Ein dicker Weidebauch allein heißt noch nicht, dass ein Pferd fett ist. Laut Tierärztin Carolin Pisch gehört mehr dazu, wie sie kürzlich auf einer Veranstaltung der Reihe „Rund um’s Pferd“ an der Fachhochschule Soest erklärte. Es gehe vielmehr um die Fettverteilung, denn sie ist maßgeblich an der Entstehung von Hufrehe, dem Equinen Metabolischen Syndrom (EMS) und „Cushing“ beteiligt. Aufschluss über den Ernährungszustand geben Bewertungsschemen, wie der sogenannte Body Condition Score (BCS). Hierbei werden anhand eines detaillierten Katalogs sechs Körperstellen bewertet. Für Laien leichter, aber nicht weniger aussagekräftig, sei die Bewertung des Ernährungszustandes anhand des Cresty Neck Score (CNS). Hierbei genügt die Bewertung des Kammfetts.
Sechs Kriterien zeigen’s
Beim BCS analysiert der Pferdehalter das Tier anhand der folgenden, grob umrissenen Kriterien. Das ausführliche Schema finden Sie hier oder über den unten stehenden Link:
- Hals: konkave oder konvexe Seitenfläche auf Höhe der Wirbelsäule, Fühlbarkeit der Halswirbel, vorhandenes Kammfett
- Schulter: Schultergräte erkennbar, Faltenbildung möglich
- Rücken: Dornfortsätze sichtbar, Form der Kruppe
- Brustwand: Rippen sicht- oder fühlbar, verschiebbare Haut
- Hüfte: etwaige Hungergrube, Sichtbarkeit des Hüfthöckers
- Schweifansatz: Schwanzwirbel erkennbar, etwaige Fettpolster
Jedes der sechs Kriterien wird auf einer Skala von eins (Beispiel: Hungergrube eingefallen) bis neun (Hüfthöcker nicht mehr erkennbar) bewertet – halbe Punkte sind möglich. Der daraus errechnete Mittelwert hilft, das Pferd in seiner körperlichen Konstitution zu beurteilen. Doch die Fachfrau rät zur Vorsicht bei der Interpretation: „Der Score wurde für Warmblüter entwickelt, andere Rassen, aber auch Hengste können aus der Norm fallen.“
Dicker Hals = dickes Pferd?
Weniger detailliert, dafür einfacher in der Anwendung ist die Bewertung nach dem CNS-System. Einziger Fokus hierbei: der Fettanteil am Mähnenkamm, sprich das Kammfett oberhalb der Muskulatur. „Bei entspannter Kopfhaltung oder beim Fressen vom Boden lässt es sich besonders gut beurteilen“, erklärt Pisch. Der Kamm sollte mit einer Hand zu fassen sein und sich von rechts nach links bewegen lassen. Dabei darf der Hals gleichmäßig vom Nacken bis zum Widerrist mit Fettpolstern überzogen sein. Wulstiges Aussehen oder auch starke Fetteinlagerungen in der Mitte des Halses sind jedoch unerwünscht.
Sonst droht Krankheit
Die Notwendigkeit, den Ernährungszustand von Pferden zu beurteilen, sieht Tierärztin Pisch in jedem Fall: „Bei dicken Pferden erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Stoffwechselerkrankungen.“ Hufrehe, EMS und das Equine Cushing Syndrom können die Folge sein. Schuld ist Stress im Fettgewebe, verursacht durch zu viel bereitgestellte Energie aus dem Futter. Dadurch kommt es zu Entzündungen im Fettgewebe und einer hormonellen Fehlsteuerung. Die Expertin führt die zu hohe Energieaufnahme oftmals auf die immer höheren Zuckeranteile in Heu und Gras zurück. „Entsprechend sehen wir immer mehr dicke Pferde“, erklärt sie. Daher rät sie nicht nur zu ausreichend Bewegung, sondern auch dazu, das Heu für zu dicke Pferde 15 bis 30 Minuten zu wässern: „So waschen Sie die wasserlöslichen Kohlenhydrate heraus.“ Bedampfen sei keine Alternative – im Gegenteil: „Untersuchungen haben gezeigt, dass hierbei Eiweiße verloren gehen und die darin enthaltenen Aminosäuren fehlen den Tieren dann wiederum für den Muskelaufbau.“ Weiter empfiehlt Pisch für besonders gefräßige Pferde, trotz höherer Verletzungsgefahr, Heunetze mit einer Maschengröße von weniger als 30 mm: „Ich persönlich würde lieber das Risiko einer Verletzung in Kauf nehmen als eine Hufrehe.“
Hier geht's zur ausführlichen Tabelle zur Bewertung.
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