Erklärungen und Lösungsvorschläge.

Das Sichten und Zusammenschneiden hat am Anfang viel Zeit gekostet. Mittlerweile reichen Franz Lappe dafür etwa drei Stunden. Denn er erkennt aus jahrelanger Erfahrung schnell die Schlüsselszenen, die ihn zum Auslöser des Schwanzbeißens führen: „Ich hatte nicht einen Fall, wo wir die Ursache nicht aufklären konnten.“

Bei den Landwirten kommt der Service gut an, sodass die Praxis in eine zweite Kamera investiert hat. „Manchmal brauche ich aber auch gar keine Kamera mehr, da für mich die Auslöser des Beißens schon beim Stallrundgang offensichtlich sind“, bekennt der Experte lächelnd.

Teure Technik gut geschützt

In der Box ist die Kamera vor Staub, Feuchtigkeit und Ammoniak geschützt. (Bildquelle: Brosthaus)

„Überlebt eine Videokamera überhaupt im Schweinestall?“, wird der Tierarzt oft gefragt. Der hat vorgesorgt und schützt die rund 600 € teure Kamera durch eine transparente Kunststoffbox vor Staub, Ammoniak und Feuchtigkeit. Kabeldurchlässe verhindern, dass durch die Stromversorgung ein Luftleck entsteht.

Die Box wird oben an der Wand montiert, sodass sie einen guten Überblick über die gesamte Bucht bietet und außerhalb des Einflussbereichs der Schweine ist.

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