Rinderzucht

Genomics für Fleischrinder

Objektive und ehrliche Daten sind die Grundlage für genomische Werte. Wo liegt die Krux bei der Zuchtwertschätzung?

Bei Holstein-Friesians ist die genomische Zuchtwertschätzung schon lange eta­bliert. Doch lässt sie sich auch bei den Rassen Angus, Blond d’Aquitaine, Charolais, Fleckvieh Fleisch/Simmental, Hereford, Limousin, Salers und Uckermärker einsetzen. Wie das funktioniert, erklärte Dr. Sebastian Hoppe von der Landwirtschaftskammer NRW bei einem Workshop des Fleischrinder-­Herdbuches (FHB) auf dem Hof Löbbig in Reken, Kreis Borken: Einmal jährlich werten die Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung in Verden die Daten aus. Alle Teilzuchtwerte und der Gesamtzuchtwert Fleisch (RZF) sind Relativzuchtwerte. Der Mittelwert von 100 Punkten entspricht dem Populationsdurchschnitt. Die Basis sind die letzten fünf mit Nachkommen geprüften Bullenjahrgänge.

Die Datengrundlage bei der Leistungsprüfung im Feld sind

  • das Geburtsgewicht,
  • das Absetzgewicht mit Bemuskelungsnote erfasst zwischen 90. bis 280. Lebenstag
  • und das Jährlingsgewicht mit Bemuskelung (281. bis 500. Tag).

„Die Fütterung als Umweltmerkmal hat einen großen Effekt auf die Entwicklung der Tiere“, sagte Hoppe. „Diesen Umwelteffekt versucht die Zuchtwertschätzung herauszukorrigieren, um den Wert der Genetik zu erhalten.“ Dafür ist es wichtig, mehrere Nachkommen eines Bullen auf möglichst vielen verschiedenen Betrieben zu halten. „Das ist in der Mutterkuh­haltung sehr schwer, da die Betriebe oft mit Deckbullen anstatt künstlicher Besamung arbeiten“, so Hoppe. Ein überbetrieblicher Bulleneinsatz lässt sich schwer reali­sieren, sodass eine „optimale Vergleichsstruktur“ fehlt.

Es ist gut, dass wir verschiedene Zuchtwerte haben. Aber wir müssen uns auch das Tier ansehen“ - Anne Menrath

Umso wichtiger ist es, die Daten bei der Leistungsprüfung so genau wie möglich zu erfassen. Das ­Gewicht ist dabei ein objektives Merkmal. Die Bemuskelungsnoten melden die Betriebe selbst. Um die Landwirtinnen und Landwirte zu schulen, zeigte Anne Menrath, Geschäftsführerin des FHB, worauf es ankommt. Fünf Absetzer von Familie Löbbing standen als praktische Beispiele parat. „Es ist gut, dass wir verschiedene Zuchtwerte haben. Aber wir müssen uns auch das Tier ansehen“, sagte sie. Es komme auch auf das Exterieur und die Funktionalität an und nicht nur auf den RZF. Menrath appellierte an die Mutterkuhhalter: Seid bei den Daten ehrlich zu euch selbst. Sonst funktioniert die Zucht nicht.“

Hendrik Löbbing züchtet Limousin-Mutterkühe im Nebenerwerb. (Bildquelle: Fry)

Viel Leidenschaft für die Zucht von Mutterkühen

Mit viel Herzblut und Tatendrang halten Hendrik und seine Frau Saskia Löbbing etwa 60 Mutterkühe plus Nachzucht im Nebenerwerb. Ihr Betrieb liegt in Reken im Kreis Borken. Die Limousin-Tiere sind typisiert, im Herdbuch registriert und stammen aus luxemburgischer, belgischer, französischer und deutscher Genetik. Drei Deckbullen vervollständigen die Herde. Einer ist homozygot, ein anderer heterozygot hornlos. Der dritte vererbt Hörner. „Ich bin ein Freund davon, hornlose Genetik ­bewusst einzusetzen und nicht auf Biegen und Brechen“, begründet Hendrik Löbbing den Kauf eines gehörnten Vererbers. Die Bullen sind ununterbrochen in der Herde, da der Betrieb auf ganzjährige Abkalbung setzt. Aktuell ist der mischerbig hornlose Sascha-Sohn Sambo bei den Kühen. Er ist 9/8/8 gekört (Typ/Bemuskelung/Skelett) und stammt von der Auktion in Alsfeld. Sommertags sind die Tiere auf der Weide. Während der Stallhaltung im Winter lassen sie sich gezielter anpaaren.

Eine Besonderheit: Alle Mutterkühe tragen seit 1,5 Jahren einen Boli vom Unternehmen smaxtec im Pansen. „Wir wollen Fruchtbarkeit und Abkalbungen besser überwachen“, erklärt Löbbing. Die Gesundheitswerte wie Wiederkauaktivität, Körpertemperatur, Wasseraufnahme und Bewegung schätzt er jedoch ebenso.

Rund um den ehemaligen Milchkuhbetrieb liegen 15 ha Dauergrünland. Insgesamt bewirtschaften Löbbings knapp 80 ha, davon 35 ha Dauergrünland. Ein Teil der Flächen liegt im Kreis Steinfurt. Sie bauen Mais, Getreide und etwas Zuckerrüben an.

Die (Zu-)Fütterung der Mutterkühe besteht aus Grassilage und energiereicher Ganzpflanzensilage (GPS), bei der die Ähren noch nicht geschoben sind. Je Kuh sind 400 g Mineralfutter eingemischt. Im Frühjahr, wenn das Gras noch jung und energiereich ist, bekommen die Kühe lediglich eine Leckmasse.

Die Absetzer mästen Löbbings selbst. Einen Teil verkaufen sie als Deckbullen. Die Masttiere bekommen eine Ration aus Grassilage, GPS, 30 % Mais, Rapsschrot und Mineralfutter. „Das bringt uns zwar nicht die höchsten Tageszunahmen, aber die günstigsten“, erklärt der 33-jährige Betriebs­leiter. Bullen erreichen einen täglichen Bruttozuwachs von etwa 1350 g. Mit 18 Monaten haben sie ein Schlachtgewicht von rund 460 kg. Die Färsen wiegen im ­Alter von 20 Monaten etwa 350 kg am Haken.

Zum Teil vermarktet Saskia Löbbing das Fleisch selbst: „Wir bieten 10-kg-­Pakete an. Diese kleinen Mengen gehen am besten.“ Ansonsten vermarktet ein Schlachthof in der Nähe das Fleisch für die Gastronomie.

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