Gefahr für Umwelt und Gesundheit

Mikroplastik im Reitsport

„Synthetische Zuschlag­stoffe“ in Reitböden werden durch die Hufe zerrieben und können sich als Mikroplastik in der Umwelt und in der Lunge anreichern.

Man hat manchmal den Eindruck, dass alles, was entsorgt werden soll, mit Sand ummantelt und als Tretschicht verkauft wird.“ Es waren harte Worte, die Marko Münster, vereidigter Sachverständiger für Sport-, Golf- und Reitplatzbau aus dem baden-württembergischen Berglen fand. Er war am Montag dieser Woche einer der Referenten bei einer Fachtagung zum Thema Recycling und Zukunftsfähigkeit von Kunststoffrasen und Reitplätzen in Stuttgart.

Auf etwa 60 % aller Reitplätze in Deutschland sind zur Verbesserung der Trittsicherheit und Elastizität zwischen 1 und 5 % synthetische Zuschlagstoffe verbaut. Zudem versprechen solche Böden eine längere Haltbarkeit als Mischungen mit organischen Stoffen wie Hackschnitzeln.

Gesundheitsgefährdende Stoffe

Als Zuschlagstoffe werden eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien eingesetzt. Das Problem ­dabei: Sie können gesundheitsgefährdende Stoffe enthalten, zum Beispiel Schwermetalle oder Weichmacher. Hinzu kommt, dass die Zuschlagstoffe von den Pferdehufen zerrieben werden. Dabei entsteht Mikroplastik, das beispielsweise bei Außenplätzen durch Wind oder Wasser in die Umwelt gelangt. Aber nicht nur dorthin, wie Prof. Dr. Gerald Fritz Schusser verdeutlichte. Der ehemalige Direktor der Medizinischen Tierklinik der Universität Leipzig fand bei Untersuchungen an Pferden mit immunpathologischen ­Erkrankungen wie dem Equinen Asthma Mikroplastik im Schleim von Nase und Luftröhre der Tiere, Nanopartikel sogar in Lungenbläschen und alveolären Kapillaren. „Von dort gelangen sie in den Blutkreislauf bis ins Gehirn“, erläuterte Schusser. Im Gegensatz zu ­Futter- oder Einstreupartikel, die ebenfalls in Pferdelungen gelangen könnten, würden Plastikpartikel nicht abgebaut.

Förderpraxis ausschlaggebend

Angesichts der Brisanz des Themas hat sich in Baden-Württemberg im März dieses Jahres ein Arbeitskreis „Mikroplastik auf Reitplätzen“ gegründet, an dem unter anderem drei Ministerien und die Pferdesportverbände im Ländle beteiligt sind. Die Ergebnisse und Empfehlungen zum Bau, Betrieb, Sanierung und Entsorgung von Reitplätzen bzw. -böden stellte der Koordinator Prof. Dr. Franz Brümmer, Universität Stuttgart, vor. Ein wichtiger Punkt ist die Einigung auf die Förderpraxis:

  • In Baden-Württemberg werden nur noch Reitplätze (Neubau) ohne synthetische Zuschlagstoffe gefördert.
  • Sanierung und Umbau eines Reitplatzes werden nur gefördert, wenn anschließend nur noch ein Reitboden ohne synthetische Zuschlagstoffe eingebaut wird.
  • Die ordnungsgemäße Entsorgung der Altmaterialien wird bezuschusst.

Alternativen im Test

Doch wie sind Reitplätze in der Praxis und an prominenter Stelle zusammengesetzt? Über die Situation im Haupt- und Landgestüt Marbach informierte Karl-Heinz Vollmer. Während der überwiegend mit Kaltblütern genutzte Boden der Reithalle St. Johann 2014 mit einem Gemisch aus Quarzsand und Holzhackschnitzeln erneuert wurde, haben die Reithalle und das Reitstadion für die Reitpferdehengste als Boden ein Sand-Kunststoffvlies-Gemisch. Eine Werbebande schütze im Reitstadion vor Verwehungen von Sand und Vlies. Die Pferdeäpfel würden aufgrund von Vliesanhängseln nicht auf ­Feldern ausgebracht, sondern getrennt gesammelt und entsorgt.

In der Reithalle Marbach wird seit zwei Jahren ein Sand-Baumwoll-Gemisch als Reitboden getestet, wobei die Baumwollfaser zu 20 % mit Kunststoff (PET) besprüht ist. Erste Erfahrungen seien gut, nur die Scherfestigkeit reiche nicht immer aus. Ein vorheriger Versuch mit Zellulose sei dagegen „kläglich gescheitert“, so der Referent.

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