Längere Zwischenkalbezeiten

Besser später besamen?

Eine Kalbung ist für die Kuh ein Risiko. Verlängerte Laktationen bedeuten hingegen weniger Geburten und Kälber. Ein Praxisprojekt bietet Fakten.

Zehn Milchkuhbetriebe aus Nord-, West- und Ostdeutschland testen gerade bei dem Projekt VerLak, ob sich die Laktationen ihrer Kühe verlängern lassen. Sie melken im Melkstand oder im Melkkarussell.

Längere Laktationen sollen die Zeitpunkte mit erhöhtem Erkrankungsrisiko verringern, zum Beispiel Kalbungen und Trocken­stehzeiten. „Die Neuinfektionsrate von Mastitiden ist kurz nach dem Trockenstellen, etwa fünf Tage vor und bis 21 Tage nach der Geburt am höchsten. Mit jedem weiteren Laktationstag sinkt dieses Risiko“, sagte Prof. Volker Krömker von der Universität Kopenhagen. Er ist überzeugt, dass die Eutergesundheit einer Herde davon abhängt, wie Landwirte Neuinfektionen verhindern und nicht, wie sie akute Mastitiden therapieren. Dr. Anke Römer ergänzte: „Die Leistung unserer Tiere ist deutlich gestiegen. Die Zwischenkalbezeit hat sich aber nicht mitentwickelt. Teils geben Kühe noch viel Milch zum Trockenstellen“, erklärte sie. Römer arbeitet bei der Landesforschungsanstalt in Mecklenburg-Vorpommern und im Projektteam.

Was ist VerLak?
Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines praxisgeeigneten Konzepts, um die Laktations­perioden zu verlängern und ein selektives Trockenstellmanagement. Beides soll den Antibiotikaeinsatz reduzieren. Gestartet ist VerLak am 1. Januar 2021 und läuft voraussichtlich bis zum 28. Februar 2024.
Die zehn teilnehmenden Projektbetriebe hatten eines gemeinsam: Sie haben ihre Kühe ab dem 42. Tag nach der Kalbung besamt und noch nicht selektiv trockengestellt. Um zu prüfen, ob sich die Laktationen verlängern lassen, gibt es je Betrieb eine Kontroll- und Versuchsgruppe – jeweils mit 65 Tieren. Die Kühe in der Kon­trollgruppe werden weiterhin ab dem 42. Tag besamt. Den Besamungszeitpunkt der Versuchs­tiere errechnet der TBS-Rechner. Folgende Daten bilden dafür die Grundlage: Laktationszahl (Erstlaktierend oder Kühe ab 2. Laktation), Angestrebte Milchleistung beim Trockenstellen, Laktationstag, durchschnittliche Milchleistung der letzten sieben Tage.
Das Projekt ist Teil des Modell- und Demonstrationsvorhabens (MuD) Tierschutz. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Praxiserfahrungen

Vergangene Woche hat das Team erste Ergebnisse vorgestellt – auf dem Betrieb von Cornelius Klaasen-­van Husen, der mit seiner Herde ebenfalls teilnimmt. Die Familie hält 170 Milchkühe in Kalkar (NRW). Normalerweise lässt der Landwirt seine Kühe um den 50. Tag nach der Geburt besamen. In der Versuchsgruppe verlängert er diesen Zeitraum deutlich, in der Spitze sogar auf 200 Tage. „Nach einem Jahr haben wir erste Ergebnisse sehen können“, sagte er. Der Besamungsindex sank von 2,35 in der Kontrollgruppe auf 2,17 bei den Versuchstieren. Durch die längere Wartezeit war der Besamungsaufwand also geringer.

Den TBS-Rechner finden Sie hier, um den tierindividuellen Besamungsstart zu ermitteln: TBS-Rechner.

Zudem ist die Milchleistung von Altkühen beim Trockenstellen nicht mehr so hoch wie früher. „Anders ist das bei Jungkühen: Sie haben eine gute Persistenz und halten ihre Laktationsleistung so hoch, dass sie beim Trockenstellen über dem Altkuh-Niveau liegen“, so Klaasen-van Husen. Einen Milchrückgang gibt es trotz mehr Melktagen nicht. Die Kontrollgruppe zeigt eine Leistung von 34,6 kg je Laktationstag, während die Versuchsgruppe mit 34,2 kg fast gleichauf ist. In 305 Tagen liegen die Kontrollkühe bei durchschnittlich 11  073 kg energiekorrigierter Milch (ECM). Die Versuchsgruppe schafft 11  105 kg ECM bei Familie Klaasen-van Husen.

Die Körperkondition war bei der Kontrollgruppe minimal höher. Projektbetriebe sollten die Kondition vor dem Trockenstellen, zur Kalbung und fünf bis zehn Tage danach erfassen. Dazu hat das Projektteam den bekannten Body-Condition-Score mit Noten von 1 bis 5 auf eine Skala von 1 bis 3 vereinfacht.

Wenn man die Zwischenkalbezeit um 100 Tage auf 500 Tage verlängert, soll der Deckungsbeitrag je Kuh um 104 € höher sein. (Bildquelle: Harms)

Keine Betriebe mit Roboter

Doch gab es zum Projekt auch Kritik aus der Praxis: Ein Teilnehmer der Veranstaltung merkte an, dass kein Betrieb mit Melkrobotern am Projekt teilnimmt. „Kühe müssen von alleine zum Roboter laufen. Bei Altkühen mit geringeren Leistungen zum Laktationsende ist das eine Herausforderung“, sagte er. Ein anderer Teilnehmer kritisierte, dass der BCS sehr vereinfacht erfasst wurde. Er schlug vor, Kameras zu installieren, die mehr und objektive Daten liefern. Zudem wäre die Kondition nach dem 80. Laktationstag interessant, nicht nur rund um die Kalbung.

Sich langsam trauen

Dass verlängerte Laktationen für ihn ein gutes System sind, hat Klaasen-van Husen mit der Zeit festgestellt: „Ich konnte nur noch schwer aushalten, die Kontrollgruppe so früh zu besamen.“ Die Vorteile einer längeren Wartezeit überwiegen für ihn. Zudem möchte er weniger Jungvieh aufziehen und setzt viel Fleischrasse-Sperma ein. Weiniger Kalbungen helfen ihm dabei.

Was können andere Rinderhalter aus dem Projekt mitnehmen? Klaasen-­van Husen rät: „Sich he­rantasten. Die freiwillige Wartezeit erst auf 70 oder 80 Tage erhöhen und langsam ausbauen. Und den TBS-Rechner ausprobieren. Der ­ermittelt den tierindividuellen Besamungsstart („Was ist VerLak?“). Man entwickelt ein Gespür, wie lange man eine Kuh laufen lassen kann“, sagt er. Für den Landwirt ist wichtig: „Wir müssen trotz langer Wartezeiten regelmäßige Brunsten beobachten.“

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