Kommentar
Wisente im Hochsauerland: Eine unendliche Geschichte?
Der Streit geht weiter: Die freigesetzten Wisente schälen Buchen im Sauerland, der Wisent-Verein unternimmt nichts - trotz Gerichtsurteil. Jetzt drohen Waldbauern damit auf eigene Faust zu handeln.
Wie jedes Jahr um diese Zeit sind die am Rothaarsteig freigesetzten Wisente im Hochsauerland unterwegs und schälen dort die Buchen der Waldbauern. Genau genommen dürften sie dies seit Kurzem nicht mehr. Denn nachdem der Wisent-Verein seine Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe gegen Urteile des Oberlandesgerichts Hamm zurückgenommen hat, sind die Urteile rechtskräftig geworden. Das heißt: Die Waldbauern haben jetzt einen Anspruch darauf, dass der Verein die Tiere durch geeignete Maßnahmen von ihren Waldflächen fernhält. Doch in der Praxis passiert diesbezüglich nichts.
Enorme Schäden durch Wisentherde
Dabei sind die Verletzungen an den Bäumen immens: „In sechs Jahren hat die Wisentherde Schäden angerichtet wie eine 15-fache Zahl an Rotwild“, hatte es bereits im Dezember 2021 bei der Vorstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens zum Projekt geheißen. Die Schadenshöhe über alle Flächen wurde zu dem Zeitpunkt schon auf 600 000 € beziffert. Dieser Betrag wird wohl nicht mehr reichen ...
"Wisent-Allianz"
Der Wisent-Verein scheint das Ganze auszusitzen und wieder mal auf Zeit zu spielen. Ende Juli teilte er mit, dass er gemeinsam mit dem Zoologischen Garten Köln und der Deutschen Wildtier Stiftung in einer „Wisent-Allianz“ eng zusammenarbeiten will. In einem „Letter of Intent“, zu gut Deutsch Absichtserklärung, betonen die drei Institutionen die Bedeutung des in Westeuropa einzigartigen Artenschutzprojektes im Rothaargebirge zur dauerhaften Ansiedlung frei lebender Wisente und setzen sich für dessen Fortführung auf breiterer Basis ein. Laut der Pressemitteilung wollen der Kölner Zoo und die Wildtier Stiftung das Wisent-Artenschutzprojekt auch finanziell unterstützen. Als „unabdingbare Voraussetzungen“ für ihr Engagement erwarten die drei Institutionen allerdings „das politische Bekenntnis des zuständigen NRW-Fachministeriums“ und „eine nachhaltige Grundfinanzierung“.
Wird es das Bekenntnis und Geld geben? Und falls ja, wie viel? Beim neuen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW nachgefragt, hieß es von der dortigen Pressestelle am Freitag vergangener Woche, die Anfrage sei in der Bearbeitung, eine kurzfristige Antwort sei leider nicht möglich.
Streit geht weiter
Darauf wollen die betroffenen Waldbauern nicht warten: „Jetzt ist Schluss. Wir werden nicht weiter zuschauen, wie die Wisente unsere Bäume schälen“, betont Hubertus Dohle als einer der betroffenen Waldbesitzer. „Entweder werden wir jetzt selbst Maßnahmen ergreifen und diese dem Verein in Rechnung stellen oder wir werden ein Ordnungsgeld festsetzen lassen.“ Doch was ist eigentlich mit der Koordinierungsgruppe, die unter anderem aus Vertretern der Kreise, Städte, Land- und Forstwirtschaft besteht? Diese Art Aufsichtsrat hätte beim Wisent-Projekt schon längst die Reißleine ziehen können. Doch es tut sich nichts. Der Wisent-Streit scheint sich zur unendlichen Geschichte zu entwickeln.
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