Fremdkörper-Erkrankungen

Achtung vor Fremdkörpern bei Milchkühen

Kühe fressen wenig selektiv, ihre Zunge ist nicht besonders empfindlich. Schnell nehmen die Tiere unbemerkt einen Fremdkörper auf. Die Verletzungen sind häufig übel. Was können Landwirte tun?

"Vielleicht hat sie ja einen Fremdkörper gefressen.“ Das ist ein Satz, den man sich als Tierarzt manchmal gar nicht traut auszusprechen. Denn die Diagnose „Fremdkörper“ hat den Ruf, als Lösung herhalten zu müssen, wenn der Tierarzt sonst nichts findet. Also eher eine Verlegenheitsdiagnose. Diese Einstellung sollte jedoch überdacht und die Fakten unter die Lupe genommen werden.

Fremdkörper-Erkrankungen

Wie entstehen Fremdkörper Erkrankungen überhaupt? Kühe fressen nicht sehr selektiv: Sie reißen mit ihrer Zunge große Grasbüschel ab oder nehmen mit ihr größere Mengen Futter vom vorgelegten Haufen, kauen ein paar mal darauf herum und schlucken den Bissen dann zügig herunter. Die feinere Zerkleinerung kommt später beim Wiederkauen und durch die Arbeit der Vormagen-Flora.

In diesen großen Bissen können sich Fremdkörper gut verstecken. Durch die kurze Verweildauer im Maul werden sie von den Kühen nur selten bemerkt und schnell mit dem Futter hinuntergeschluckt. Hinzu kommt eine stark verhornte Maulschleimhaut und Zunge, die gegen gröbere Bestandteile eher unsensibel ist. Schlachtkörper­befunde zeigen Fremdkörper-Erkrankungen bei etwa 10 % aller Schlachtrinder. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher.

Nagel im Magen

Welche Symptome treten auf, wenn der Fremdkörper im Magen ist? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt darauf an, wo genau der Fremdkörper liegt, ob er die Magenwand perforiert, wenn ja wie stark und in welcher Ausrichtung. Welche umliegenden Organe sind mit betroffen? Die häufigsten Fremdkörper sind Nägel, Schrauben und Drahtstücke. Diese schweren Partikel „fallen“ quasi aus dem Ausgang der Speiseröhre in den Netzmagen (Haube) und bleiben dort liegen.

Das geht in Sachen Vorsorge
Die Aufnahme eines Fremdkörpers kann man nie ganz ausschließen. Vorbeugende Maßnahmen sind: Beim Zaunbau penibel auf die Arbeitsmaterialien achten, um keine Nägel, Schrauben, Drähte und Ähnliches auf der Weide zu verlieren. Schilder am Weidezaun anbringen, die Spaziergänger auf die Problematik aufmerksam machen, sodass hoffentlich kein Abfall auf den Weiden landet.
Magnete im Futtermischwagen ziehen oft verblüffend viele metallische Gegenstände aus dem Futter und haben schon vielen Kühen viel Leid erspart. Auch im Tier sind Magneten als Vorsorge sinnvoll.

Normalerweise werden die gröberen Futterbestandteile wiedergekaut, um sie feiner zu zerkleinern. Die feinen Futterbestandteile werden dann durch eine kräftige Kontraktion der Haube über eine hohe Schleimhautfalte in den Pansen befördert zur weiteren Verdauung durch die Pansenmikroben. Da der Fremdkörper aber üblicherweise am Grund der Haube liegt, wird er durch das nahezu vollständige Zusammenziehen des Magens häufig durch die Magenwand gespießt.

Magneten können in der Kuh aber auch im Futtermischwagen gute Ergebnisse erzielen. (Bildquelle: Fry)

Ragt die Spitze nun aus der Magenwand in die Körperhöhlen, können andere Organe mit verletzt werden. Am häufigsten sind Lunge, Herz, Leber oder anliegende Bestandteile des Magen-Darm-Trakts betroffen. Im besten Fall kommt es nur zu leichten Verletzungen, die zu einer kurzfristigen Schmerzsymptomatik führen. Oft bleibt eine lokale Bauch- oder Brustfellentzündung zurück, die keine weiteren Probleme verursacht. Der Fremdkörper löst sich von selbst aus der Magenwand oder wird eingekapselt. Eventuell wird er von einem eingegebenen Magneten entfernt oder er löst sich im Laufe der Zeit durch Korrosion auf.

Wenn Organe verletzt sind

In anderen Fällen können sich in den verletzten Organen Abszesse bilden. Dabei können durch wiederkehrende Verletzungen größere oder multiple Abszesse entstehen, die ab einer gewissen Ausdehnung Organfunktionen beeinträchtigen oder sich öffnen und Eiter freisetzen können. Beides führt zu fatalen Folgen für die Kuh:

  • Wird der Herzbeutel perforiert, bildet sich zunächst ein Herzbeutelerguss. Je nach Schwere und Dauer der Verletzung und der Keimkontamination kann es bei einem klaren Erguss bleiben, oder es bilden sich jauchige oder fibrinöse Entzündungen. Diese führen zu einer starken Minderung der Herzleistung und zu einer Beeinträchtigung des umliegenden Lungengewebes.
  • Weitere Komplikationen können generalisierte, zum Teil eitrige Bauch- und Brustfellentzündungen, multiple Abszesse in Leber und/oder Milz oder Verletzungen mit Abszessbildung und/oder Verklebungen mit oder ohne Funktionsbeeinträchtigungen am Magen-Darm-Trakt sein.
  • Bei Entzündungen im Herz-/Lungenbereich kann es zudem zu Funktionsbeeinträchtigungen des Vagusnerven kommen. Die Folge: Störungen der Herzfunktion und der Magen-Darm-Motorik.

Fremdkörper-Proben

So vielfältig wie die Schäden durch einen Fremdkörper sind, so unterschiedlich fallen die Symptome aus (Kasten „Symptome und Diagnostik“). Eine Fremdkörper-Symptomatik ist unspezifisch.

Symptome und Diagnostik
Häufige Befunde, die den Verdacht auf eine Fremdkörpererkrankung lenken können, sind:
- Schmerzanzeichen, wie aufgekrümmter Rücken, angespannter Bauch, Zähneknirschen, Stöhnen,
- eine vorübergehend geringere Futteraufnahme und somit auch sinkende Milchleistung oder geringere Zunahmen,
- schwankende Körpertemperatur,
- wechselnde Kotkonsistenz,
- angestaute Halsvenen,
- abgespreizte Schultern, um das Atmen zu erleichtern,
- gestreckter Hals,
- Lungengeräusche,
- gedämpfte Herztöne und
- verminderte Pansenaktivität.
Keines der Symptome ist spezifisch und tritt bei jeder Kuh auf.
Als weiterführende Diagnostik eignen sich die Fremdkörper-Proben sowie ein Glutaraldehytest, eine Firbinogen-Messung und/oder ein Blutbild. Diese Untersuchungen erkennen zuverlässig Entzündungen im Körper der Kuh, allerdings wieder unspezifisch.
Spezifische Untersuchungen sind die Ultraschall-Diagnostik, mit der sich der Fremdkörper in manchen Fällen darstellen lässt. Beweisend ist aber auch hier nur der Fund des Fremdkörpers. Auch Verwachsungen von Netzmagen und Zwerchfell lassen sich oft darstellen. Das ist jedoch kein Beweis für das Vorhandensein eines Fremdkörpers, aber ein starker Hinweis. Mithilfe einer Operation mit Eröffnung des Pansens lässt sich ein Fremdkörper ebenfalls zweifelsfrei feststellen, wenn er gefunden wird. Die beiden großen Vorteile einer Fremdkörper-OP: die eindeutige Diagnose und das sofortige Entfernen des Fremdkörpers. Eine weitere, eher unkonventionelle Methode der Diagnostik ist der Metalldetektor.
Besteht nun aufgrund der Untersuchungsergebnisse der Verdacht auf eine Fremdkörper-Erkrankung, kann der Landwirt dem Tier einen Käfigmagneten eingeben, um Fremdkörper wie Nägel oder Drahtstücke zu binden und damit unschädlich zu machen. Zusätzlich macht es oft Sinn, einmalig oder über ein paar Tage ein Schmerzmittel bzw. Entzündungshemmer zu verabreichen. Ob der Magnet auch wirklich am Ziel angekommen ist, lässt sich nach 24 bis 48 Stunden mit einem Kompass überprüfen, der an die linke untere Bauchwand auf Höhe des Netzmagens gehalten wird. Bei korrekter Lage des Magneten wird die Nadel des Kompasses sich nach diesem ausrichten. Je nach Fremdkörper, Dauer und Ausmaß der Verletzung kann die Erkrankung folgenlos ausheilen oder es kommt jede Hilfe zu spät.

Zwar gibt es die sogenannten Fremdkörper-Proben wie Rückengriff, Stabprobe oder Schmerzperkussion. Eine Studie konnte jedoch zeigen, dass bei nur 58 % ­aller Kühe mit einem sicher bestätigten Fremdkörper mindestens eine dieser Proben positiv ausfällt. Durchführen sollte man sie dennoch, da eine positive Fremdkörper-Probe ein wichtiges Puzzleteil unter den erhobenen Befunden darstellt. Jede der Proben bringt den größtmöglichen Effekt, wenn sie auf dem Höhepunkt der Ein­atmung (also kurz vor Beginn der Ausatmung) durchgeführt wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die Lunge stark mit Luft gefüllt, so nimmt sie mehr Raum ein als ungefüllt. Auch das Zwerchfell, als wichtiger Atemmuskel, ist in diesem Moment maximal gespannt, die Organe von Brust- und Bauchraum ­liegen eng beieinander.

Rückengriff: Die Kuh geht dadurch ruckartig ins Hohlkreuz. Der Fremdkörper könnte an einer Stelle Schmerzen verursachen. Dann äußert sich die Kuh mit einem Schmerzlaut.

Stabprobe: Zwei Personen heben den Brust-Bauchraum der Kuh etwa auf Höhe des Netzmagens mithilfe eines Stabs oder eines Brettes von beiden Seiten an und lassen ihn auf Höhe der maximalen Einatmung plötzlich „fallen“.

Schmerzperkussion: Für diese Probe eignet sich ein Gummihammer oder ganz einfach die eigene Faust, mit der die Brust-/Bauchwand auf Höhe des Netzmagens kräftig schwingend abgeklopft wird. Auch hier ist der Effekt bei maximaler Einatmung am größten. Erfolgt jedoch genau zu diesem Zeitpunkt ein einzelnes, kräftiges Klopfen, wird jede Kuh erst eine unwillige Reaktion zeigen, ob Fremdkörper oder nicht. Daher ist ein mehrmaliges Klopfen sinnvoll. So tritt eine Reaktion nur im Falle eines Schmerzes auf.

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