Tierseuchen bei Rindern

BVD-Freiheit in Aussicht

Nur noch drei von 16 Bundesländern fehlt der BVD-Freiheitsstatus. Das soll sich bald ändern. Was bedeutet das für Landwirte?

Tierseuchen wie die Bovine Virusdiarrhoe (BVD) sind ein Albtraum für Rinderhalter. Doch Präventionsmaßnahmen haben sich gelohnt: Das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz will zum 20. April bei der Europäischen Union (EU) für die meisten Kreise in NRW die BVD-Freiheit beantragen.

Genehmigt die den Freiheits­status, bedeutet das:

  • Handel von Rindern ohne vorherige Blutuntersuchung.
  • Verbringen von ausschließlich Rindern aus anderen Mitglieds­staaten, die nachweislich BVD-frei sind. Alternativ sind eine Qua­rantäne und zusätzliche Unter­suchungen nötig.
  • Handel von geimpften Tieren nicht mehr erlaubt. Bereits geimpfte Rinder können in den Betrieben verbleiben und auch zur Schlachtung abgegeben werden.

Frei bis auf fünf Kreise

BVD zählt in Deutschland zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen und wird seit 2011 bekämpft. EU-Mitgliedsstaaten können den Status „seuchenfrei“ erlangen. Unter anderem Österreich, Finnland, Schweden und Teile Süd- und Ostdeutschlands sind bereits als „frei von BVD“ gelistet.

NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wollen für ihre ­Kreise und kreisfreien Städte, die in den vergangenen 18 Monaten keine BVD-Fälle hatten, einen Freiheitsantrag stellen. Ausgenom­men sind fünf Kreise in NRW (KLE, BOR, GT, HX, PB) mit zuletzt positiven Befunden. Der Freiheitsstatus wird für sie nachbeantragt.

Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sollen bald als BVD-frei gelten. (Bildquelle: FLI)

Kälber untersuchen

Die drei Bundesländer hatten an einem von der EU anerkannten Tilgungs­programm teilgenommen: Landwirte entnehmen allen neugeborenen Kälbern innerhalb der ersten 20 Lebenstage eine Gewebeprobe beim Einziehen der Ohrmarke. Ein Labor untersucht die Proben auf BVD. Wichtig ist das unmittelbare Verschicken der Probe. Nicht fristgerechte Untersuchungen bezwecken das Aussetzen des Freiheitsstatus. Schlimmstenfalls werden akute Infektionen zu spät erkannt.

Landwirte sollen auch künftig die Neugeborenen zur Früherkennung per Ohrstanzprobe untersuchen. Kälber, bei denen die Gefahr besteht, sich während der Trächtigkeit mit BVD zu infizieren, müssen in Isolation geboren und gehalten werden, bis ihre BVD-Probe negativ ausfällt.

Ohrstanzprobe positiv?

Im Falle eines positiven Befundes müssen die betroffenen Kälber getötet und unverzüglich aus dem Betrieb entfernt werden, um weitere Infektionen zu vermeiden. Bei über 95 % der positiven Ohrstanzproben bestätigt sich bei erneuter Untersuchung das BVD-Virus. Dies sind sogenannte persistent infi­zierte Tiere (siehe Kasten). Betriebe mit positiv geborenen Kälbern gelten laut Gesetz als infiziert. Sie verlieren den BVD-Freiheitsstatus und unterliegen einer Sperre. Das Verbringen von Tieren in andere Bestände ist ihnen untersagt. Schlachtung und Transport der Tiere ist aber möglich.

Langfristiges Ziel ist es, auf die Ohrstanzprobe zu verzichten. Dann sind serologische Bestandsuntersuchungen denkbar und eventuell auch die Untersuchung einer Tankmilchprobe.

Was ist BVD?

BVD ist die Abkürzung für Bovine-Virus-Diarrhoe. Das früher beschriebene typische Krankheitsbild von kümmernden Tieren, die frühzeitig an Lungenentzündungen oder Durchfall verenden, ist mit den Jahren immer unspezifischer geworden. Das Erkennen von BVD ­anhand des klinischen Eindrucks einer Herde ist daher unmöglich. Sichtbare Symptome sind meist unspezifische Immun- und Leistungsdepressionen. Die Milchleistung geht zurück oder die Tiere wachsen schlecht. Auch sind sie anfälliger für weitere Infektionskrankheiten.Wenn sich Rinder mit BVD infizieren, ist das nur vorübergehend. Ihr Immunsystem erkennt das Virus als körperfremd und bildet Antikörper. Diese bekämpfen das Virus und machen die Tiere für einige Jahre immun gegen neue Infektionen.

Sind infizierte Tiere tragend, kann das Virus auf den Fötus übergehen. Es gehen dauerhaft infizierte Tiere hervor – die Hauptverbreiter. Sie haben sich im Mutterleib angesteckt und die Infektion überlebt. Das Immunsystem, welches in dieser Phase heranwächst, hält das ­Virus für eine körpereigene Struktur und bekämpft es nicht mit der Bildung von Antikörpern. Diese persistent infizierten Kälber tragen zeitlebens das BVD-Virus in sich und scheiden es in großen Mengen aus.

Das Virus verbreitet sich auch über:
- Tiere (Kot, Speichel, Sekrete),
- Menschen (Stiefel, Geräte),
- Transportfahrzeuge,
- mobile Klauenstände,
- betriebsübergreifende Gülleseparatoren.

Seit 2022 ist die Impfung gegen BVD in NRW verboten und nur in Ausnahmefällen zur Bekämpfung eines Ausbruchs erlaubt. Den besten Schutz bieten Hygienemaßnahmen im Arbeitsalltag (siehe Leitfaden der LWK NRW). Für Menschen ist das Virus ungefährlich.


Der Hygieneleitfaden der Landwirtschaftskammer NRW zum Download:

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